IN EINER HERBSTNACHT SITZ ICH ALLEIN UND OHNE WEIN - EIN JAPANISCHES HERBSTGEDICHT

Gedicht zum Thema Jahreszeiten

von  hermann8332

IN EINER HERBSTNACHT

SITZ ICH ALLEIN


Ich sitze allein,

den Spiegel in der Hand


und blicke unverwandt

und wie gebannt


auf dieses

weiße Schläfenhaar,

das letztes Jahr

noch nicht da war


was mich erschreckt

und deprimiert

und melancholisch

stimmt


Draußen der Regen

stetig rinnt


so wie die Zeit

die rann vorbei

als ob´s ein Augenblick

nur sei …


Die Halle leer


Niemand kommt mehr


Es ist schon

mitten in der Nacht


Ans Fenster tropft

der Regen sacht


Ich sitz allein

im Kerzenschein


Was kann ich gegen

das Alter tun ?


Niemand ist dagegen

immun


So wie man Gold

nicht hergezaubert kriegt

kann ich mich nicht verjüngen


und dieses Haar nur noch

durch Haarfarbe

zu einem dunkleren Tone

bringen


Alter und Krankheit

werden mich besiegen


Bald werd ich

unter der Erde liegen


Es bleibt einem

nur die Lehre


- selbst wenn man

nochmal zwanzig wäre -


Nichtig ist das Leben !

Vanitas Vanitatum !

Seis drum !


Da öffnet sich

die Schiebetür


und eine Geisha

erscheint mir


mit einer Schale Wein


Nun gut,

ich lasse mich darauf ein ...


… trotz aller Nichtigkeit

und der vorgerückten Stunde

und meiner hohen Lebenszeit


Doch es war nur ein Traum

der gleich zerplatzt

zu Schaum


als ich wurde wach …


Ich glaubte es

erst nicht

und sah sogar

im Vorraum nach


Alles leer


Niemand

kommt heute mehr


Es ist schon spät

in der Nacht


und der Regen,

er rinnt sacht


am Fensterglas

entlang


ohne Ende

ohne Anfang


wie die Zeit

als Ewigkeit


Was hab ich mir nur

im Traum gedacht ?


Mir so was

zu erträumen ...


Illusionen

aus zerplatzenden

Schäumen


Eine Geisha

womöglich

nackt


Doch niemand ist da


Im Keller

wäre Wein ...

Statt ihn zu holen

laß ich`s sein


und schlafe wieder ein


müde wie ich bin


müde und alt


müde und alt

und schwach


müde und alt

und krank

und schwach


Ach , würd ich doch

nur jünger sein !


Und hätt

an den Schläfen

nicht weißes Haar,

das einstmals dunkel war

im Frühling meines Lebens


Da läßt sich nichts machen:

alles ist vergebens


Außer es einzufärben,


doch unter der Farbe

bleibt es weiß


weiß:

wie der frisch

gekochte Reis


weiß:

wie der Tod,

der jedem droht


weiß:

wie der Schnee am Fuji oben

wenn die Herbststürme toben


schneeweiß:

denn aus dem Spiegel

schaut mich an

ein alter Mann

ein gebrechlicher Greis










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