Wer die Arbeit nicht scheut ... !

Groteske zum Thema Humor

von  tastifix

Schon seit etwa einem Jahr rede ich davon. Schon seit einem Jahr sehe ich vor meinem inneren Auge die absolute Traumküche in meinem Haus stehen.

Ich denke, dass ein Jahr der Überlegungen so langsam reichen sollte, um denen dann endlich die Tat folgen zu lassen. Nur - so schwer habe ich es mir nicht vorgestellt und so verrückt auch nicht.

Es gibt da bei uns fast um die Ecke in der Nachbarstadt ein sehr großes Küchengeschäft. Dort bleiben praktisch keine Hausfrauenwünsche offen. Allerdings, wie ich dann beim Durchschlendern feststelle, sind einige meiner Mitstreiterinnen wohl durch die herrlichen Farbvorschläge, die blinkenden Fronten und dann erst die Griffe (ooh!) wohl so sehr geblendet, dass sie deswegen einige andere Dinge glatt übersehen.   

Was die Stilrichtungen angeht, beweisen die Küchenhersteller tatsächlich enorme Fantasie, vor allem bezüglich der Landhausküchen.
"Hedwig Courts-Mahler hätte ihre helle Freude dran!", denke ich und unterdrücke ein Prusten.
Nicht, dass ich etwa gegen `Landhaus` etwas hätte - im Gegenteil schwärme ich sogar für Landhausmöbel.

Aber die Ausführung, vor der ich mir dann doch die Augen reibe, weil ich es einfach nicht fassen kann, ist dermaßen kitschig, wie ich es bei einer Küche noch nie gesehen habe. Es beeindruckt mich so tief, dass ich es Ihnen auf keinen Fall vorenthalten möchte:

Als Grundfarbe haben sie ´Ecru` gewählt - nicht schlecht. Aber dann: Die Dunstabzugshaube versteckt sich hinter einem enorm ausladenden Schornstein ähnlichen Umbau. Sogar der noch hat ein seine Kante ringsumher schmückendes, taubenblaues Dekor, das mich verflixt deutlich an meine ersten Nähversuche um den Nadelkissenstoffbuchrand herum erinnert.

Schnell wende ich meinen Blick ab und dem Rest der Küche zu in der Hoffnung, dass er sich in ein etwas dezenteres Outfit hüllt. Na, die darf ich aber gleich vergessen. Die Schränke und Regale wollen offensichtlich dem Dunstabzugshaubenturme nicht nachstehen und haben sich ihr Festtagskleid angezogen. Auch sie tragen Taubenblau, auch sie sind an ihren Seiten überall mit Schnörkeln versehen.

Da das allein aber wohl nicht ausreicht, um einer Heile-Welt-Küche gerecht zu werden, haben sich die Hersteller äußerst liebevoll um die offenen Regale mit den so praktischen, extrem schmalen, sehr tiefen Fächer gekümmert und ihnen doch tatsächlich gedrechselte Mini-Säulen verpasst.

Der Verkäufer sieht meinen Gesichtsausdruck und grinst breit. Ich bin so erschlagen von all dem, dass ich mich einfach nicht mehr bremse:
"Wissen Sie, das ist ja ein entsetzlicher Kitsch! Zudem können diese Küche nur Putzteufel kaufen oder welche, die ebensolche beschäftigen!"
Wir lachen.

Den Einfaltsreichtum der Küchendesigner habe ich ja ausgiebigst bestaunt. Mir reicht es, zumal ich der felsenfeste Überzeugung bin, dass eine Küche zwar schön aussehen soll, aber vor allem praktisch zu sein hat.

Deshalb widme ich mich jetzt hoch konzentriert den vielen kleinen oder auch größeren Finnessen, die der armen Hausfrau ihr Leid (oder vielleicht sogar gegenteilig ihr Hobby??) erträglicher beziehungsweise noch amüsanter erscheinen lassen sollen.

Normalerweise betrachte man etwas von oben nach unten. Bei Küchen streike ich da und gehe gegensätzlich vor. Zuerst prüfe ich den Kühlschrank, ob er oder ob er nicht in mittlerer Höhe eingebaut ist. Desgleichen gehe ich bezüglich des Tiefkühlschrankes und der Mikrowelle vor. Fällt der Befund zu meiner Zufriedenheit aus, nehme ich anschließend die jeweilige Dunstabzugshaube aufs Korn.

Bei den meisten Küchen gab es da leider sehr viel auszusetzen. Dunstabzugshauben mit Glasplatten finde ich irgendwie fehl am Platze. Schließlich steigt von unten immer Dampf hoch und spritzt auch ab und zu etwas Fett. So male ich mir lieber den Arbeitseinsatz nicht aus, der nötig wäre, um genau diese Glasplatte noch sauber aussehen zu lassen.

