Prinzessin Weißröckchen (4. Teil)

Märchen zum Thema Allzu Menschliches

von  tastifix

Verwirrt sowie so nachdenklich wie beinahe niemals zuvor zogen sich die Königin und der König, da es sich um eine Entscheidung größter Wichtigkeit handelte, zur ausgiebigen Beratung ins königliche Arbeitszimmer zurück. Weißröckchen Dreckspatz hockte sich derweil vor dessen Türe und spitzte die Ohren.

Der König und die Königin überlegten hin und her, wägten ab, verwarfen und überlegten noch einmal, dann noch gründlicher.
Wegen der überragenden Bedeutung der Stunde für das gesamte Volk von Güldenschein nahm König Blitzesrein-so-gar-nicht-mehr-rein sogar in Kauf, dass sein Kopf vor lauter Grübeln wieder zu rauchen begann.
Königin Sauberfein-so-gar-nicht-mehr-fein riss sich wegen des Ernstes der Lage doch wirklich doll am Riemen, redete nur eine sehr kurze Rede und ließ es tatsächlich zu, dass ihr Gemahl sie ab und an unterbrach, um auch etwas anzumerken.

"Was werden die Leute bloß dazu sagen?", fragte sie.
"Das wirft unsere Verfassung über den Haufen!", stellte er fest.

Wieder schwiegen sie und grübelten weiter. Kurz darauf aber blickten sich der König und die Königin lächelnd an.
"Wir haben Weißröckchen noch nie so glücklich gesehen!!"
Die Entscheidung war gefallen.

Am nächsten Morgen ließen sie überall im Lande Plakate aufhängen:
"Von heute an ist es in unserem geliebten Land Güldenschein strengstens untersagt, länger als eine halbe Stunde am Tag zu putzen. Stattdessen wird gefeiert und die Kinder dürfen nach Herzenslust im Matsch herum tollen!"

Das Volk von Güldenschein jubelte. So stolz sie auf ihr blitzreines und sauberfeines Land gewesen waren, umso mehr noch zeigten sie sich jetzt einverstanden. Ja, im Grunde genommen war dies das klügste Gesetz, dass ihr König je eingeführt hatte.
„Hoch, der Königsfamilie ein dreifaches Hoch!“
Die Leute lachten übers ganze Gesicht, Weißröckchen strahlte und auch König Blitzesrein-so-gar-nicht-mehr-rein und Sauberfein-so-gar-nicht-mehr-fein strahlten um die Wette.

Die Staubsauger pusteten erleichtert aus und erholten sich von der jahrelangen Plackerei.
Die Waschmaschinen dagegen drehten fast ununterbrochen ihre Trommeln und veranstalteten Umdrehungszahl-Wettbewerbe.
Die Hausfrauen trällerten bei der Arbeit noch fröhlicher als bisher. Sie kauften nur noch selten Staubtücher und sparten so viel Geld. Die dazu gewonnene Freizeit verbrachten sie mit ihren Kindern oder saßen beim Kaffeekränzchen zusammen und tratschten über den Klatsch in der neuen, denn zweiten Illustrierten, die Königin Sauberfein zwecks umfangreicheren Leseangebotes herausgegeben hatte.
Die Kinder tobten übermütig mit viel Geschrei so lange durch jede noch so dreckige Pfütze, bis sie ihr fast zum Verwechseln ähnlich sahen. Endlich durften sie das tun, was alle Kinder dieser Welt so gern taten. Sie waren sehr glücklich.

Und was machte der Staubtuchweber Wischundweg?
Nun, er webte eben statt der Millionen Staubtücher nur noch die halbe Anzahl davon, verdiente auch nur noch die Hälfte an Millionen und war trotzdem glücklich.

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