Zufall

Nach der schriftlichen Fachprüfung stellten sich die Frauen in der Frauentoilette an, so auch ich. Vor mir stand eine große, sehr schlanke Frau, eigentlich zart zu nennen, ich dachte mir:"Die sieht aus wie eine Elfe." 

Im Zug, eine Stunde später, setzte ich mich auf meinen reservierten Platz und plötzlich kam sie und es stellte sich heraus, dass wir die reservierten Plätze nebeneinander hatten. Das war schon lustig. 

Es stellte sich weiters heraus, dass sie in der Wiener Staatsoper Balletttänzerin ist und das fand ich reizend und wunderbar, so erzählte sie mir, dass sie 40 Stunden in der Woche trainieren muss, dies von klein auf, auch im Gymnasium der Ballettschule war, nichts anderes kennt als Disziplin. 

Heuer ist ihr letztes Jahr und deshalb macht sie jetzt die Rechtswissenschaften, damit sie nahtlos weiterarbeiten kann. 

Ich sah sie an, sah in ihr ernstes, aber engelsgleiche Wintergesicht, sagte:"Du bist sicher ein Steinbock." Ja, ich hatte Recht, das amüsierte mich. 
Wir sprachen dann noch über die Staatsoper und die Universität, die Zugfahrt war im Nu zuende.
In der U-Bahn überlegte ich dann schon, was mir dieser Zufall der Wiederbegegnung sagen wollte und dann fiel es mir ein, nämlich, dass ich dorthin gehen sollte, wo ich glücklich war, nämlich wieder in die Oper, da war ich schon lange nicht mehr. Dorthin, wo Tränen aus Rührung, nicht aus Kummer fließen. 
Ich kaufe mir eine Karte. Der Zufall war ein Zeichen, dass ich mich wieder um meine Bedürfnisse kümmern soll.