Gott lügt

Essay zum Thema Lüge(n)

von  Graeculus

Es wird viel gelogen. Dennoch ist die Lüge unanständig und unehrenhaft, es sei denn, sie wird zum Schutz des Belogenen (der Arzt, der eine schlimme Diagnose verharmlost) oder zum Schutz eines Unschuldigen (vor einem Verfolger) eingesetzt. Allenfalls unter diesen Umständen ist sie moralisch vertretbar – und Kant akzeptiert sie selbst dann nicht (in seiner Schrift „Über ein vermeintliches Recht, aus Menschenliebe zu lügen“).

Die antiken Götter jedoch lügen. Mir kommen einige Fälle in den Sinn; vor allem für Hermes, den Gott der Diebe, gehört der Betrug sozusagen zum Beruf. Der beunruhigendste Fall aber steht im XXII. Gesang der Ilias: Achill und Hektor geraten in ihren finalen Zweikampf. Hektor ist, wie ich meine, eine unterschätzte Figur in der Ilias. Er ist nicht so spektakulär, nicht so vielschichtig als Charakter, wie es Achill, Odysseus oder der Telamonide Aias sind; vielmehr ist er geradlinig, zuverlässig, aufrichtig, pflichtbewußt - er ist durch und durch anständig, sozusagen der Kantianer unter den Helden des Trojanischen Krieges. Daß er mit seinem Anliegen dennoch scheitert, macht seine Tragik aus.

Auf den Zweikampf mit Achill, dessen Überlegenheit er kennt, läßt er sich deshalb ein, weil vermeintlich sein Freund Deïphobos ihm verheißt: Wirf du nur deinen Speer. Falls du verfehlst, halte ich weitere für dich bereit.

Und als nun Hektors erster Speer an Achills Schild abgeprallt ist, da ruft er den Deïphobos um Nachschub. Doch da ist kein Deïphobos mehr – Athene hatte dessen Gestalt angenommen und den Hektor mit Lug und Trug in die Falle gelockt. Hektor ist verloren.

Und diesen Betrug hat Athene begangen, die Göttin der Weisheit! Es ist empörend. Diese Welt ist keine moralische, und ihre Götter sind dementsprechend. Wirklich, beunruhigend ist das.


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Kommentare zu diesem Text


 Terminator (09.12.23, 00:12)
Diese Welt ist keine moralische
In eine solche kommen wir nach Kant erst, wenn wir uns ihrer würdig erweisen. Damit wir uns aber einer moralischen Welt würdig erweisen können, müssen wir (spekulativ, d. h. nicht mehr nach Kant) unseren Lebensweg in einer  kontingenten Welt beginnen.

 Graeculus meinte dazu am 09.12.23 um 23:08:
So ist es. Und sein postulierter Gott lügt auch nicht. Kant war einer der aufrichtigsten Menschen, die ich kenne, und wäre nie in der Lage gewesen, sich einen Lügner als Gott vorzustellen. Dafür durfte dann sein Gott auch keine Belohnung versprechen - denn das ist der Punkt, an dem die Götter am meisten lügen. Diene mir, dann beschütze ich dich. Ha!

 AngelWings antwortete darauf am 12.12.23 um 18:18:
Gott, lug nicht? Na ja! Wenn, man wusste wer Gott, ist! Könnte man herausstellen, ob er lügt oder Wahrheit sagte, dann muss erst mal begegnen. 

Menschen, Gesellschaft lern es ja nicht anderes! Wer belogen wird, würde auch von anderen nicht er warten das er die Wahrheit sagte.

 Graeculus schrieb daraufhin am 15.12.23 um 18:38:
Ich bin davon ausgegangen, daß wir "das Wort Gottes" in Form der Bibel oder des Koran haben. Zwar glaube ich nicht daran, aber daran kann man es messen.

 Regina (09.12.23, 00:18)
Damit diese Götter lügen können, müsen sie existieren. Wenn wir gar nicht an ihr Vorhandensein glauben, ist da keiner, der lügt.

 Graeculus äußerte darauf am 09.12.23 um 00:22:
Ist es nicht bemerkenswert, daß wir Menschen so tief in diese Welt verstrickt sind, daß es uns nicht einmal gelingt, uns anständige Götter vorzustellen? Und ohne Götter wird die Welt ja nicht besser.

 Regina ergänzte dazu am 09.12.23 um 00:25:
Naja, der biblische Gott, Jesus, Moses, Allah, von denen wird ja nicht gesagt, dass sie lügen. Und bei Moses steht sogar die Forderung, dass der Mensch nicht lügen soll.

 Graeculus meinte dazu am 09.12.23 um 01:03:
Kein Gott und auch sonst kein Lügner sagt von sich das er lügt, das wäre kontraproduktiv. Man muß schauen, was sie tun.
(Moses und Jesus sind keine Götter; bleiben wir einmal bei Jahwe:)
Abgesehen davon, daß er sich im 1. Gebot als eifersüchtigen Gott bezeichnet (ist das anständig?), verheißt er seinem geliebten Volk, den Juden, Schutz. Und nun schau einmal, wie er die Juden in ihrer Geschichte geschützt hat. Es ist ja kein Volk mehr verfolgt worden als das jüdische.
Taina (39) meinte dazu am 09.12.23 um 01:46:
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 Graeculus meinte dazu am 09.12.23 um 23:19:
Mir ist halt aufgefallen, daß der jüdische Gott als Nationalgott verheißt, seine schützende Hand über sein Volk zu halten - wie er es exemplarisch beim Exodus aus Ägypten getan hat. Dann aber ist, beginnend mit den Assyrern, die Geschichte des jüdischen Volkes beinahe eine einzige Geschichte von Verfolgungen. Wenn mich meine Versicherung dermaßen schützen würde, würde ich sie wechseln.

Die Völker, die ausgerottet wurden, die gibt es natürlich auch noch. Erging es denen noch schlechter als den Juden? Das kann man vielleicht so sagen - aber ich bin mir sicher, daß auch sie ihre Götter hatten, denen sie dienten, um geschützt zu werden.

