Schenkzwänge

Erörterung zum Thema Freiheit/ Unfreiheit

von  loslosch

Beneficium accipere libertatem est vendere (Publilius Syrus, 1. Jh. v. Chr.; Sententiae). Eine Vergünstigung anzunehmen bedeutet die (eigene) Freiheit preiszugeben.

Wenn man an Durchstechereien insbesondere bei der Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen denkt, mutet der antike Spruch recht modern an. Hat der Baudezernent oder der Sachbearbeiter an der Schaltstelle sich einmal von einer Baufirma bestechen lassen, ist er ihr bei späteren Ausschreibungen in gewisser Weise ausgeliefert. Das ist der Fluch der bösen Tat.

Wenn aber die nordamerikanischen Indianer noch im 19. und 20. Jh. ihr Potlatch veranstalteten, war Schenken der Ausdruck von eigenem Wohlstand oder geschah zur Ehre der Ahnen. Die Beschenkten hatten das Nachsehen; denn sie waren gefordert, bei der Gegeneinladung die Schenkorgie zu toppen. Manche Indianerstämme wurden unter dem zivilisatorischen Einfluss geradezu in den wirtschaftlichen Ruin getrieben.

An diese sozialen, rituellen Zwänge wird Publilius Syrus kam gedacht haben. Dennoch hat die Sentenz durchaus ihre fortdauernde Geltung behalten - bei sensiblen Gemütern. Diese fühlen sich moralisch in die Pflicht genommen, selbst ungebetene Wohltaten zu erwidern. Auch unerwünschtes Lob und Schmeichelei heischen nach Kompensation. Ein weites Feld.

Lieber Publilius Syrus, man muss ja nicht (immer).

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (13.10.14)
Eigentlich ist der Gedanke des Publilius Syrus für die Antike überraschend fortschrittlich, denn das "do, ut des" (ich gebe, damit du gibst) gehörte zur Tagesordnung, und man war bei diesem Tauschhandel nicht zimperlich.

 loslosch meinte dazu am 13.10.14:
ob p.s. manche kv-allüren vorausahnte?

 TrekanBelluvitsh (13.10.14)
Liegt beim Gaul die Freiheit dann im Maul?

 loslosch antwortete darauf am 13.10.14:
ein anderer aspekt, meint unser hildchen knef.

 TrekanBelluvitsh schrieb daraufhin am 14.10.14:
Ich fahr aber Straßenbahn. Bin ich darum ein Kommunist ohne Freiheit (so ganz ohne Gaul meine ich)?
Graeculus (69)
(13.10.14)
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 loslosch äußerte darauf am 13.10.14:
mein fazit: so hat sich die europäische psyche über mehr als 2.000 jahre kaum gewandelt.
Graeculus (69) ergänzte dazu am 13.10.14:
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 niemand (13.10.14)
Ist es nicht bei den Japanern ähnlich: Man lässt sogar den Preis am Gastgeschenk dran, damit der Beschenkte beim Gegenbesuch etwas Teureres mitbringt? Ich glaube ich habe das irgendwo gelesen, weiß es aber nicht genau, will mich deshalb nicht zu weit aus dem Fenster lehnen
Mit herzlichen Grüßen, Irene

 loslosch meinte dazu am 13.10.14:
unter "schenken in japan" bei wiki gefunden:

"Geschenke werden manchmal nicht in der Gegenwart des Schenkenden ausgepackt, um beiden Seiten einen Gesichtsverlust bei Überraschung und Enttäuschung zu ersparen. Ein Geschenk verlangt ein Gegengeschenk, das allerdings – aus logischen Gründen – von geringerem Wert sein sollte. Ausnahmen bilden Dankesgeschenke, hier ist die Gegenleistung ja schon erbracht worden.[6]

Geld unverhüllt zu schenken, gilt als plump. Deshalb kann man in Schreibwarenläden spezielle Umschläge für Geldgeschenke kaufen."

ich kannte jemand, der ließ 50 DM kreisen, bei geburtstagen. man möchte sich fremdschämen.
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