Die Zündapp

Geschichte zum Thema Gut und Böse

von  Lala

Die Zündapp und Erste Verdienste

Constantin – Tino – Varela wurde 1975 in Hamburg Altona geboren. Er wuchs gleich neben der Holsten Brauerei auf. Für seine Mutter Anita blieb er das einzige Kind, weil kurz nach seiner Geburt ihre Gebärmutter entfernt werden musste. Fußball- und sportverrückt nervte er mit seinem Freund Klaus-Dieter schon bald die Nachbarn, weil sie stundenlang mit der Pille im Hof rumditschten. Sein Vater, Elias Varela, ist gebürtiger Portugiese und Zimmermann von Beruf. Er ist selten zu Hause. Nur im Winter ist er länger daheim. Ansonsten lebt er das Nomadenleben diese Gesellen. Er ist ein mürrischer, wortkarger Mann. Aber es sprudelt nur so aus ihm heraus, wenn man ihn nach der Zündapp fragte.

Die Zündapp war das Mofa, dass statt ihm sein damaliger Kumpan Armando bekommen hatte. Elias war am 10.9.1964 mit Italienern, Spaniern, Türken und seinem Kollegen Armando in Deutschland angekommen. Als sie im Bahnhof Köln Deutz einfuhren, waren sie vollkommen verwirrt, weil sie erst nicht kapierten, warum so ein Trubel am Bahnsteig war und sogar eine Blaskapelle aufspielte. Sie hatten keine Ahnung, dass in ihrem Zug auch der eine millionste Gastarbeiter war. Die Deutschen hatten Pi mal Daumen ausgerechnet, dass in dem Zug der Millionste sein müsste und dann hatten sie willkürlich auf einen Namen auf der Liste getippt: Armando. Armando sollte der Millionste sein, einen Blumenstrauß, ein Diplom und eben eine zweisitzige Zündapp geschenkt bekommen.
Aber eigentliche sei er, Elias, der eine millionste Gastarbeiter gewesen. Denn wenn er nicht so dumm gewesen wäre, Armando bei der Odyssee nach Deutschland zu beschützen, dann wäre Armando nie angekommen. Und dann hätte er, Elias Varela, die Zündapp bekommen. Denn es war tatsächlich so, dass auch Varela ausgesucht worden war. Auf die gleiche Art wie Armando. Nur eben als dessen Ersatzmann, falls Armando es – aus welchen Gründen auch immer - nicht bis nach Deutschland geschafft hätte. Und wäre Elias nicht gewesen, dann hätte es Armando auch gar nicht geschafft. Sehr viel Glück hatte es Armando aber nicht gebracht. Er starb früh an Magenkrebs.

Als Elias ein Jahr später erfahren hatte, dass er die Nummer Zwei war, hatte ihn das tief getroffen. Zwei Wochen sprach er mit niemandem. Er war beleidigt. Dieser Armando hatte damals doch schon Krebs. Überall. Vor allem im Kopf. Armando hat gar nix in seinem Leben hinbekommen. Wäre ich nicht gewesen, wäre er in den falschen Zug gestiegen, das wäre er. In dieser Art echauffierte sich Elias dann immer, wenn er diese Geschichte erzählte und immer wenn Elias diese Geschichte erzählte, hatte Tino genau zugehört.