Diesen Gedanken des Verrats Gottes an seinem Volk bzw. seinen Völkern hat Randy Newman sehr schön in seinem Lied "God's Song" ausgedrückt, das ich gerne zitiere:

Cain slew Abel, Seth  knew not why
For if the children of Israel were (supposed) to multiply
Why must any of the children die?
So he asked the Lord
And the Lord said:

Man means nothing, he means less to me
Than the lowliest cactus flower
Or the humblest Yucca tree
He chases round his desert
Cause he thinks that’s where I’ll be
That’s why I love mankind

I recoil in horror from the foulness of thee
From the squalor, and the filth, and the misery
How we laugh up here in heaven
At the prayers you offer me
That’s why I love mankind

The Christians and the Jews
Were having a jamboree
The Buddhists and the Hindus
Joined on satellite TV
They picked their four greatest priests
And they began to speak
They said „Lord a plague is on the world
Lord no man is free
The temples that we built to you
Have tumbled into the sea
Lord, if you won’t take care of us
Won’t you please please let us be?“
And the Lord said
And the Lord said

I burn down your cities
How blind you must be
I take from you your children
And you say ‘How blessed are we’
You all must be crazy
To put your faith in me
That’s why I love mankind
You really need me
That’s why I love mankind

(von der LP "Sail Away" aus dem Jahre 1972)
Taina (39) meinte dazu am 10.12.23 um 06:02:
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 Graeculus meinte dazu am 11.12.23 um 22:59:
Schöne Geschichte. Danke für den Hinweis. Der Glaube ist unerschütterlich.

 Augustus (09.12.23, 10:05)
Athene kämpft im trojanischen Krieg auf der Seite der Spartaner. Die Trojaner habe gleichfalls Götter, die ihnen helfen, zb. Aphrodite. 
So sei zunächst festgestellt, dass Athene pro Sparta ist. 

Die Verwandlung Athenas in Hektors Freund, ist viel mehr als „List“ des Feindes zu verstehen, und weniger als „Betrug“ aus den eigenen Reihen, sprich Verrat. 

Daher sind die Begriffe: List, Betrug, Verrat hier sehr fein zu unterscheiden. 

Während Betrug und Verrat ausschließlich aus eigenen Reihen begangen werden kann, zb Judas an Jesus, ist dagegen die Voraussetzung für die List, dass jemand nicht aus eigenen Reihen kommt, sondern von aussen, zb. Napoleon überlistet die die Alliierten, oder Athene überlistet Hektor. 

Da die „Kriegslist“ in der Antike als Auszeichnung eines kompetente feldherren angesehen wurde, ist es sehr wohl verständlich, dass Athene, die zugleich die weisheitsgötting als auch göttin des Kampfes, eine solche „Kriegslist“ zugesprochen wird. 

Als Odysseus die „Kriegslist“ anwendet, ein Pferd aus den Schiffsplanken (Trojansiches Pferd) zu bauen, darin sich die Spartaner verstecken können, werden die Trojaner ebenso „überlistet.“ wonach kein Spielraum mehr für Verrat oder Betrug zur Auslegung bleibt.

Kommentar geändert am 09.12.2023 um 10:07 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 09.12.23 um 23:28:
Athene kämpft im trojanischen Krieg auf der Seite der Spartaner.

Naja, der Griechen - die Spartaner gab es im eigentlichen Sinne noch nicht. Man ordnet die Ereignisse ja eher der mykenischen Zeit zu. Aber klar, Athene war parteiisch, und auch die Trojaner hatten "ihre" Götter.

Verrat war das daher nicht, was Athene getan hat, Betrug aber sehr wohl, denn sie hatte Hektor etwas betrügerisch versprochen. Außerdem war es ja nicht so, daß die Trojaner Athene nicht als Göttin verehrt hätten. Aber das Urteil des Paris ergab nun einmal, daß Hera und Athene dem Paris und daher den Trojanern spinnefeind waren. (Aphrodite hingegen als Siegerin im Schönheitswettbewerb war den Trojanern gewogen. Im Krieg zählte das freilich nicht viel. Eher: Apollon, der an der Tötung Achills beteiligt war.)

Ist es eine Kriegslist? Ja, aber die einer Göttin, die sich hier verhält wie ein menschlicher Geheimagent.

Der Erbauer des Trojanischen Pferdes war übrigens nicht Odysseus, sondern ein gewisser Epeios. Das steht schon so in der "Odyssee" Homers. Nach den meisten antiken Quellen war Epeios auch der Erfinder, d.h. derjenige, der - wiederum inspiriert von Athene - auf die Idee gekommen ist.

 LotharAtzert (09.12.23, 10:36)
Verfehlungen und drauf folgende Reue sind wichtig, um daran und durch sie zu wachsen, also eigentlich erst Mensch zu werden. Für mein Geschmack ist damit alles gesagt. Wer war der Philosoph des Werdens doch gleich wieder?

Nicht alle griechischen Götter lügen übrigens, deshalb ist "Gott lügt" reißerisch.
Nereus, der sich in alle möglichen Gestalten verwandeln kann, dieser Alte des Meeres, mit seinen 49 Töchter, so heißt es, sagt immer die Wahrheit ... so man seiner denn einmal habhaft wird.

Hektor und Kant ... furchtbar.

 Graeculus meinte dazu am 09.12.23 um 23:37:
Den Hektor magst Du nicht? Er war mir immer der Liebste unter all diesen Helden. Er sorgte sich um seine Familie und kämpfte für seine Heimat. Und wie immer er an seinen Erfahrungen gewachsen sein mag - am Ende war er tot, und Achill schändete auch noch seinen Leichnam. Dabei war es nicht Hektor, der seinen geliebten Patroklos getötet hatte.
All dies hat mit einer persönlichen Schuld Hektors gar nichts zu tun.

Natürlich kann ich das in diesem Rahmen hier nicht beweisen, aber ich bin davon überzeugt, daß alle Götter lügen oder andere massive menschliche Schwächen an den Tag legen. Zum Beispiel Jahwe habe ich das weiter oben erläutert.

Zum speziellen Bereich der sexuellen Perversionen bei den antiken Göttern habe ich mal eine Untersuchung gelesen: Da gab es alles, vom Inzest über die Vergewaltigung bis zur Kastrierung des Vaters.

Ich gebe aber zu, daß ich die im Titel enthaltene steile These im Rahmen dieses kurzen Textes nicht einlösen kann. Aber Leser können ja selbst einmal darüber nachdenken.

Ist übrigens das Orakel in Delphi aufrichtig, wenn es Sprüche verkündet, die von den Adressaten absehbar fehlgedeutet werden?

Wie kommst Du auf Nereus?

