Herkunft liegt jenseits der Erinnerung

Gedicht

von  Melodia

Damals war mein Herz in einem Alter

das noch nicht an Zukunft dachte

Entscheidungen küssten nur das Gefühl

 

Jede Idee hat Konsequenzen

hörte ich die Stimmen meiner Eltern

Ich malte ihre Sprechblasen aus

in allen Farben meines Heranwachsens

 

Die vergangenen Jahre

schweigen im Staub

der sich langsam legt

mein Blut offenbart

 

Ich bin der Sohn meines Vaters

spreche meiner Mutter Sprache

er ist nur noch ein Phantom

und sie als Nebel

sitzt auf den Hügeln

 

Meine Opfergaben kommen

viel zu spät



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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (23.10.23, 07:39)
Das Tragische ist, dass die meisten Erinnerungen geschönt oder geschwärzt sind.
Insbesondere die der Herkunft.
Die notwendige (brutale) Wahrheitsliebe gehört der Jugend. Ein reifer Mensch neigt wohl eher dazu, sich selbst als (Mit-) Schuldigen zu betrachten ...

 Melodia meinte dazu am 23.10.23 um 10:04:
Ich bin mir nicht sicher, ob man das so verallgemeinern kann und würde dagegenhalten, dass es individuell unterschiedlich ist. 
Zum Beispiel würde ich meinen, dass sich die Jugend zumeist nicht mit Selbstreflexion beschäftigt. Gleichzeitig gibt es viel zu viele Erwachsene, die dies ihr Leben lang nicht tun, aus welchen Gründen auch immer (und somit u.a. auch dieselben Fehler ihrer Eltern wiederholen).

Aber ich gebe dir definitiv Recht, dass Erinnerungen trügerisch sein können. ;)

Vielen Dank für die Empfehlung.

 tueichler (23.10.23, 10:32)
Ich meine, dass man in der Jugend eher zu kurzfristigen und polarisierenden (ausdrücklich nicht nur im politischen Sinne) Bewertungen oder Einlassungen neigt. Im Alter scheint sich eine Verdichtung der Erlebnisse mit gleichzeitiger Selektion nach zukünftiger Relevanz einzustellen. Wichtig scheint mir dabei, latente Schuldgefühle, so vorhanden, zu überwinden, wenn man - sozusagen - dann in der ersten Reihe steht. Meiner Meinung nach kann man nur dann unbelastet sein Selbst finden und dies auch ebenso unbelastet an die nächste Generation vermitteln.

 Melodia antwortete darauf am 23.10.23 um 12:34:
Mit den Schuldgefühlen gebe ich dir absolut Recht. Man muss den Kreislauf quasi durchbrechen, um sich selbst und folgend seinen Kindern von diversen Lasten zu befreien.

Aber ich finde es interessant, dass hier quasi nur dieses Thema herausgelesen wird, auch vollkommen zurecht, aber könnte es nicht auch sein, dass das LI erkannt hat, was seine Eltern alles für ihn getan haben? ;)

 tueichler schrieb daraufhin am 23.10.23 um 13:16:
Meiner Meinung nach ist diese Erkenntnis zweischneidig. Erstens hat man als Filius, der das LI ja ist, ja ein bestimmtes materielles und emotionales Erbe. Bezug nehmend auch auf das Buch von Barbara Bleisch würde ich allerdings auch sagen, dass es keinen Filialen Vertrag gibt, also keine - über das Maß an Respekt und die Liebe hinausgehende - Verpflichtung. Diese Betrachtung ist natürlich sehr materialistisch, lehnt sich aber an das Vierte Gebot an. Implizit ist die Erkenntnis, was die Eltern alles für einen getan haben aber auch der erste Schritt zur Selbstbezichtigung mit dem Hintergrund, diese Gabe eventuell nicht hinreichend gewürdigt zu haben, was gegebenenfalls noch durch Einlassungen der Altvorderen bestärkt wird, die zum Beispiel Verzicht oder entgangene Lebensqualität ins Feld führen.

Antwort geändert am 23.10.2023 um 13:18 Uhr

 Melodia äußerte darauf am 23.10.23 um 13:36:
Jedenfalls hast du dich mit der Thematik auseinandergesetzt. ;) 
Ich würde behaupten, das theoretisch alle Erkenntnisse, Erinnerungen usw. zweischneidig sind, da es immer darauf ankommt, was man damit anstellt, wie man sie verarbeitet.
(Spät erkannte) Annerkennung, muss ja nicht zwangsläufig zur Selbstgeißelung führen. Einfach realisieren und hinnehmen, auch wenn es zu spät sein sollte, sich zu bedanken.
Spannend! :)
Taina (39)
(23.10.23, 12:40)
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 Melodia ergänzte dazu am 23.10.23 um 13:02:
Das mit den Großeltern war zwar nicht Teil meiner Gedanken beim Schreiben, aber interessante Interpretation.

Vielen Dank dir

 AZU20 (23.10.23, 12:53)
Ich denke, sie kommen immer noch früh geniug. So mein Gefühl. LG

 Melodia meinte dazu am 23.10.23 um 13:03:
Wer weiß. Zumindest die Erkenntnis sollte bleiben.

Auch dir: Danke!

 Mondscheinsonate (23.10.23, 13:16)
:(
Wie schön deine Zeilen sind.

 Melodia meinte dazu am 23.10.23 um 13:36:
Vielen lieben Dank dir.

 Saira (23.10.23, 17:24)
Hallo Melodia,

wenn wir jung sind, können wir die Tragweite unserer Entscheidungen noch nicht erfassen. Die guten Ratschläge von den Erwachsenen werden nur selten übernommen. Ich denke, das ist auch gut so, zumindest dahingehend, dass wir unsere eigenen Erfahrungen machen müssen, auch die schlechten. Nur so können wir wirklich für unser Leben lernen und uns zu Persönlichkeiten entwickeln.
 
Was meint LyrIch mit seinen Opfergaben? Ist es eine Art von Reue, nicht doch mehr auf die Eltern gehört zu haben? Erkennt sich LyrIch in seinen Eltern wieder oder ist es ihre Dominanz, die er noch immer spürt?
 
Ein nachdenklich stimmendes Gedicht!
 
Liebe Grüße
Sigrun

 Melodia meinte dazu am 23.10.23 um 19:42:
Hallo Sigrun,

was die eigenen Erfahrungen betrifft gebe ich dir vollkommen Recht. Gelegentlich hat man sich im nachhinein aber schon, zumindest innerlich, geärgert, dass man nicht auf die Eltern gehört hat. Aber dann war es ja ohnehin schon zu spät. Und beim nächsten Mal ist die situation eine andere, oder so ähnlich. ;) 

Ich hatte mir bei den Opfergaben etwas bestimmtes gedacht, wollte es aber offen für interpretationen lassen, was ja ganz gut funktioniert zu haben scheint. DAher verrate ich es nicht. Aber du hast ja bereits einige Möglichkeiten aufgezählt, die dem Gedicht eine jeweils andere Richtung geben.

Libe Grüße und danke

 theatralisch (12.12.23, 13:28)
I feel it.

 Melodia meinte dazu am 12.12.23 um 14:02:
:) :) :)
Lioness. (31)
(10.01.24, 12:18)
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 Melodia meinte dazu am 10.01.24 um 12:58:
Vielen Dank!
Tatsächlich ist das ebenfalls meine Lieblingsstelle. ;) 

Liebe Grüße
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