Zwiegespräch mit Gott

Persiflage zum Thema Grenzen/ Grenzen überschreiten

von  loslosch

Sic vive cum hominibus, tamquam deus videat; sic loquere cum deo, tamquam homines audiant (Seneca, um die Zeitenwende bis 65 n. Chr.; Epistulae morales). Lebe so mit den Menschen, als würde Gott es sehen; sprich so mit Gott, als würden die Menschen mithören.

Gesetzt den Fall eines Gottgläubigen: Der erste Teil der Sentenz darf abgehakt werden. Motto: Gott sieht alles. (Aber er sagt nichts!) Doch der zweite Teil. O Gott, wie ist das peinlich. Man stelle sich einmal vor, die Geistlichkeit bei ihrem privaten, ganz persönlichen Zwiegespräch mit ihrem höchsten Chef belauschen zu dürfen. "Herr, erhöre mein Gebet und lass mein Rufen zu Dir kommen. Ich bin heute etwas knapp mit der Zeit und bitte Dich um Vergebung." - "O Herr, ich war heute verzagt und kleinmütig und habe zu wenig für Deine gute Sache gekämpft. Nimm mich am Ende meiner Tage in Dein Reich auf! Aber nicht mein, sondern Dein Wille geschehe." - "O Herr, ich habe gefehlt, bei den Menschen (ich war etwas abwesend) und unter der Bettdecke." - "O  Herr, Du siehst über meine Fehler und Schwächen hinweg und nimmst hinweg die Sünden der Welt." - "O Herr, ich war heute seinsvergessen und habe Deiner nicht in rechter Weise gedacht." - "Herr im Himmel!, morgen ist Sonntag und ich hab die Predigt noch nicht gefummelt!" - "Herr, es will Abend werden. Der Tag hat sich schon geneigt und ich bin immer noch Single."

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Kommentare zu diesem Text

Innocentia (18)
(26.01.11)
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 loslosch meinte dazu am 26.01.11:
Bei dem schönen Nick (Rechtschaffenheit) irgendwie nicht verwunderlich. Lothar
Innocentia (18) antwortete darauf am 26.01.11:
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 loslosch schrieb daraufhin am 26.01.11:
Rechtschaffenheit, Unschuld, Harmlosigkeit. Die Päpste (Innozenz ...) dachten an das erste. Alles andere könnte polemisch wirken. Lächerlich schon, durch die Beiträge der "Würdenträger", hier ohne das Thema Missbrauch. Da würde einem sogar das Lachen vergehen. Lies bitte noch das Ende des Kommentarstrangs. Lo
Innocentia (18) äußerte darauf am 05.02.11:
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Martok (44)
(26.01.11)
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 loslosch ergänzte dazu am 26.01.11:
Nichts Kriegerisches, sondern fiktive Introspektion. Hinter den sechs verschiedenen Anrufungen stehen je verschiedene Charaktere. Bei der Anrufung "... in rechter Weise ..." dachte das lyrIch an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. :) Lothar

 Bergmann (26.01.11)
Im Grunde steckt in Senecas Sentenz Kants Kategorischer Imperativ, hier jedoch noch nicht so absolut, weil auf die antike Religion (Götter) bezogen. - Übrigens: Müsste es in der Übersetzung nicht heißen: ein Gott...? (deus, nicht Deus)
LG, Uli

 loslosch meinte dazu am 26.01.11:
Im Prinzip: Ja. Aber Seneca war quecksilbrig, dachte poly wie mono: In seinen Naturales quaestiones fragte er: Quid est deus? Mens universi. Was ist Gott? Die Seele des Alls.

Es wäre auch schade ums Zwiegesprächs. Notfalls könnte man - in der polytheistischen Sicht - argumentieren: Gott = der (jeweils) angerufene Gott. Die 6 verschiedenen Anrufungen im Text stehen für 6 verschiedene Charaktere. Das lyrIch ist versucht, weitere zu (er)finden. :) Lothar

 autoralexanderschwarz meinte dazu am 26.01.11:
Mit der gleichen Berechtigung lässt sich behaupten, dass diese Sentenz das exakte Gegenteil des kategorischen Imperatives darstellt, da ja - im Sinne der Aufklärung - eben nicht Gott sondern die Vernunft als allgemeines Gesetz postuliert wird.

 loslosch meinte dazu am 26.01.11:
In der Vernunft als Gottersatz würde sich der Streit auflösen. Lothar

 autoralexanderschwarz meinte dazu am 27.01.11:
Vollkommen richtig. War auch kein Streit. Ich schrieb ohnehin
"mit der gleichen Berechtigung".

 EkkehartMittelberg (26.01.11)
Möglicherweise erscheint dies Persiflage manchen als zynisch. Doch ändert dass nichts daran, dass die Fiktion der Realität sehr nahe kommt.
Ekki

 loslosch meinte dazu am 26.01.11:
Vielleicht sollte ich die Psychogramme, bisher sechs, ausweiten, um in ihrer Differenziertheit der Realität noch näher zu kommen. Danke für den vermittelnden Charakter des Kommentars. Lothar

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.01.11:
Das wäre keine schlecht Idee und dann, damit es nicht zu lang wird, an Karl Kraus denken: "Was gestrichen ist, kann nicht durchfallen".
Ekki

 loslosch meinte dazu am 26.01.11:
Das glaubt mir keiner: Diese 6 Muster hatte ich, bis aufs Wording, binnen Minuten beisammen, und dann war das MG leer. Man hat ja seine persönlichen Erfahrungen im Umgang mit Kuttenträgern. Als ich vor 17 Jahren austrat, hatte ich mit dem Gemeindepfarrer ein Gespräch, das er vermutlich auf Befehl von oben mit mir - sehr unwillig - führte. Am Schluss des Gesprächs verwies ich auf den Mitgliederschwund. Seine unvergessene Antwort im breiten rheinischen Singsang: Et sinn noch jenug da ... Lo

PS: "O Herr, ich war heute zu verzagt, habe zu wenig für Deine gute Sache gekämpft. O nimm mich in Dein Reich auf! Aber nicht mein, sondern Dein Wille geschehe."
(Antwort korrigiert am 26.01.2011)
Downtown (46)
(15.06.13)
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 loslosch meinte dazu am 15.06.13:
es ist erkennbar eine persiflage auf die geistlichkeit. herr als synonym für den persönl. gott. weiß doch jeder kirchgänger.
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