Tiefdruckgebiet

Sonett zum Thema Aufwachen

von  Isaban

Die Sonnenglut ist fortgewaschen,
der Brand von gestern schon verziehn;
was bleibt, ist sattes, mildes Grün
und Schmeichelsteine in den Taschen.

Der Rosenduft hat sich verloren,
nun duftet Erde, feucht und schwer.
Ein Grillenpaar hat sich verschworen;

es zirpt, als ob es Juni wär.
Die Zeit surrt sanft um unsre Ohren.
Komm, machen wir die Taschen leer.

Wir räumen all die leeren Flaschen
vom Tisch und decken ihn
ganz neu und ganz besonders schön.
Die Sonnenglut ist fortgewaschen.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text

P. Rofan (44)
(01.07.14)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Isaban meinte dazu am 02.07.14:
Oha, du hast also ab und an mit der kleinen Nichte von Heine geplauscht?

 Irma (02.07.14)
Vielleicht ein älteres Paar, das den Sommer des Lebens bereits hinter sich hat und langsam auf den Herbst zusteuert? Zumindest aber eine Liebe, die nicht mehr ganz jung ist, eine Beziehung, wo das heiße Liebesbegehren mit der Zeit verschwunden ist. Es macht keinen Sinn so zu tun „als ob“ (Z. 8), der Rausch des Sommers wird sich nicht mehr einstellen. Das wird durch die Wiederholung des ersten Verses am Schluss („Die Sonnenglut ist fortgewaschen.“) besonders deutlich.

Aber in jedem Ende liegt ja bekanntlich ein neuer Anfang. Das Rondo macht diesen Neubeginn spürbar. Die Zeit läuft weiter, aber es wird immer wieder ein neuer Morgen kommen, den man nutzen kann. Der Abendtisch wird abgedeckt, denn der süße Wein ist ausgetrunken. Aber man kann den Frühstückstisch decken. Liebe wandelt sich, doch wenn im Sommer viel „sattes, mildes Grün“ (Z.3) wachsen durfte, wird man damit den Tisch auch „ganz neu und ganz besonders schön“ in der Farbe des Neuanfangs eindecken können. Die Umarmung der auffälligen Paarreime in den Quartetten (verziehn – Grün – ihn – schön) hebt dies besonders schön hervor.

Aber während zur Zeit der frischen Verliebtheit ein einziger Griff in die Tasche genügte, weil die Komplimente („Schmeichelsteine“ Z.4) wie selbstverständlich darin waren, erfordert das Liebe-frisch-Halten schon ein bewusstes Achtgeben und sorgfältiges Kümmern. Man muss sich gegenseitig auffordern „Komm, …“ (Z.10), und man muss bereit sein, auch mal früh aufzustehen, um den Tisch fein herzurichten. Nicht nur einmal, sondern immer wieder. Auch das kommt durch das Rondo gut zum Ausdruck. Ein schönes rundes Bild, Sabine! LG Irma
(Kommentar korrigiert am 02.07.2014)
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram