Fritz in Rente

Kurzgeschichte zum Thema Leben

von  BeBa

Seit kurzem bin ich Rentner. Die letzten Monate im Büro wollten einfach nicht rumgehen. Und dann, Knall auf Fall, hatte ich endlich keinen Job mehr.
„Dein Fritz ist frei!“, sagte ich zu Heidi, „Jetzt werden wir das Leben genießen.“ Ihren skeptischen Blick übersah ich.
Am ersten Rentnerabend haben wir zusammengesessen und eine Flasche Wein geleert. Heidi ist dann schlafen gegangen. Ich habe mir anschließend ein weiteres Fläschchen gegönnt. Den folgenden Morgen habe ich verschlafen und meinen Rentnertag erst gegen Mittag begonnen.
Die nächsten Tage liefen ähnlich ab, nur dass Heidi früh zu Bett ging und ich die beiden Flaschen allein bewältigte.
Eines Nachts, ich hatte Flasche Zwei noch nicht geleert, stand sie plötzlich im Wohnzimmer vor mir und fragte mich, ob das alles bis zu meinem Ableben so weitergehen würde?
Ein „Mitnichten!“ versuchte ich, es kam eher als ein „witritten!“ bei ihr und damit gar nicht gut an. Sie drehte sich um und verschwand im Schlafzimmer. Dorthin schaffte ich es ohne ihre Hilfe nicht mehr und schlief irgendwo im Wohnzimmer ein.
Als ich zu Mittag aufstand, war der Küchentisch nicht gedeckt und von Heidi keine Spur.
Mir war nicht wohl bei der Sache. Nach ein paar Tassen selbst bereiteten Kaffees, einem vertrockneten Croissant vom Vortag und dem ersten Blick in den Spiegel stand ich erstmals wieder unter die Dusche und rasierte mich sogar. Beim Zähneputzen zwinkerte mir mein Spiegelbild aufmunternd zu.
Heidi blieb der Wohnung bis auf weiteres fern. Ein paar Mal rief sie mich an und beteuerte, ich müsste mir keine Sorgen machen.
Und ich machte mir immer weniger Sorgen. Morgens rasierte ich mich regelmäßig und abends trank ich keine zwei Flaschen Wein mehr.
Tagsüber begann ich, das Leben zu genießen. Es war Sommer und ich verließ die Wohnung recht früh. Im Gepäck hatte ich etwas Geld und ein Buch. Ich saß dann in meinem neuen Lieblingscafé auf der Terrasse und las bei Cappuccino oder Café Latte. Die Nachmittage genoss ich im Stadtpark auf einer Bank im Schatten der uralten Buchen und Eichen.
Nach dem Abendessen, meist beim neuen Lieblingsitaliener Luigi und meiner Lieblingskellnerin Sofia, beschloss ich die Abende bei Rumba, Salsa und Habanera in der Bar Los Cubanos.
Ich hatte mich gewöhnt an dieses neue Leben und seinen Rhythmus. Bald war mir, als hätte es für mich nie eine andere Welt gegeben. Und der Hausarzt staunte über meine Konstitution.
Dann, es ging gegen Herbst, saß sie plötzlich da: In meinem Lieblingscafé, morgens zum Frühstück. Mit ihrem Lächeln. Ich setzte mich dazu. Der Kellner brachte wie immer Cappuccino.
Wie es mir gehen würde, fragte Heidi. Gut, sagte ich.
Ich sähe blendend aus, meinte sie und streichelte mir über die Hand, die gerade dabei war, den Cappuccino abzusetzen.
Wäre nicht in diesem Augenblick das Barmädchen Lucia aus dem Los Cubanos im Café aufgetaucht, und hätte sie mir nicht diesen Kuss gegeben und ihr ganz eigenes „Hola, Feliz!“ gehaucht, ich wäre aus dieser Nummer wohl niemals herausgekommen.
Aber Heidi im Los Cubanos? Undenkbar!
Wir haben uns auseinandergelebt. Ich bin jetzt Rentner.

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Kommentare zu diesem Text


 Vaga (09.08.20)
Mir scheint, Fritz hat es faustdick hinter den Ohren und somit von Anfang einen raffinierten Zukunftsplan entwickelt, um so schnell wie möglich aus der evtl. aussichtslos 'niet- und nagelfestsitzenden' Rentnerdaseinsnummer rauszukommen - mit dem Ziel, als freier Geist im freien Körper sein Leben allein, ohne jegliche (An-)Bindung, genießen zu können. ;)
Den letzten Satz würde ich weglassen, weil's ihn m. E. als erklärende Ergänzung nicht braucht. Gruß - Vaga

 BeBa meinte dazu am 10.08.20:
Danke dir, Vaga. Das mit dem letzten Satz behalte ich mal im Hinterkopf für eventuelle Überarbeitungen.

LG
BeBa
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