Letztes Jahr war er der Mann vom Paketdienst

Kurzgeschichte zum Thema Vergessen

von  TassoTuwas

Die alte Dame drückt die Puppe fest an sich. "Das ist mein Kind", sagt sie.  
"Wie heißt denn die Kleine?"   
"Liliane", dabei streicht sie der Puppe über den Kopf und nach einer Weile, 
"Sie studiert in Mailand".     
Die tickende Uhr dehnt die stehengebliebene Zeit. 
Die alte Dame beobachtet die Hände des Besucher, sieht ihm zu, wie er die Blumen aus dem Papier wickelt. 
"Oh, eine Überraschung, meine Lieblingsblumen!"
"Ich weiß", murmelte der Mann, mehr zu sich, als dass es jemand hören sollte.   
Zum ersten Mal blickt die alte Dame auf und plötzlich huscht ein Lächeln über ihr Gesicht.
"Nicht wahr, Sie sind der neue Gärtner?"

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Kommentare zu diesem Text


 AlmaMarieSchneider (13.05.23, 01:08)
Lieber TassoTuwas,

schlimm ist das Vergessen, aber sie hat noch ihre Sprache. Wenn man keine Worte mehr findet, stelle ich mir das Ende vor, weil es dann auch keine Gedanken und Träume mehr gibt.

Liebe Grüße
Alma Marie

 TassoTuwas meinte dazu am 15.05.23 um 09:49:
Liebe Alma Marie,

wir noch "Normalen" können uns nur vorstellen, wie das Vergessen sein könnte und hoffen, dass wir es nicht merken, wenn es uns betrifft.

Liebe Grüße
TT
Taina (39) antwortete darauf am 15.05.23 um 10:02:
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 TassoTuwas schrieb daraufhin am 15.05.23 um 10:11:
Hallo Taina,

es gibt wohl doch Dinge die nicht verschüttel werden!

LG TT
Taina (39) äußerte darauf am 15.05.23 um 12:31:
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 plotzn (13.05.23, 09:34)
Servus Tasso,

man sagt ja, dass bei Demenz vor allem die Angehörigen leiden und nicht so sehr die Betroffenen, aber das stimmt meiner Erfahrung nach nur für das fortgeschrittene Stadium. Meine Oma hatte viele Momente, an denen sie plötzlich wieder klarer wurde uns sehr darunter litt, dass ihr Hirn nicht mehr richtig funtionierte.

Den Kontrast zwischen traurig stimmender Krankheit und Situationskomik, die sie erzeugen kann, hast du wunderbar eingefangen.

Liebe Grüße
Stefan

 Oops ergänzte dazu am 13.05.23 um 10:49:
Bei meiner Tante war das auch so , bis zum fehlenden Schluckreflex:(.

LG Oops

 TassoTuwas meinte dazu am 15.05.23 um 10:01:
Hallo Stefan,

du beschreibst die Zeitspanne zwischen beginnender und totaler Demenz aus eigenem Erleben. In der Tat ist das wohl das schmerzhaftes Lebensabschnitt für den Erkrankten, wie auch für die Familie. 
Du hast Recht, sogar da gibt es Momente des Lächelns.

Herzliche Grüße
TT
Teolein (70)
(13.05.23, 11:02)
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 TassoTuwas meinte dazu am 15.05.23 um 10:08:
Moin Teo,

ein schwieriger Lebensabschnitt. 
Mich bewegt die Frage, kann man als Betroffener eigentlich den Beginn der Krankheit bei sich selbst feststellen?
Ich glaube nicht.

Herzliche Grüße
TT

 Oops (13.05.23, 11:22)
Und dem wahrscheinlich Sohn bleibt nichts weiter als validieren.:(

LG Oops

 TassoTuwas meinte dazu am 15.05.23 um 11:10:
Den Angehörigen bleibt ja nichts anderes übrig!

LG TT
Daniel (50)
(13.05.23, 11:55)
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 TassoTuwas meinte dazu am 15.05.23 um 11:13:
Hallo Daniel,

ein Lächeln ist ein Zeichen, dass doch noch etwas angekommen ist.