Außerdem mokiere ich mich über die überdimensionale Breite dieser rasant aussehenden Hauben. Vielleicht haben sich deren Hersteller ja mit der Liga der Allgemeinmediziner verbündet, die sich schon auf die vielen Patienten mit den dann gleichfalls überdimensionalen, vielleicht sogar farblich abgestimmt zur jeweiligen Küche leuchtenden Beulen freuen, die sie sich an den gefährlich scharfen Ecken ihrer geliebten hoch modernen Dampfvernichtungsmaschine in schöner Regelmäßigkeit holen.

Diese Dinger sind eindeutig eindeutig viel zu breit, verkleinern die doch als riesig beschriebene Arbeitsplattenarbeitsfläche fast um ein Drittel. Da die Arbeitsplatte sich also kaum mehr zum Sich-Austoben eignet, haben sich die um das Seelenheil ihrer Hausfrauen doch so rührend besorgten Hersteller sich etwas Neues ausgedacht, was jene betrübten Köchinnen und Bäckerinnen über diesen herben Verlust hinweg trösten soll.

Tut es aber nicht! Oder was halten Sie, meine lieben Hausfrauen, von einer dann selbstverständlich  überüberdimensionalen Kugelvase (sogar farblich passend zur Küche), in der dann zusätzlich nur scheußliche, künstliche Blumen stehen, die überdies farblich so gar nicht zur schicken Küche passen?

Aber die modernen, rasanten Küchen haben ja noch mehr Details zu bieten, die mich dann doch den Kopf schütteln lassen.
Wie sie ja schon erfahren haben, fehlt doch jetzt Arbeitsfläche. Da sich aber der Hunger der Verwandtschaft, des Freundeskreises und der Bekannten mitnichten dementsprechend verringert hat, wird natürlich Ersatz angeboten. Ich ziehe an einem der blitzenden Griffe im festen Glauben daran, es würde sich eine Schublade öffnen. Genau dies geschieht auch, doch ich staune Bauklötze. Es zeigt sich eine zugegebenermaßen wunderbar glatte Fläche von vierzig Zentimetern im Quadrat. Wie ich es mir erklären lassen, ist dies die Zusatzarbeitsplatte.
„Na ja, gar nicht so schlecht!“, lobe ich, zu meiner Verteidigung glücklicherweise noch recht zurückhaltend, denn dann der Hammer. Misstrauisch, wie ich nun mal bin, verlasse ich mich nicht auf den schönen Schein, sondern gehe der Sache auf den Grund. Der Grund=Boden ist in diesem Falle ungut nahe. Ich mache nämlich die Probe aufs Exemple und stelle meine Handtasche darauf. Die Platte erweist sich als überaus höflich und begrüßt die Tasche durch demütiges Sich-Abwärtsneigen.
„Bei deren Entwicklung hat jemand ´nen Knall gehabt!“, murmele ich und richte mein Augenmerk auf die Hochschränke.

Immerhin gibt es da ganz niedrige, niedrige, mittel hohe und ganz hohe Hochschränke. Leider sehen mir bei jeder zweiten Ausgabe so drollige Milchglasscheiben entgegen. Diese wiederum bieten den Vorteil, dass, erwischt man statt des Griffes aus Versehen die Scheibe, gegebenenfalls die Kriminalpolizei eine weitreichende Arbeitserleichterung in Gestalt von massenhaften Fingerabdrücken entdecken würde.

Doch auch in den Schränken erwartet mich noch eine extrem praktische Überraschung. Also: Ich kenne es aus meiner ganz normalen Küche nur so, dass ich entsprechend normale Einlegebretter hinter den Türen vorfinde. Aber das scheint heutzutage verpönt zu sein. Stattdessen, es soll ja alles elegant aussehen, sehen mir, noch, da bisher noch unbenutzt, strahlende Klarglasscheiben entgegen.

Ich konstatiere:
Der Hausfrau stehen heutzutage eine Fülle raffinierter und raffiniertester Hilfsmittel zur Verfügung. Damit sie aber das Putzen nicht verlernt und eventuell dann noch hochmütig wird, haben die Hersteller(= Männer) all diese netten Übermutsbremsen erfunden.


Nachwort:
Selbstverständlich gibt es auch viele, ganz toll konzipierte Küchen!!

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Kommentare zu diesem Text

Traumfee (46)
(01.10.07)
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 tastifix meinte dazu am 30.10.07:
Hallo Traumfee!

Ich freu`mich sehr über Deinen ausführlichen Kommentar!
Tja, im Anblick so mancher, ach dermaßen praktischer Details wie zum Beispiel gedrechselter Regalseitenteile habe ich denn doch mit dem KOpf geschüttelt. Ebenso über die Dunstabzugshauben, die in extrem spitzen Winkel nach oben hin angebracht waren. Meiner Meinung nach wird doch dann nur noch die Hälfte abgezogen.

Eine Küche soll nett aussehen, ist aber trotzdem vorrangig ein Arbeitsraum!

Lieben Gruß an Dich
Gaby
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