 Graeculus meinte dazu am 10.12.23 um 00:04:
Ein Gott, zu dem mir trotz längeren Überlegens keine Lüge eingefallen ist, ist Dionysos. Vielleicht ist er mir gerade deshalb so sympathisch. Vielleicht habe ich aber nur eine Szene übersehen.

Wie steht es in dieser Hinsicht mit den Göttern der Inder?

Vom Buddha wird selbstverständlich keine Lüge überliefert, aber der ist ja auch kein Gott. Doch wie es heißt, hat er vor seinem Tode eine Portion Schweinefleisch gegessen - was, wie ich meine, einen tiefen Sinn hat.
Taina (39) meinte dazu am 10.12.23 um 06:34:
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 LotharAtzert meinte dazu am 10.12.23 um 10:25:
Wie steht es mit den Göttern der Inder
Da bin ich nicht kompetent genug. Deshalb möchte ich noch einmal den Mars vorstellen, (der Ares ist in der Sterndeutung ja nicht gebräuchlich) wie er in der Münchner Rhythmenlehre gelehrt wird:
Wenn vom Kriegsgott gesprochen wird, so ist es die Folge des bereits Verdorbenen. Mars ist die reine Enegie des Austriebs, deshalb ursprünglich die Kraft des Frühlings. Seine archaische Kraft besteht darin, das, was den Winter im geschützten Raum (Samen=Uranus) überlebt hat, auszutreiben. Da ist eine Rücksichtslosigkeit, wie sie uns Menschen erscheint, sogar Voraussetzung und man kann es ihm nicht anlasten, wenn er auch härtere Schalen aufsprengt, das ist sein Job. Und es heißt, daß wo er verdrängt wird, er nur umso rücksichtsloser wird. Selbstverständlich hat er kein Gewissen und das ist eventuell der Fehler, den du in deiner Betrachtung machst: du legst menschliche Werte in das Wirken der Kräfte. Mars treibt das Leben aus, das ist eigentlich alles. Und da der erhaltende Teil der Natur zwischen den Beinen hängt, ist er da am aktivsten.
 
Es wird von uns mit Nachdruck betont, daß wo nix verdrängt wird, (folglich alles ausgetrieben ist) der Mars ein friedlicher ist. Botticelli hat es gemalt, du wirst es kennen, wie er seinen Kopf in den Schoß der herbstlichenVenus legt, während die kleinen Beflügelten mit seinen Waffen spielen. Aber vom Prinzip her ist er in der Welt nie friedlich. Nach seinem Zeichen Widder kommt ja im Jahreszyklus der Stier, das ist der Moment, wo alles Ausgetriebene zu ersticken droht, da nur begrenzter Raum fürs Wachstum zur verfügung steht und die Ausgetriebenen sich abzugrenzen beginnen. Es ist also logisch, daß im Zeichen Stier alle die Begrenzer geboren sind, die entweder Grenzen sichern, oder übergriffig gegen die Nachbarn erweitern.
Wie sich Menschen diese Götter denken, hat nichts mehr mit den archaischen Kräften zu tun, die sie quasi „verkörpern“, sondern ist schlichtweg reine Fantasie, bzw. aus ihrer groben Vorstellungswelt und die ist stets plutonisch. Infolge dieser Wirkweise gehören Mars-Pluto Konstellationen zu den härtesten im Tierkreis. Ich schrieb mal über den Aspekt im Zusammenhang mit Kaiserin Sissi, die Mars-Pluto hatte und hinterrücks erdolcht wurde, bzw. später daran verstarb.
Mars ist Austrieb des Lebens, Pluto – im Verdrängungszustand – Zwangsvorstellung. Unverdrängt ist Pluto die Prüfungsinstanz, dem alles Ungelebte als „Rohstoff“ zufällt, darum auch Reichtumsgott.
Ja, das wirst du alles kurzerhand wegwischen, das ist mir schon klar, aber es ist nichts Verkehrtes an meiner Darstellung und ich mache es, weil ichs kann.


Wie ich auf Nereus komme: Ich glaube, es war Menelaos, der ihn fing und dazu zwang, den Verbleib von Helena preiszugeben, bin da aber nicht so firm, wie du, also ich weiß es nicht mehr so genau.

 Graeculus meinte dazu am 11.12.23 um 23:03:
An Taina:

Nein, das verstehe ich anders: Der Buddha im Moment seiner Vollendung ist vollkommen frei, und das schließt ein, daß er auch nicht mehr an Ge- und Verbote gebunden ist. Es gibt dazu in der buddhistischen Literatur Parallelstellen. Er unterliegt auch nicht mehr der Norm, ein Heiliger sein zu müssen. (Das ist sehr spezifisch buddhistisch.)

 Graeculus meinte dazu am 11.12.23 um 23:09:
An Lothar:
1. "Der" Hinduismus ist schwer zugänglich. Ich meine, sogar der Begriff ist europäisch, ist von außen übergestülpt.
2. Ja, diese Geschichte von Menelaos und Nereus gibt es; da Nereus sich weigert, eine wahrheitsgemäße Auskunft zu geben, hatte ich ihn nicht als Aufrichtigen auf dem Schirm. Der Gestaltwechsel zeigt ja an: er ist nicht zu fassen, nicht festzulegen.
3. Daß die Götter bzw. die göttlichen Kräfte über menschlichen Normen (wie Wahrhaftigkeit) stehen, kann man so sehen. Für mich mindert das allerdings die Verehrungswürdigkeit, womit Du anscheinend keine Probleme hast.
Taina (39) meinte dazu am 12.12.23 um 06:07:
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 LotharAtzert meinte dazu am 12.12.23 um 09:49:
Ganz so schwer zugänglich ist der aus den kaukasischen Region der Arier stammende Hinduismus nun auch wieder nicht. Er hat eine Trinität, wie die meisten Religionen und statt Gottvater, heiliger Geist und Sohn (das war die ursprüngliche und logische Reihenfolge, welche der machtgierige Klerus geschickt änderte) halt den Brahma, den Vishnu und den Shiva. Einziger Unterschied: sie haben alle ihre Shakti, ihre weibliche Kraft: Sarasvathi (Göttin der Weisheit), Lakshmi und Parvathi - und das macht sie mir eher sympathisch.

Daß ihr euch so für die erbettelten Mahlzeiten Buddhas interessiert ...

