Natternhaut

Sonett zum Thema Aufbruch

von  Isaban

Auch heute streife ich durch mein Gehege.
Hier wuchern große Büschel Bilsenkraut.
Sein strenger Duft, zu herb und zu vertraut,
stößt sauer auf; zugleich macht er mich träge.

Es drückt und zwickt, sobald ich mich bewege.
Ich fühle mich nicht wohl in meiner Haut.
Sie ist viel dünner, seltsam aufgeraut
und spannt. Ein Fehler bei der Schönheitspflege?

Gedanken werden immer wieder laut,
Gewölle wird gekaut, gekaut, gekaut -
mich würgt es permanent, wenn ich mich rege:

Der Kragen platzt. Zu viel war angestaut.
Jetzt juckt der Bauch, zum Teufel, ich erwäge,
ob ich die Fetzenhaut alsbald zum Abfall lege.

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Kommentare zu diesem Text

Caterina (46)
(15.07.08)
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 Isaban meinte dazu am 15.07.08:
Sand und Schleifsteinpeeling.

Mephisto? ) Ja. Zumindest temporär. Aber im Grunde ist er immer ne arme Wutz, vor der alle katzbuckeln, solange sie hinschaut, um ihm dann hintern Rücken unlautere Absichten zu unterstellen und bei sämtlichen Geschäften übers Ohr hauen zu wollen. Fast so eine tragische Gestalt, wie der arme, unbeliebte krokophobische Captain Hook oder Donald Sutherland in "Die Nadel".

Teuflisch liebe Grüße,
Sabine

 Didi.Costaire (15.07.08)
Liebe Sabine,

ein sehr stimmungsvolles Gedicht, wenngleich eine ausgesprochen miese Stimmung zum Ausdruck gebracht wird.
Man hört die Schlange zischen, wenn um sie herum die großen Büschel Bilsenkraut wuchern. Sie spürt, wie ihre Haut sie einengt. Scheinbar scherzhaft enden die Quartette mit der Frage nach der Schönheitspflege.
In den Terzinen folgt das Nachdenken über diesen Zustand - begleitet von fortgesetztem Unwohlsein auf Grund immer wieder kehrenden Kauens von Unverdaulichem. Am Ende wird es zuviel, der Kragen platzt. Veränderung steht bevor, von der Stimmung her eher in Richtung Abbruch als dem thematisch vorgegebenen Aufbruch.
Das Sonett kommt mit nur zwei Reimen aus, ist dabei metrisch und melodisch ohne Makel. Ich denke, hier drückt sich nochmals die Stimmung aus, die in eine Richtung geht - egal ob bei Betrachtung der Umwelt, der eigenen Befindlichkeit oder der Gedanken.
Genauso zieht sich eine Art Übersättigung durch das ganze Gedicht: anfangs ist der Duft zu herb und zu vertraut - eine Verstärkung erfolgt durch das zugleich im folgenden Vers - in V 12 wiederum wird es endgültig zu viel.
Ich hoffe, dass alsbald besser Verdauliches wächst als nur Bilsenkraut...

Liebe Grüße
Dirk

 Isaban antwortete darauf am 15.07.08:
Ja, die Schlange macht es einem leicht, sie phonetisch durchschimmern zu lassen, lieber Dirk - und ich freue mich ungemein, dass dir meine kleinen Zischeleien aufgefallen sind, ebenso wie das unbehagliche sich winden und die Steigerung des Missbehagens bis zur ersten partiellen Explosion - und hach, ich könnt dich dafür knutschen, dass du auch die äußere Form in deine Interpretation mit einbezogen hast. Ich danke dir für deine schöne, ausführliche Rückmeldung und deinen analysierenden Blick auf meinen Text.
Herzliche Grüße,
Sabine
scalidoro (58)
(15.07.08)
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 Isaban schrieb daraufhin am 15.07.08:
Schlangen haben einen so wundervoll bösen Ruf und bieten ebenso viele unverständliche, wie auch faszinierende und lehrreiche Aspekte - ich konnte nicht anders, lieber Scal.
Hab vielen lieben Dank für deine Rückmeldung. Ich habe mich sehr über dein Auftauchen gefreut.
Herzliche Grüße,
Sabine

 ManMan (15.07.08)
Veränderung wird spürbar, Entschlossenheit, vielleicht auch eine Spur Aggressivität, sehr überzeugend dargestellt. lg. ManMan

 Isaban äußerte darauf am 15.07.08:
Wie eine Schlange vor der Häutung.
Hab vielen herzlichen Dank für dein Erfassen und Erspüren, für deine Rückmeldungen, lieber Manfred. Ich freue mich sehr über dein Eindruck spiegelndes Feedback.
Liebe Grüße,
Sabine

 DanceWith1Life (15.07.08)
Auch heute streife ich durch mein Gehege.
zu schnell liest man darüber hinweg, das spürbare, dem die Zeilen fast als Gitter im Weg stehen, beschreibt sich, ohne berührt zu werden, ohne Linderung zu erfahren.
logisch, wenn das als tote Haut im Abfall landet.
Kein Wort mehr über das Gehege, seltsam.

 Isaban ergänzte dazu am 15.07.08:
Das kommt vielleicht drauf an, wie man das Ganze, insbesondere die letzten Verse für sich selbst interpretiert, lieber Robert - und auch, ob man das Gehege als gewohnte Umgebung, als Käfigmauer/Einschränkung der Bewegungsfreiheit oder als LIs äußere, sterbliche Hülle betrachtet - oder als Haut, die man naturgemäß ablegen muss, wenn man herauswächst.
Anima D. (39)
(15.07.08)
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