Herzliche Grüße
TT

 harzgebirgler (13.05.23, 12:31)
die mutter kümmert's nimmer so wie ihn
dass ihr der sohn inzwischen voll entrückt
was den natürlich unheimlich bedrückt
hält ihn jedoch noch nicht fürn pinguin.

lg vom harzer

 TassoTuwas meinte dazu am 15.05.23 um 11:18:
Moin Harzer,

und das obwohl er sich festliche gewandet hat, schwarz-weiß und so!

mit Schmunzelgrüßen von
TT

 AchterZwerg (13.05.23, 16:01)
Hallo Tasso,
du hast das Surreale der Situation, die studierende Puppe und den ratlosen Sohn sehr gut eingefangen, finde ich. :)
"Nur" die Gefühle sind echt - und haben Bestand.

Liebe Grüße
der8.

 TassoTuwas meinte dazu am 15.05.23 um 11:24:
Hallo Zwergi,

gefühlsecht hat schon was für sich, besonders in der Literatur!
Danke für dein Empfinden  :)  !
Liebe Grüße
TT

 EkkehartMittelberg (13.05.23, 21:34)
Es ist dir gelungen, die tragikomische Seite dieser schlimmen Krankheit einzufangen, Tasso.
Herzliche Grüße
Ekki

 TassoTuwas meinte dazu am 15.05.23 um 11:28:
Hallo Ekki,

und das war nur als flankierenden Hinweis auf den Muttertag gedacht.

Herzliche Grüße
TT

 Didi.Costaire (14.05.23, 12:42)
Hallo Tasso,

was soll man dazu sagen? Du hast die Tragik auf den Punkt gebracht.

Liebe Grüße,
Dirk

 TassoTuwas meinte dazu am 15.05.23 um 11:36:
Hallo Dirk,

ganz im Hintergrund verbirgt sich die Frage, kommt da ein Sohn einmal im Jahr am Muttertag vorbei und spielt es überhaupt eine Rolle, ob und wie oft man zu Besuch kommt?

Liebe Grüße
TT

 Saira (15.05.23, 09:13)
Lieber Tasso,
 
wenn durch die Demenz Menschen aus dem Gedächtnis gelöscht werden, die vor der Erkrankung das Liebste waren, so ist das sehr, sehr traurig.
 
Liebe Grüße
Sigi

Kommentar geändert am 16.05.2023 um 18:42 Uhr

 TassoTuwas meinte dazu am 16.05.23 um 18:45:
Liebe Sigi,

die Krankheit ist nicht das Ende der Liebe, auch wenn sie nur noch einseitig gelebt werden kann. Die Trauer wird dann ständiger Begleiter.

Herzliche Grüße
TT
Taina (39)
(15.05.23, 09:56)
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 TassoTuwas meinte dazu am 15.05.23 um 11:07:
Interessant.
Hatte sie Kinder?
Taina (39) meinte dazu am 15.05.23 um 12:36:
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 Beislschmidt (20.05.23, 10:44)
Hallo Tasso, 
über sechs Jahre habe ich Demenzerkrankte bei der Caritas begleitet und über Humor und Musik konnte man auch fortgeschrittene Patienten noch erreichen. 
Sie dort abholen, wo sie sind - ist dir gelungen.
Beislgrüße

 TassoTuwas meinte dazu am 22.05.23 um 10:14:
Moin Beislschmidt,
wir gleiten ins Leben hinein ohne jedes Wissen und ohne Meinung, wenn wir dann gegen Ende uns langsam wieder diesem Zustand nähern, wäre das nur Rückkehr zum Beginn.
Sicherlich schmerzhaft für die Familie aber nicht für den Patienten.
Gut, darüber kann man streiten, ist auch nur ein Gedanke.
Dank und herzliche Grüße 
TT
Agnete (66)
(23.05.23, 11:38)
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 TassoTuwas meinte dazu am 24.05.23 um 11:36:
Liebe Agnete,

jetzt hab ich schlucken müssen!

Kommt nicht so häufig vor, das Schlucken und die Ernsthaftigkeit, aber es gibt sie!

z.B. "Herr Kamrath blickt in seinen Garten" 04.23
oder "Die Quadratur eines Greises" 10.22

Herzliche Grüße
TT
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