 Graeculus meinte dazu am 12.12.23 um 17:42:
Das mit dem Schweinefleisch ist wichtig. Selbst wenn die Mahlzeit erbettelt war - Mönche dürfen keine Fleischspende annehmen. Aber im letzten Schritt übersteigen sie die Ge- und Verbote.
Ich habe schon einmal die Geschichte von Won Hyo zitiert. Ganz zuletzt geht er ins Bordell, trinkt Alkohol und ißt Fleisch. Dann erst ist er ein Buddha.

Deine Charakterisierung des Hinduismus in Ehren, aber ich wäre glücklicher, wenn ich das einhellig von 5 bis 10 qualifizierten Hindus läse. Mahatma Gandhi soll einmal gesagt haben: "Das einzige, was alle Hindus verbindet, ist der Glaube an die Heiligkeit der Kuh."

 Graeculus meinte dazu am 12.12.23 um 17:59:
Man darf nicht vergessen, daß es bei polytheistischen Religionen keine dogmatische Festlegung auf bestimmte Glaubenssätze und vor allem keine Instutition (wie den Papst für die Katholiken) gibt, die über solche verbindlich entscheiden kann.

Bei der griechischen Religion fällt mir immer wieder auf, an was da alles von verschiedenen Gläubigen geglaubt wird. Es ist mir fast eine Freude, all diese Widersprüche zu lesen, ohne daß die Menschen sich damals daran störten.
Lange dachte ich: einen Teufel haben sie eigentlich nicht. Kürzlich habe ich ihn entdeckt: Typhon oder Typhoeus.

 LotharAtzert meinte dazu am 12.12.23 um 23:01:
aber ich wäre glücklicher, wenn ich das einhellig von 5 bis 10 qualifizierten Hindus läse
Leider schon wieder der falsche Weg. In dir, oder nirgendwo ist das, was du suchst.

 Graeculus meinte dazu am 12.12.23 um 23:09:
Wenn ich wissen möchte, an was Inder glauben, dann kann ich das doch nicht in mir finden. Ich bin kein Inder.

 Graeculus meinte dazu am 12.12.23 um 23:37:
Es ist nicht bös gemeint, aber was ich zum Leben brauche, da muß ich mich befragen; was aber "die" Inder glauben, da muß ich zuhören.

 LotharAtzert meinte dazu am 13.12.23 um 09:46:
... aber was ich zum Leben brauche, da muß ich mich befragen; was aber "die" Inder glauben, da muß ich zuhören.
Das ist richtig, aber nicht wahr. "Die" Inder glauben an alles mögliche, vor allem an KI und die nächste Computergeneration. Ich dachte, wir redeten von Gott und im erweiterten Sinn vom Dharma. Letzterer gehört nicht zu einem speziellen Volk und auch nicht zu den Schriftgelehrten.

 Graeculus meinte dazu am 13.12.23 um 18:17:
Dann ist es keine spezielle Aussage mehr über die indische Religion, also etwa diese von Dir:

Er hat eine Trinität, wie die meisten Religionen und statt Gottvater, heiliger Geist und Sohn (das war die ursprüngliche und logische Reihenfolge, welche der machtgierige Klerus geschickt änderte) halt den Brahma, den Vishnu und den Shiva. Einziger Unterschied: sie haben alle ihre Shakti, ihre weibliche Kraft: Sarasvathi (Göttin der Weisheit), Lakshmi und Parvathi [...].

Würde dem jeder gläubige Hindu zustimmen?

 Graeculus meinte dazu am 13.12.23 um 18:20:
Du kannst natürlich sagen: Was kümmert mich der Straßenkehrer von Neu Delhi, was der Premier Modi? Ich weiß es besser.
Aber das ist mir nicht angenehm.

 EkkehartMittelberg (09.12.23, 11:58)
Hallo Graeculus,
ich empfehle deine Texte meistens, weil ich fast immer etwas erfahre, was ich nicht wusste oder was ich mir nicht hinreichend klar gemacht hatte.
Ich bin schon immer davon ausgegangen, dass die griechischen und römischen Götter lügen oder pauschaliere ich zu sehr, wenn ich sage: Sie gleichen mit ihren Emotionen, Tugenden und Fehlern den Menschen, haben jedoch viel mehr Macht.
Müsste die Überschrift nicht lauten: "Die Götter lügen", weil du dafür Belege bringst, nicht dafür, dass Gott lügt?

 Quoth meinte dazu am 09.12.23 um 16:42:
Ja, irreführender Titel. Aber vielleicht ist Graeculus der Auffassung: Weil die Götter Griechenlands logen, lügt auch (der eine) Gott der Monotheismen - was jene konnten, kann auch dieser ...

 Graeculus meinte dazu am 09.12.23 um 23:44:
Für die Überschrift habe ich eine ganze Menge Titel in Betracht gezogen:
- Ein Gott lügt
- Eine Göttin lügt
- Lügen Götter?
- Lügen alle Götter?
- Darf ein Gott lügen?

Letztlich habe ich mich halt für diesen entschieden, denn ich bin der Meinung, daß jeder Gott lügt: er verheißt etwas, das er nicht einhält. Im Rahmen dieses kurzen Textes kann man derlei nicht beweisen, nur zum Nachdenken anregen.
Und nein, Quoth, nicht weil die Götter Griechenlands lügen, lügt auch der Gott Abrahams und Isaaks. Er lügt aus eigenem Anliegen: Er bietet seinem Volk einen Vertrag an - Dienst gegen Schutz. Und was hat das Volk der Juden von diesem Schutz gehabt seitdem? Die Frage "Wo war Gott in Auschwitz?" ist ja schon oft gestellt worden.

Dennoch wäre vielleicht ein anderer Titel besser gewesen; das muß ich noch überlegen.

