3 - (K)ein Windlicht

"Bernd...", seine Stimme klang zu zwei Dritteln ungläubig und zu einem vorwurfsvoll, "...du willst mir doch nicht erzählen wollen, dass dir in ein paar Sekunden etwas einfällt, was mir seit Stunden Kopfschmerzen bereitet, ...oder?"

"Ist aber so", sagte ich.

"Du hast also eine Idee?"

"Hab ich nicht...", sagte ich, um in sein Aufstöhnen hinein mit einem schnellen, "...ich hab die perfekte Lösung!" den Satz zu beenden.

"Im Ernst?" Und jetzt waren da zwei Drittel Hoffnung und eines Skepsis.

"Rudi...", sagte ich, "...es wird noch besser, du kommst ganz groß raus, Beate wird strahlen, wenn sie euer Geschenk sieht, und Carola kann stolz auf dich sein!"

"Mensch Berni, ...ich hab es immer gewusst, ...du bist ein wahrer Freund", Rudi war total aus dem Häuschen, seine Worte überschlugen sich, "...auf dich ist Verlass!"

Dann schienen ihn doch Zweifel zu beschleichen, "Und wie soll das funktionieren?"

"Na ja...", sagte ich gedehnt, "...du wirst Carola einen Geschenktipp geben, wenn sie den befolgt, wird Beate Tränen in den Augen haben, wenn sie sieht, was sie auspackt!"

"Oh Mann...", Rudi heulte auf, "...so schlau bin ich auch, aber was soll denn in dem Papier stecken, mir fällt nichts ein!".

"Rudi...", sagte ich, "...lass mich bitte aussprechen, und hör mir nur zu, den grandiosen Tipp bekommst du doch von mir!"

"Du hast tatsächlich eine Idee?"

Rudis Stimme taumelte zwischen Argwohn und Hoffnung.

"Eine Superidee", bekräftigte ich.

"Und was ist es?"

"Ein Windlicht!"

Von der anderen Seite der Leitung drang Gepolter an mein Ohr, wie wenn ein Telefonhörer aus der Hand gleitet und über den Boden kullert, dazwischen einige heftige aber nicht zu verstehende Wortfetzen. Als ich sie endlich wieder deutlich vernahm, war Rudis Stimme ein Gemisch aus Erregung, Fassungslosigkeit, Anklage und Zorn.

"Bernhard..." keuchte er, "...das hätte ich nicht von dir gedacht!"

Erst in diesem Augenblick wurde mir bewusst, wie banal und geradezu albern mein, doch allen Ernstes, geäußerter Vorschlag bei ihm angekommen sein musste.

"Nein, nein..", rief ich voller Eile, "...Rudi das ist ernst gemeint, du musst mir glauben, ich schwöre!"

Meine heftige Reaktion schien ihn verunsichert zu haben.

"Ich verstehe das nicht...!, murmelte er kaum verständlich, "...so ein Pupswindlicht, ich verstehe es beim besten Willen nicht!"

Ich legte alles was mir an Fürsorge und Mitgefühl möglich war in den nächsten Satz.

"Rudi, mir ist der Ernst der Lage bewusst. Ich könnte damit keine Scherze machen. Glaub mir ein Windlicht bewirkt das Wunder".

"Ein Windlicht, ein Windlicht...", wiederholte er mit kläglicher Stimme, "...überall gibt es Windlichter, in jedem Haus, jeder Wohnung, ringsum, überall, wohin du kuckst, die Welt ist voll davon".

"Normalerweise schon", gab ich zu bedenken, "Aber nicht bei uns".

"Ha...", er lacht schrill auf, "...und was ist das auf euer Marmorfensterbank, ...zwei links vom Gummibaum und drei oder vier rechts, und auf dem Sideboard stehen sie wie die Orgelpfeifen und dann im Flur rund ums Telefon..."

"Lass mich das erklären...", er ließ mich nicht zu Wort kommen, "...dazu die auf dem Eckschränkchen an der Treppe, sogar auf dem Gästeklo hab ich zwei gesehen, und auf der Terrasse mindestens ein halbes Dutzend!

Er schnauft vor Empörung.

"Rudi, hör mir bitte zu. Das war bis vergangenen Samstag so, jetzt, Stand heute, haben wir kein einziges Windlicht. Verstehst du, bei Beate und Bernhard null Windlicht. Spreche mir bitte nach, null Windlicht!"

wird fortgesetzt