Wurmkönige

Gedicht zum Thema Abgrund

von  RainerMScholz

Da fliegt ein kleiner Zitronenfalter

über den Mehltau meiner Hecke,

er torkelt und ich singe

einen Psalter,

als ich mir speichelig

über die Lippen leckte;

er handelt von der Knochenmühle,

in der wir befangen sind,

und von den Pfühlen,

in denen der Grind

von den Wunden pellt;

denn wir sind alle ungezählt,

und die Zeit rinnt uns davon;

als wir uns an den Himmel wandten,

da hätte uns klar werden sollen,

dass von diesem Thron

uns keine Hilfe wird zollen.

Jeder nehme sein eigenes Schwert

und wanke über die Hecke,

dass er still und leis´ verrecke

ohne alles Schreien und Weinen.

Gebe Gott, dass auf seinen Beinen

eigen der letzte stehe.

Im Winter kam früher Schnee.


Die Sonne brennt.

Mein Herz versengt.

In roter Glut

wächst neuer Schmerz

dem Schwarz,

der singt in der Helle.

Schnellschnellschnelle

auf zu deinem Gott.

Du glaubtest,

und dann kam das Schafott.

Du raubtest

die Unschuld der Welt

und sangest diese Lieder

unter blühendem Flieder.


Zitronenfalter schwanken in die Nacht.

In diesem Neongelb

ist der Alptraum erwacht.

In diesem Rot,

diesem Schwarz,

unter der Sichel

mit dem Haken-Z.

Alles auf Anfang.

Alles auf Reset.

© Rainer M. Scholz



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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (22.06.22, 12:00)
Gelungene Bilder für verlorene Illusionen.

LG
Ekki

 RainerMScholz meinte dazu am 23.06.22 um 15:23:
Es wird auch wieder besser werden. Ich lese gerade Schloss Gripsholm von Tucholsky und da finde ich epochale Sätze wie "Wir gingen über die Wiesen und blickten auf das Gras"; was mich durchaus an "Der Geist Gottes schwebte über den Wassern" erinnert.
Gruß + Dank,
R.
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