 Dieter Wal (09.12.23, 16:40)
Hier stellte Homer Athenä auch als wandlungsfähige  Trickstergöttin dar. Ich mag solche Gottheiten. Meine Lieblinge: Loki,  Samael (Engel), Seth und Abraxas. Im Christentum entwickelte sich mit den Urchristen bereits ein Dualismus, der Figuren wie Satan im dualistischen Sinn als absolutes Böses von ihrer Gottesvorstellung abspaltete wohl in Abgrenzung zu Gnostizismus. Jesus selbst scheint eher das Böse noch im jüdischen Sinn wie später Samael als integrativ angesehen zu haben, indem er zB meinte: "Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben." Intelligenz wird also bei ihm dem Bösen zugeordnet und eindeutig bejaht. Lügen abgelehnt.
Taina (39) meinte dazu am 09.12.23 um 16:51:
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Agnete (66) meinte dazu am 09.12.23 um 21:42:
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Agnete (66) meinte dazu am 09.12.23 um 21:46:
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 Graeculus meinte dazu am 09.12.23 um 23:54:
Zum jüdischen Gott habe ich schon oben viel geschrieben.
Zu Jesus: Ich bin froh, daß DieterWal nicht Jesus als (aufrichtigen) Gott eingeführt hat - aber dafür weiß er zuviel davon. Jesus war Mensch und Jude, da wäre eine Vergöttlichung Jesu ein ganz übles Sakrileg gewesen.

Mich hat immer die Szene beeindruckt, in der Jesus am Kreuz ausruft: "Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?"
Da ist der leidende Mensch von seinem Gott, der seinen Dienern Schutz verheißen hat, im Stich gelassen worden.

Die Schlange im Paradies - hat sie gelogen? Egal, sie ist nicht Gott. Aber Gott hat die Menschen im Paradies arglistig hereingelegt. "Von allen Bäumen dürft ihr essen, aber von diesem einen nicht!" Jedes Kind weiß, was daraufhin geschieht. Ohne dieses Verbot wäre ihnen dieser eine Baum gar nicht aufgefallen - so aber wird eine Situation der Versuchung kreiert.

Und ja, Agnete, die Götter sind wie Menschen - sei es, daß sie uns nach ihrem Bilde geschaffen haben, oder wir sie nach unserem.
Es gelingt uns nicht, uns einen durch und durch guten Gott vorzustellen.

 Dieter Wal meinte dazu am 10.12.23 um 01:05:
Mich hat immer die Szene beeindruckt, in der Jesus am Kreuz ausruft: "Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?"

Da ist der leidende Mensch von seinem Gott, der seinen Dienern Schutz verheißen hat, im Stich gelassen worden.
@Graeculus:



Dich will ich preisen in der großen Gemeinde,

ich will mein Gelübde erfüllen vor denen, die ihn fürchten.
27Die Elenden sollen essen, dass sie satt werden; / und die nach dem Herrn fragen, werden ihn preisen;
euer Herz soll ewiglich leben.
28Es werden gedenken und sich zum Herrn bekehren aller Welt Enden
und vor ihm anbeten alle Geschlechter der Völker.
29Denn des Herrn ist das Reich,
und er herrscht unter den Völkern.
30Ihn allein werden anbeten
alle Großen auf Erden;
vor ihm werden die Knie beugen alle, /
die zum Staube hinabfuhren
und ihr Leben nicht konnten erhalten.
31Er wird Nachkommen haben, die ihm dienen;
vom Herrn wird man verkündigen Kind und Kindeskind.
32Sie werden kommen und seine Gerechtigkeit predigen
dem Volk, das geboren wird. Denn er hat’s getan.
 Ps 22,26-32 Lu 2017
Taina (39) meinte dazu am 10.12.23 um 06:11:
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 Dieter Wal meinte dazu am 10.12.23 um 13:16:
Es gelingt uns nicht, uns einen durch und durch guten Gott vorzustellen.
Jesus scheint einer Vorstellung des verborgenen, leidenden Messias gefolgt zu sein und starb daher folgerichtig am Kreuz. Wie er dieses Selbstopfer mit der Vorstellung eines durch und durch guten Gottes in Übereinstimmung brachte, weiß ich nicht. Gérard de Neval in seinem genialen Sonettzyklus "Christus am Ölberg" über dieses Thema weicht der Antwort aus und bleibt bei Fragen. Doch er scheint bei aller Begeisterung für Religionswissenschaft, lange bevor es sie gab, ein besonders tiefes Verständnis für dieses Mysterium entwickelt zu haben. Seine Metaphern mit altgriechischen Mysterien haben synkretistischen Bestand. Vermutlich liegt der Fehler in unseren Vorurteilen, weil viele meinen, Christentum bestände in der Vorstellung eines lieben Gottes. Das ist viel zu platt, wenn auch gut gemeint.

Antwort geändert am 10.12.2023 um 16:09 Uhr

 Dieter Wal meinte dazu am 10.12.23 um 19:05:
Aber Gott hat die Menschen im Paradies arglistig hereingelegt. "Von allen Bäumen dürft ihr essen, aber von diesem einen nicht!" Jedes Kind weiß, was daraufhin geschieht. Ohne dieses Verbot wäre ihnen dieser eine Baum gar nicht aufgefallen - so aber wird eine Situation der Versuchung kreiert.
@Graeculus:


Ich weiß nicht, ob man mit Wörtlichnehmen solcher Geschichten immer gut fährt. Die Erzählung wurde mutmaßlich unter König Josias gestaltet, um damit die Sabbatheiligung zu begründen. Die Erzählung vom Garten Eden folgt darauf. Es scheint sich um eine Erzählung zu handeln, die mythologisch begründen will, weshalb die Welt von Krankheit, Tod, Vergänglichkeit, Ungerechtigkeit, Leid und Mühe gekennzeichnet ist. Wie sehr ihre Vorstellungen Menschen mit jüdischem und christlichem Hintergrund prägen, bin ich immer wieder verblüfft. Das Detail mit den beiden verschiedenen Bäumen mag ich. Dass es besonders plausibel sei, liest man die Bibel wörtlich, ist, wäre Unsinn. Es ist ein Konstrukt, um etwas als Erzähler zu beweisen, zu begründen, wo anders als durch Poesie offenbar in dieser Zeit nicht argumentiert wurde. Ein Gott, der solche an sich unsinnigen Gebote aufstellt, wäre in der Tat ein fieser Möps. Aber es wird halt so erzählt. Ich kann das nur als gegeben hinnehmen. Ist die Erzählung als Erklärung für das Leid der Welt und die erheblichen Nachteile besonders plausibel? Nein. Ist sie poetisch? Unbedingt.

Antwort geändert am 10.12.2023 um 19:07 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 11.12.23 um 23:14:
Nun, poetisch kann man das nennen. Aber das gilt freilich auch für die "Ilias". Die Probleme beginnen dann mit dem Nachdenken darüber: Ist dies ein in sich stimmiges religiöses Bild?

