Wie aufgefädelt

Text

von  Mondscheinsonate

Heute sitzen alle wie aufgefädelt, Menschen, die einsteigen, neigen ihre Köpfe zunächst nach links, dann nach rechts, am Schluss geben sie es auf. 

Katja schreibt, sie hat heute eine Klausur, da schreibe ich zurück: "Vollgas, du hast nicht umsonst einen Mercedes mit 265 PS, keinen Skoda!" Sie lachte, immerhin aufgeheitert. Hoffentlich baut sie sich nicht wo ein, denke ich im Stillen. Der Wagon füllt sich nach jeder Station, eine alte Dame kommt nicht zum Sitzen, sie ist zu weit weg. Der Platz neben mir ist einmal mit einer Schwarzhaarigen besetzt, danach wieder, beide sahen ähnlich aus, der erkennbare Unterschied war nur das Parfüm, penetrant. Ein Mann drängt sich mit dem Untergestell an eine Frau, die dreht sich um und sieht ihn böse an, er versteht und stellt sich schräg, das finde ich phantastisch.

Ein junges Mädchen mit Kopftuch und Brille hat rosa Wangen und sieht aus wie die Jungfrau Maria auf den Heiligenbildern, ich grinse. Eine anderes trägt ein Chello, stellt es auf den Boden, es könnte auch ein Kontrabass sein, aber die Größe verrät das Chello. Das kann ich auch spielen, aber nicht gut genug, sodass es mir Spaß machen würde. Ein Kind läuft an der stehenden Straßenbahn vorbei und hechtet in die andere, es sieht aus als ob er einen Köpfler ins Wasser machen würde. Der Sinn des Schwimmunterrichts erschloss sich mir als Kind nie, ich mochte das Schwimmen nie, bis ich den Rafting - Unfall hatte, dann war ich froh, dass ich es konnte. Wieder das Eck, wo es fürchterlich stinkt. Der Himmel ist heute strahlend blau mit gemalten, länglich gezogenen Wolken. Die Sonne glüht in der Ferne, die Erleichtung genau hinter dem Donauturm. Ich sehe auch rosa und einige Kondensstreifen. Vier Flugzeuge fliegen heftig in die Höhe. Wieder Friedrich Engels Platz. Der Karl ist ihm ordentlich in der Tasche gelegen. 

Eine Frau mit Kopftuch telefoniert neben mir, man versteht sie zum großen Teil, ich nicht. Jemand von den Wiener Linien stellt eine Weiche um, deshalb fahren wir langsam an ihm vorbei. Die Kurve, wieder die Klosterneuburger Straße. Kleine Mädchen mit Kopftüchern tümmeln sich durch den Wagon, das ärgert mich, sie sind nicht einmal zehn Jahre alt, während die Buben in Jogginghosen ausgelassen lachen. Eine Schultasche mit einem Schaf darauf, darunter steht "Keep calm". Die Sonne hinter dem Bunker bestrahlt längst Vergangenes, nichts bröckelt. Manche Bäume im Augarten haben noch ihre Blätter. Weg vom bürgerlichen Viertel, die Kurve in die Untere Augartenstraße, grau und hässliche Nachkriegsbauten, alles war zerstört, gleich bin ich da, der Donaukanal muss noch überquert werden. Die Ampel hält noch auf. 


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