Im Schatten der Nacht

Gedicht zum Thema Außenseiter

von  Saira

Die Nacht, sie trägt ein weißes Kleid

und Wind zieht eisig durch die Stadt.

Wer bleiben kann und will, der ruht,

wo Kälte kein Zuhause hat.

 

Im Schatten hält sich Müdigkeit versteckt,

nur trübe Augen schauen leer hervor,

von dumpfer Weingeistwärme zugedeckt

und stiller Atemnebel steigt empor.

 

Durch’s Grelle tanzt ein Flockendicht,

das wirbelnd aus der Schwärze fällt.

Wer kann, erträumt im Lärm der Nacht

für Stunden seine heile Welt.

Im Schatten hat sich Schwere ausgestreckt

und ein Gesicht schaut kaltgefärbt hervor,

von einem schneegewebten Tuch bedeckt -

ein feiner Atemnebel steigt empor.

 

Der Morgen graut den Horizont,

verloschen ist das Licht der Nacht

und schweigend trifft, was schlafen geht,

auf das, was mit dem Tag erwacht.

 

Im Schatten liegt ein Körper schneeversteckt

und ein Gesicht schaut leblos kalt hervor,

vom letzten Schlafe gnädig zugedeckt -

als warmer Atemhauch zu Eis gefror.

 

 

 

 

©Sigrun Al-Badri/ 2023



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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (07.12.23, 12:57)
Liebe Sigrun,
wie du bestimmt schon mitbekommen hast, bin ich von Haus aus keine Freundin (allzu vieler) schmückender Adjektive.
Ausnahmen bestätigen das Gegenteil: Genau wie in diesem wunderbaren Gedicht.
Alles passt und schmiegt sich in einen winterlichen, flockenweichen Singsang. Die geradezu expressionistische Wortwahl trägt zu meiner Rund-Um-Zufriedenheit bei - trotz oder gerade wegen des eher traurigen Inhalts.

Das Sterben in großer Kälte soll sich angeblich angenehm gestalten ...

Doch wer weiß das schon

 Saira meinte dazu am 07.12.23 um 18:12:
Liebe Heidrun,
 
dass mein Gedicht für dich eine Ausnahme bezüglich schmückender Adjektive bildet und zu einer Rund-Um-Zufriedenheit führt, ist für mich ein wunderschönes Lob!
 
Man hört und liest, der Erfrierende würde müde werden und langsam einschlafen. Zumindest das ist ein kleiner Trost beim Gedanken an die Obdachlosen, die die nächtliche Kälte nicht überleben.
 
Ich danke dir!
 
Herzlichst
Sigi

 GastIltis (07.12.23, 14:14)
Liebe Sigi, das Leid konnte ich nicht ertragen.
Deshalb ein anderer Versuch:

Die Schwere hat sich ausgestreckt

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich eins,
aus Schnee und Eis und Dunkelheit.
Und sagt verwegen: das ist meins,
ich liebe nichts als Einsamkeit.

Dann fällt er in den Winterschlaf,
der früh beginnt und erst im Lenz,
wenn Zeit und Haus wie immer brav
zerrinnen und ihn die Potenz

erinnert, dass nach Düsternis
und schwerer Hoffnungslosigkeit
da doch noch etwas andres is',
nämlich der Liebe schöne Zeit.

Vorbei ist nun die dunkle Qual,
in denen Wölfe um das Haus,
wenn auch im Traum, naja egal,
gestrichen, um zum Fraß hinaus

zur Mittagsmahlzeit ihn zu ziehn,
vorüber ist die tiefe Not,
mit seinem Vorsichselberfliehn
in der er dächte, er wär tot,

nein, nun wo alles grünt und blüht,
der Traumversunkene erwacht,
und weiß, wer sich um ihn bemüht,
er ist geweckt und nun gib acht!



Sei nun herzlich und mit höchster Anerkennung gegrüßt von Gil.

 Saira antwortete darauf am 07.12.23 um 18:26:
Lieber Gil,
 
immer wieder schaffst du es, mich mit deinen Kommentaren zu berühren und zu erstaunen. Dein Gedicht reflektiert die Einsamkeit eines Obdachlosen. Es scheint wie ein Traum zu sein, dass ein Mensch, der nichts als den Himmel über sich hat, in einen Winterschlaf fällt und solange schläft, bis er im Frühling erwacht und die Qual ein Ende nimmt.
 
Ich danke dir für ein Gedicht mit erträglichem Ende!
 
Herzlichst
Sigi

 EkkehartMittelberg (07.12.23, 17:02)
Hallo Sigi,
wenigstens in der Weihnachtszeit erinnern sich einige an die Obdachlosen.
Schade, dass ein so gutes Gedicht wie dieses nicht diesen Menschen Obdach gibt und sie wärmt.

Herzliche Grüße
Ekki

 Saira schrieb daraufhin am 07.12.23 um 18:29:
Wow, lieber Ekki, für deine Gedanken zu meinem Gedicht! Es wäre ein wunderschönes Wunder, könnte das geschehen!
 
Danke von <3 !
 
Liebe Grüße
Sigi

 Teo (07.12.23, 18:29)
Grüß dich Sigi,
ein Werk mit Reimen. Tadellose Rhythmik.
Müdigkeit versteckt...Schwere ausgestreckt...
Du beschreibst hier den Zustand und das Ende eines Menschen fast entschuldigend und scheu. Es ist bedrückend und geht nahe. Dir gelingt hier eine Situationbeschreibung, dessen Tragik man sich nicht entziehen kann.
Und...es ist die Realität.
Danke für dieses Gedicht.
Teo

 Saira äußerte darauf am 07.12.23 um 18:35:
Lieber Teo,

ich danke dir!

Du schenkst mir mit deinem Feedback ein Lächeln ...

Liebe Grüße
Sigi

 willemswelt (07.12.23, 22:14)
ein äußerst sensibles Gedicht,liebe Sigi,und mutig die Realität nicht übersehen-bin beeindruckt-einen lieben Gruß,Willem

 Saira ergänzte dazu am 08.12.23 um 17:01:
Lieber Willem,

deine Resonanz freut mich.

Ich danke dir!

Liebe Grüße
Sigi

 TassoTuwas (08.12.23, 09:21)
Liebe Sigi,
du nimmst den Leser an die Hand, zu einer Wanderung durch die Winternacht, die eindrückliche Bilder hinterlässt.
Es ist Zeit zu spenden und zwar das Wichtigste was wir haben, Wärme!
Liebe Grüße
TT

 Saira meinte dazu am 08.12.23 um 17:09:
Lieber Tasso,

dass ich dich mitnehmen konnte, freut mich ungemein.

Wärme zu spenden ist ein wunderbarer Gedanke.

Hab lieben Dank!

<3 lichst 
Sigi
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