Im NT denke ich immer an die Stelle "Bittet und ihr werdet erlangen. Klopfet an und euch wird aufgetan." Mir erscheint das als Lüge, als eine Verheißung, die nicht eingehalten wird. Sie muß natürlich sein, denn andernfalls - also ohne Verheißung - wäre Religion nicht attraktiv.

 Dieter Wal meinte dazu am 11.12.23 um 23:25:
Im NT denke ich immer an die Stelle "Bittet und ihr werdet erlangen. Klopfet an und euch wird aufgetan." Mir erscheint das als Lüge, als eine Verheißung, die nicht eingehalten wird.
Das ist doch fast wie "Auf Regen folgt Sonnenschein!" Wer einen Wunsch spürt und artikuliert, dessen Wunsch wird mit wesentlich größerer Wahrscheinlichkeit erfüllt, als wenn er ihn schweigend mit sich ausbrütet und sich niemandem mitteilt. Oder "Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden." Das ist eine Positivwendung für Leidende, weil der Sprecher Trost und ein Ende des Leidens in Aussicht stellt. Ist keine eiserne Regel, doch eine Binsenweisheit, die oft zutrifft. Ähnlich einem Glückskeksspruch. Für mich sind Illias und Odyssee mindestens so heilige Bücher wie die Bibel. Das ist 1001 Nacht für Griechen. So etwas Wundervolles hat es weder vorher noch nachher wieder gegeben.

Antwort geändert am 11.12.2023 um 23:50 Uhr
Taina (39) meinte dazu am 12.12.23 um 06:11:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Graeculus meinte dazu am 12.12.23 um 17:27:
Es handelt sich also nicht um ein Versprechen, sondern soll einen psychisch stärken. Das funktioniert dann allerdings nur, bis man mit seinem Projekt scheitert. Das heißt, bei mir funktioniert Mantras eigentlich überhaupt nicht, sondern lösen nur ein "Einspruch, Euer Ehren!" aus.

 Graeculus meinte dazu am 12.12.23 um 17:33:
Es gibt noch ein anderes beeindruckendes Lied von Randy Newman, in dem er die Verheißung von "Gottes Liebe" hart auf die Realität prallen läßt: "He Gives Us All His Love:

He gives us all his love
He gives us all his love
He’s smiling down on us
From up above
And gives us all his love

He knows how hard we try
He hears the babies cry
He sees the old folks die
And gives us all his love

If you need someone to talk to
You can always talk to him
And if you need someone to lean on
You can lean on him

He gives us all his love
He gives us all his love
He’s smiling down on us
From up above
And gives us all his love
He’s smiling down on us
From up above
And gives us all his love

Es soll Gäubige geben, die bei diesem Lied dahinschmelzen und gar nicht merken, was da eigentlich gesagt wird. Du steckst hüftief in der großen Scheiße, und Gott lächelt mit all seiner Liebe von oben, weit entfernt, auf dich herab.
Taina (39) meinte dazu am 12.12.23 um 17:46:
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Taina (39) meinte dazu am 12.12.23 um 17:46:
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 Graeculus meinte dazu am 12.12.23 um 18:05:
Jesus ist nicht Gott! Er war Jude, und sich selbst als Gott oder auch nur als spezieller Sohn (nicht bloß Anhänger) Gottes anzusehen, hätte ihn sofort wegen eines schweren Sakrilegs aus der jüdischen Gemeinschaft ausgeschlossen.
Was er (vermutlich) für sich beansprucht hat: der Messias zu sein. Schon dafür ist er auf jüdisches Betreiben gekreuzigt worden.

 AngelWings meinte dazu am 12.12.23 um 18:31:
Dieter Wal Lucifer! War ein Engel! Nicht alle Engel waren! Der Gefährt des Teufels! Die herab stiegen. 

Ich habe weiter Götter der Schule! Da komm Lucifer vor!
Taina (39) meinte dazu am 12.12.23 um 21:00:
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 Graeculus meinte dazu am 13.12.23 um 18:09:
Nein, es ist kein Vorurteil, denn der Glaube, daß Gott nah ist, muß sich ja mit der Realität konfrontieren lassen. Was bedeutet die Nähe und Hilfe Gottes, wenn man in Treblinka auf die Vergasung wartet? Oder wenn man als gläubiger Christ in die unerbittliche Mühle der Hexenverfolgung geraten ist?
Taina (39) meinte dazu am 14.12.23 um 09:09:
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 Graeculus meinte dazu am 14.12.23 um 16:47:
Gewiß sind Empfindungen real - aber das gilt nicht gleichermaßen für das Empfundene. Manche halten sich auf einem LSD-Trip für Vögel und glauben, sie könnten fliegen. Die Empfindung, daß Gott mir nahe ist, schließt nicht aus, daß ich mir das einbilde.
Taina (39) meinte dazu am 14.12.23 um 17:04:
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 Graeculus meinte dazu am 14.12.23 um 23:47:
Nicht dadurch, nicht als Umkehrschluß wird die Annahme zwingend, sondern durch die Erfahrung, daß uns kein höheres Wesen beisteht, wenn wir in Not sind. Wo war Gott in Treblinka?

 Mondscheinsonate (09.12.23, 22:08)
Nun, nachdem der Mensch oft genug am Tag lügt, wissenschaftlich erwiesen, ist es doch normal. Gut geschriebener Text, äußerst interessiert gelesen.

 Graeculus meinte dazu am 09.12.23 um 23:59:
Diese wissenschaftliche Untersuchung(en) kenne ich. Ich glaube, es sind 80 oder 100 Lügen pro Tag. Als ich das gehört habe, konnte ich es nicht glauben ... und kann es immer noch nicht. Jeder Mensch lügt mal, ja, aber dermaßen häufig? Überlege mal: Wie soll man denn dann seinen Mitmenschen begegnen? Ich bin eh schon mißtrauisch, und für mich wäre das eine Katastrophe, jedem immer zu mißtrauen. Das wäre kein lebenswertes Leben mehr.

Jedenfalls - darin sind wir uns wohl einig - sind die Götter nicht besser als wir.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 10.12.23 um 00:23:
Servus, Frau Nachbarin, Sie sind heute aber elegant! (Sie sieht aus wie ein Häuslbesen!) oder Wie geht es dir?-Gut.(Lüge)

 Graeculus meinte dazu am 10.12.23 um 00:40:
Sagst Du selbst sowas? - Glaube ich nicht.
Möchtest Du unter lauter solchen Leuten leben? - Glaube ich auch nicht.
Nicht auszuhalten wäre das.
Wenn mich jemand fragt, wie es mir geht, bekommt er eine Antwort. Aber nicht eine solche!

