Kritik am System und Ärger über Primitivismus

Text

von  Mondscheinsonate

Bevor ich mich zu §§ 33 - 53 FinStrG setze, ein Kaffee. Meine Liebe zu Zahlen, überhaupt der Mathematik, weniger zum Strafrecht, kristallisierte sich erst vor 15 Jahren heraus. Als junger Mensch hasste ich das Fach, es hagelte Nicht genügend. Auch redete man uns Mädchen ein, dass wir doch "Ach, so sprachbegabt seien!" und keine Affinität zu Zahlen und Komplexität haben können. Förderung gab es keine. 

Als Erwachsene hatte ich eine Mathematikprofessorin und nur Sehr gut auf Schularbeiten. Bei der Matura plötzlich ein Nicht genügend. Ich verlor die Nerven und krank war ich auch. Der Zusatz war wieder auf Sehr gut. Der Direktor fragte mich, ob ich blöd sei? Er formulierte es nobler, es war aber die Aussage. Ja, ich war blöd. Zeitgleich zur Matura machte ich die Lehrabschlussprüfung und musste in einen Kurs. Monatelang stellte ich mich gegen die Buchhaltung quer, sie war mir nicht logisch genug, ja, sogar unlogisch, auf gut Deutsch: Ich verstand sie nicht. 

Dann sagte ich mir zwei Wochen vor der großen Prüfung, dass "Buchhaltung so ist wie sie ist, unlogisch, einfach zu lernen." Aber, ich verfluchte Pacioli insgeheim für die Doppik, die doppelte Buchführung. 

Nun, ich setzte mich also vor das Buch und lernte die Buchhaltung und je mehr ich mich vertiefte, desto lustiger fand ich es, fand, das macht "ja doch Spaß!".

Ich bestand die schriftliche und mündliche Lehrabschlussprüfung mit Auszeichnung. Es prüften mich die Chefin von der Wirtschaftskammer für Lehrlinge, ein Herr von der Arbeiterkammer und von der "normalen" Wirtschaftskammer, ein Dreiersenat der Interessensvertretungen für ArbeitnehmerInnen. Ich hatte als Beste in der Buchhaltung abgeschnitten, in der Kalkulation hatte ich Rundungsfehler. Sie sagte: "Menschen wie Sie brauchen wir in der Buchhaltung." Das gab mir zu denken. Und während ich weiter brav für die Matura lernte, ging ich in mich und überlegte, dass mir das eigentlich wirklich Spaß gemacht hatte und schrieb mich für einen Abendkurs im Wifi ein, Lohnverrechnung. Das war der größte Fehler meines Lebens, denn das war ein Jahr der puren Qual. Wenn ich etwas beginne, beende ich es auch und außerdem kostete der Kurs 7.000 Euro. Ich schaffte das Zertifikat, aber nur mit "durch". Danach brauchte ich geistige Entspannung und machte drei Buchhalterzertifikate mit Auszeichnung, aber dann leckte ich Blut, schrieb mich in den Bilanzbuchhalterkurs I ein, der kostete so viel Geld, dass einem schlecht wird. Ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, ich liebte es überalles. Was man liebt, das kann man gut, wieder Auszeichnung und gleich darauf den Bilanzbuchhalter II - Kurs, was soll ich sagen, wer das schafft, kriegt jeden Job dieser Erde in der Branche und ich schaffte ihn mit "gutem Erfolg". Nun, ich wollte BWL studieren, ja, aber das war ein Vollzeitstudium und ich wollte nicht in die Branche, ich kann nicht sagen, warum, ich weiß es nicht, es sträubte sich alles. So habe ich vier vollwertige Berufsausbildungen, rund 50.000 Euro hineingesteckt, Matura, das erste Diplom in Rechtswissenschaften (gleicht vom Umfang her einem Bachelor). 

Das zweite Studium begann ich im Herbst 2022 und die Wirtschaftsjuristerei ärgerte mich  bereits beim Einschreiben, denn meine Ausbildungen mit Zertifikat wurden nicht alle auf der Uni anerkannt, die Zertifikate sind eine volle Berufsausbildung, weil sie nicht von staatlichen Schulen oder Universitäten kamen, nur die rechtswissenschaftlichen Fächer wurden voll angerechnet und diese geistige Behinderung des Gesetzgebers und Abwertung von Ausbildung sind eine Zumutung. Ich dachte mir: "Trotteln, mit mir nicht!" Schrieb mich in semesterübergreifende Fächer ein, man sagte mir: "Das ist doch aufbauend, das schaffst du nicht so!" Natürlich schaffte ich es, mit links und Sehr gut, ohne einen Strich gelernt zu haben. Ich bin Bilanzbuchhalterin, was glaubt der Staat, dass wir blöd sind, nur weil wir keinen "Titel" haben? Geht's noch? Ich musste mich tatsächlich in Buchhaltung I setzen! Das war vergeudete Lebenszeit.

Nun, somit werde ich also im Jänner 2025 nicht nur den Magister haben, sondern auch den Bachelor (danach Master). 

Ich denke, so lange der Staat noch, geistig beeinträchtigt, Ausbildungen, auch Lehrabschlüsse, abwertet, wird es immer geistig beeinträchtigte Menschen geben, die versuchen sich über Menschen zu stellen, die keine Titel haben. Sicher, das sind schwer primitive Menschen, die das tun, aber da ist der Staat in der Pflicht, Menschen, die Berufsausbildungen haben, vor kompletten Primitivismus zu schützen. Denn, ich habe geistige Arbeit geleistet, aber es gibt auch die, die unsere wunderbaren Dinge herstellen und reparieren, warum sollen die von Affen und Deppen beleidigt werden? Wie kommen die dazu? 

Eine erste Aufwertung kam bereits vor ein paar Jahren, mein Ex ist dreifacher Meister und konnte sich nun dies als Masterstudium anrechnen lassen, er ist nun MA. Das freut mich für ihn. 

Ich empfehle: Denken, bevor man etwas von sich gibt. Man könnte sich lächerlich machen.


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Kommentare zu diesem Text


 franky (14.04.24, 10:30)
Hi liebe Cori
 
Schön, dass Du deine schützende Hand über die Menschen hältst, die arbeiten und reparieren, das sind oft wahre Künstler und keine Teppen. .
 
Bewundernde Grüße nach Wien von Franky

 Mondscheinsonate meinte dazu am 14.04.24 um 10:56:
Kein Mann= viel Zeit und keine Falten :D
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