Mit seinem Freund Klaus Dieter begann Timo - wie er auch gerufen wurde – dann im zarten Alter von 10 Jahren seine Karriere als Kleinkrimineller. Sein erstes Opfer war die Holsten Brauerei.
Durch ein Loch im Zaun sind die beiden Freunde hinten in die Brauerei rein, haben leere Bierkisten rausgeholt und vorne gegen fettes Pfand wieder eingelöst. Das war ganz einfach und es hat keine Sau interessiert. Das ging ein paar Wochen so. Hier mal eine Kiste, da mal eine Kiste. Als Tino in einer ruhigen Minute die Möglichkeiten überschlug, kam er zu dem Ergebnis, dass er und Klaus Gewinne viel größer sein könnten. Der ganze Hof der Brauerei stand ja schließlich voll mit diesen Kisten und auf jeder von ihnen stand in Leuchtbuchstaben Taschengeld. Da hat Tino dann zugeschlagen. Gut organisiert mit je einem Bollerwagen und Halteseilen, wurde die Sache angepackt.
Es lief auch alles prächtig, außer dass zwei knapp Elfjährige mit fünfundzwanzig Kisten doch auffällig sind. Sein Papa war außer sich. Tino hatte drei Tage lang nicht sitzen können. Und dann waren da auch noch Klaus Dieters Eltern, die seinen Vater und seine Mutter beschimpften. Ihr Klausi sei angestiftet worden. Es war schrecklich. Aber für Constantin war am aller Schlimmsten, dass die zusätzlichen Einnahmen versiegt waren.
Taschengeld hatte es sowieso so gut wie keines gegeben. Mal ‚nen Groschen, und wenn Papa in Stimmung war, mal eine Mark – das war’s. Papa war selten in Stimmung.
Während der Zeit des Pfandhandels hatte sich Constantins Lebensfreude stark verbessert. Wie schön es war Geld in der Tasche zu haben – vor allem so leicht Verdientes - das hatte er in der kurzen Zeit erfahren dürfen. Danach kannte er den Unterschied zwischen Geld haben und kein Geld haben. Geld haben, so befand Tino trotz der bezogenen Prügel und eines roten Hinterns, Geld haben, war eindeutig besser.

Es wurde ihm schnell klar, dass er an der Schule nicht lernen würde, wie man schnell Geld verdienen könnte. Im Gegenteil. Timo verstand nicht warum die Lehrer oder die Streber so wenig aus sich machen wollten. Worauf warteten sie? Warum lernten sie so lange, um dann nichts aus ihren Fähigkeiten zu machen? Jedenfalls sahen sie nicht so aus als würde sich ihr Aufwand lohnen. Es gab doch genug Gelegenheiten und Löcher im Zaun?

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Kommentare zu diesem Text


 Sylvia (18.04.10)
Wo wir gerade so nett plaudern, lieber Lala....eine lütte Anmerkung...die Holsten Brauerei ist auf St. Pauli....es wirkt spektakulärer, wenn du Altona entfernen und es durch St. Pauli ersetzen würdest...(kzufällig wuchs ich gegenüber der Brauerei auf)
das ist quasi aus erster Hand.

Die anderen Kapitel werde ich nach und nach durchlesen, aber der Anfang ist vielversprechend....

lieben Gruß Sylvia

 Lala meinte dazu am 18.04.10:
Hallo Sylvia,

danke für die Info. Wenn das stimmt, muss sich mein Gewährsmann aber warm anziehen - und dieses Kapitel eine Edith ertragen.

Gruß

Lala
FrauGeheimrätin (23)
(19.04.10)
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 Lala antwortete darauf am 20.04.10:
Hallo Frau Geheimrätin,

dankeschön. Hoffentlich gefällt der Text Dir auch weiterhin.

Gruß

Lala

 styraxx (20.04.10)
Echt gut geschrieben bzw. formuliert. Ich mag hier die Sprache. Von Anfang an entwickelt sich ein Erzählsog, der bis zum Schluss dieses Absatzes anhält. Die Idee wie Tino's Vater zu seiner Zündapp gekommen ist, finde ich total gut. Und wie Du den armen "Klausi" beschreibst, der von Tino angestiftet worden sein soll, kommt voll rüber. Die Verniedlichung des Namens sagt schon vieles aus - das sind so Feinheiten, von denen es noch mehr gibt.
Man ist sofort drin in der Geschichte und erhält gerade soviel Informationen vom Protagonisten, dass man gespannt den nächsten Absatz "Onkel Oswald" in Angriff nimmt, was eben auch der klug gemachten Überleitung
Es gab doch genug Gelegenheiten und Löcher im Zaun?
zu verdanken ist. Gern gelesen, hat Spaß gemacht. Ich bleibe dran und bin gespannt wie die Geschichte sich weiter entwickelt. LG

 Lala schrieb daraufhin am 20.04.10:
Hallo styraxx,

danke für das Lob und ich freue mich, dass Dich mein Text und die Überleitung - war tatsächlich nicht zufällig - unterhalten konnte.

Ich hoffe, dass der Text Dich noch weiter unterhalten hat.

Gruß

Lala
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