Auch 'gut': "Sie waren bestimmt einmal eine sehr schöne Frau!"

 Mondscheinsonate meinte dazu am 10.12.23 um 00:58:
Ist sicher schon passiert, Lüge aus Höflichkeit.

 Graeculus meinte dazu am 11.12.23 um 23:15:
Ist bei mir nicht nötig. Befremdet mich eher. Lieber eine harte Wahrheit.
Taina (39) meinte dazu am 12.12.23 um 06:18:
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 Graeculus meinte dazu am 12.12.23 um 17:19:
Vertrauen ist ein Luxus, den man sich leisten MUSS. Auf die Gefahr hin, verraten zu werden. Solange wie irgend möglich vertrauen.

So ist es. Um der Erträglichkeit unseres Lebens willen.
Mit dem Zusatz: In bestimmten Zusammenhängen ist Mißtrauen - leider - die erste Wahl, z.B. wenn "mein Sohn" mich anruft und berichtet, er habe einen Menschen totgefahren und brauche jetzt dringend Geld für eine Kaution. Es gibt noch ein paar andere Situationen, und ich bin nicht imstande, eine abstrakte Regel zu formulieren. Das mache ich instinktiv.
Taina (39) meinte dazu am 12.12.23 um 17:43:
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 Graeculus meinte dazu am 13.12.23 um 18:07:
Dann sind wir uns einig. Es bleibt ein "Spiel" mit Risiken. Aber offenbar müssen wir sie eingehen, um erträglich leben zu können.

 Pensionstarifklempner (09.12.23, 23:18)
Brauchten die alten Griechen die Lüge , um die richtige Katharsis zu erzeugen? Die Wahrheit entsteht durch Reinigung mit Furcht und Mitleid. 
Frohe Weihnachten

 Graeculus meinte dazu am 10.12.23 um 00:02:
Sie brauchten das Drama für ihre Katharsis; aber nicht jedes Drama basiert auf einer Lüge. Es gibt ja noch mehr schlimme Eigenschaften. Übrigens auch bei Göttern.
Manchmal - wie etwa im Falle des Ödipus - genügt die Unwissenheit.

 filosofa meinte dazu am 10.12.23 um 07:34:
Hegel wusste schon, warum er den Monotheismus noch ueber dem griechischen Goetterhimmel ansiedelte in seiner Religionsphilosophie.

Antwort geändert am 10.12.2023 um 07:36 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 11.12.23 um 23:16:
Hegels absoluter Geist muß das Negative - und dazu gehört die Lüge - in sich haben, sonst wäre er nicht absolut.

Zum Monotheismus: s.o.

 Beislschmidt (10.12.23, 14:11)
Die Welt, ohne dieses religiöse Getue, wäre besser und und es hätte deutlich weniger Kriege gegeben. 

Die einfachen Gemüter brauchen ihr Seelenheil, die Kriegsherren taufen Kanonen und die Philologenverbände brauchen Debattenkultur.

 LotharAtzert meinte dazu am 10.12.23 um 14:35:
Du einfacher Naturbursche, wie du dich auf deiner Mühle in die Kurven legst - komm, hör auf!

 Beislschmidt meinte dazu am 10.12.23 um 14:43:
Ich war mit der Mühle in Poona und die Orangenen haben mich zu linksdrehendem Joghurt eingeladen.  Und du so?

 Graeculus meinte dazu am 11.12.23 um 23:18:
Ob die Welt ohne Religion besser dran wäre? Möglich. Aber weniger gelogen würde wohl nicht - das nehme ich jedenfalls nicht an.

Du warst in Poona, Beislschmidt?

 Beislschmidt meinte dazu am 11.12.23 um 23:26:
Du warst in Poona, Beislschmidt?
,"Gott" bewahre, nein. War nur ne Vorlage für Lothar.

 LotharAtzert meinte dazu am 12.12.23 um 09:59:
,"Gott" bewahre, nein. War nur ne Vorlage für Lothar.
<3

 Beislschmidt meinte dazu am 12.12.23 um 11:14:
Poona zwar nicht aber mit dem Moped nach Satiago de Compostella war eine beeindruckende Fahrt.

 Graeculus meinte dazu am 12.12.23 um 17:20:
Schade. Ich hätte mich gerne einmal mit jemandem über seinen persönlichen Eindruck von Bhagwan alias Osho unterhalten.

 Beislschmidt meinte dazu am 12.12.23 um 19:26:
Drei Bekannte waren dort
 Die Euphorie nimmt ab .... nachdem sie wieder in D waren, wurden sie kleinlaut und einsilbig.

 Graeculus meinte dazu am 13.12.23 um 18:06:
Da waren die Sanyassins, die ich kennengelernt habe, wohl nicht in Poona.

 Regina (12.12.23, 10:10)
Den lügenden Göttern hier werden menschliche Eigenschaften zugeschrieben. Der höchste Gott aber ist immanent wie transzendent. Er ist der Ursprung und alles in allem. Also lügt er sowohl als dass er auch die Wahrheit sagt. Er lügt in seinem lügenden Geschöpf, das aus ihm geworden ist. Er spricht die Wahrheit aus dem Mund des Ehrlichen. Die Vorstellung, dass ein Gottvater irgendwo auf einem Thron sitzt und die Moral der Menschen bewertet, ist keine wirklich tiefrligiöse.

 Dieter Wal meinte dazu am 12.12.23 um 11:56:
Den lügenden Göttern hier werden menschliche Eigenschaften zugeschrieben. Der höchste Gott aber ist immanent wie transzendent. Er ist der Ursprung und alles in allem. Also lügt er sowohl als dass er auch die Wahrheit sagt.
Das könnte man sagen. Abzüglich der Aussage über Gott als Schöpfer der Welt, die wieder in die dualistische Falle tappt, indem sie "Gott" bestimmte menschliche bzw. menschlich gedachte göttliche Eigenschaften zuschreibt. Für jüdische wie christliche Religionen ist Gott als Weltschöpfer ein wichtiges Thema.


C. G. Jung zeichnete 1914, 39-jährig, in seinem später als Liber Novus oder nach seiner Einbandfarbe in rotem Leder auch Rotem Buch, dem letzten Kapitel des Fragment gebliebenen Buches unter dem Titel "Prüfungen" seitenlange, schwer verdauliche Meditationen über die Unfähigkeit des Menschen, sich Gott als gut vorzustellen auf. Stilistisch grauenvoll, eng an Nietzsches Deutsch in "Also sprach Zarathustra" angelehnt, doch als Sprache wesentlich scheußlicher. Dennoch ist das Buch Jung-Fans zu empfehlen, sowohl die reine Text-Ausgabe, als auch die von ihm selbst kunstvoll kalligraphierte und illustrierte. Sehr gut philologisch kommentiert. Das Kapitel gipfelt in folgender Aussage:


Alles, was die Unterscheidung aus dem Pleroma herausnimmt, ist Gegensatzpaar, daher zu Gott immer auch der Teufel gehört. Diese Zusammengehörigkeit ist so innig, und wie ihr erfahren habt, auch in eurem Leben so unauflösbar wie das Pleroma selbst. Das kommt davon, dass die beiden ganz nahe am Pleroma stehen, in welchem alle Gegensätze aufgehoben und eins sind.
Gott und Teufel sind unterschieden durch voll und leer, Zeugung und Zerstörung. Das Wirkende ist ihnen gemeinsam. Das Wirkende verbindet sie. Darum steht das Wirkende über beiden und ist ein Gott über Gott, denn es vereinigt die Fülle und die Leere in ihrer Wirkung.
Dies ist ein Gott, von dem ihr nicht wusstet, denn die Menschen vergaßen ihn. Wir nennen ihn mit seinem Namen ABRAXAS. Er ist noch unbestimmter als Gott und Teufel.
S. 524 f., Textausgabe.

Die Vorstellung, dass ein Gottvater irgendwo auf einem Thron sitzt und die Moral der Menschen bewertet, ist keine wirklich tiefrligiöse.

 
Wohl wahr. Die Psalmen wiederholen unermüdlich, JHWH sei geduldig, barmherzig und von großer Güte.



Antwort geändert am 12.12.2023 um 16:37 Uhr

 Regina meinte dazu am 12.12.23 um 17:13:
Danke, Dieter. Mit C.G. Jung habe ich viel anfangen können.

 Graeculus meinte dazu am 12.12.23 um 17:24:
Die Psalmen wiederholen unermüdlich, JHWH sei geduldig, barmherzig und von großer Güte.

Und woran erkennt man das im Leben (Jude oder Nicht-Jude?) Geht es den Gläubigen besser als den Ungläubigen?


ABRAXAS. Er ist noch unbestimmter als Gott und Teufel.

Das verstehe ich besser. Aber waum man ihn lieben, ihm dienen soll, verstehe ich schon wieder nicht.

 Dieter Wal meinte dazu am 12.12.23 um 18:54:
Und woran erkennt man das im Leben (Jude oder Nicht-Jude?)
Christen leiden vereinzelt wie Jung unter einem eher dualistisch gedachten Gottesbild und stellen als Erwachsene spätestens fest, dass es so nicht funktioniert.  Jung als lebenslanges Mitglied der  Evangelischen-reformierten Kirche der Schweiz suchte und fand aus diesem persönlichen Problem als zu inneren Erfahrungen begabter Tiefenpsychologe, indem er über Gnosis und später Alchemie als Intellektueller seinen Horizont erweiterte. Nicht zufällig ließ über dem Eingang seines Hauses die Inschrift aus Delphi anbringen: „Vocatus et invocatus deus aderit“, auch „vocatus atque non vocatus deus aderit“, (deutsch „Gerufen oder nicht gerufen, (ein) Gott wird da sein“).   Pleroma (griechisch, πλήρωμα pléroma „Fülle“) ist bei den Gnostikern das Glanz- und Lichtmeer, als Sitz der Gottheit, von wo alles Gute ausströmt, scheint ihm als Vorstellung geholfen zu haben. Eine ähnliche Vorstellung pflegten Kabbalisten mit  En Sof.


Im Sohar wird das Böse als unterste Stufe Gottes dargestellt in einem Pyramiden-Stufen-Modell. Dieser kabbalistische Tora-Midrasch prägte weitgehend die jüdische Orthodoxie und Ultraorthodoxie.
Jesu Predigten vom Reich Gottes, was als "Frohe Botschaft" bezeichnet wird, sagen im Wesentlichen nichts anderes als die oben genannte Grundaussage der Psalmen. Die Frage ist nur, ob sie verstanden werden. Falls ja, dürfte sich eine Welt voller Farbigkeit, Freude und Schönheit öffnen.


Aber waum man ihn lieben, ihm dienen soll,
Jung warnt im Text "Abraxas anbeten heißt Sterben". Zugleich meint er dort, er hätte das Heilige als Gutes und Böses zugleich im Sinne Abraxas erfahren. Jung wollte damit sicher keine neognostische Religion verkünden. Ich sehe keinen Grund, weshalb ein Agnostiker fromm werden sollte. Er kann in Studien Freude erfahren. Geht es bei Religion um Glaube und Anbetung? Nicht unbedingt, finde ich.

Antwort geändert am 12.12.2023 um 21:06 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 13.12.23 um 18:05:
Das ist eine Vorstellung von Religion, die möglich ist (und ehrenhaft), aber m.E. nicht das befriedigt, was Schopenhauer "das metaphysische Bedürfnis" nennt, und erst recht nicht etwas, was den Menschen beim Leben und Sterben hilft.
Taina (39)
(14.12.23, 18:16)
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 Graeculus meinte dazu am 14.12.23 um 23:50:
Wenn Gott Dir eine Auskunft erteilt, gib mir Bescheid. Gewöhnlich werden selbst Gotteslästerer nicht vom Blitz getroffen.
Taina (39) meinte dazu am 15.12.23 um 00:15:
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 Graeculus meinte dazu am 15.12.23 um 18:36:
Instantkarma ist ein schönes Wort. Von den Beatles, oder?

Einzelne fallen tot um - manchmal Haßredner, manchmal Opfer von ihnen. Ein System sehe ich darin nicht.
Taina (39) meinte dazu am 15.12.23 um 20:55:
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 Graeculus meinte dazu am 15.12.23 um 22:34:
Ein schöner Fall von Instantkarma. Es gibt ein Lied der Beatles mit diesem Titel - daher kenne ich dieses Wort. Ob sie es erfunden haben, weiß ich nicht.
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