Schattenboxer

Sonett zum Thema Befreiung

von  Irma

Als du den Ring verließt, ward ich geboren
und rang um alles, was sie für dich hatten.
Ich trat nach dir, trat nie aus deinem Schatten
und habe mich ein Stück weit selbst verloren.

Wir konnten niemals miteinander raufen.
Schlug ich mich gut, dann warst du nicht zu schlagen.
Ich kämpfte mit den Tränen, all den Fragen
in ihren Augen - wollte nicht ersaufen -

und hängte mich an deine Hachsen wie
ein Spürhund und erreichte dich doch nie.
Du warst mir immer einen Schritt voraus!

Den ersten Platz im Herzen haben sie
dir reserviert. Mir macht das nichts mehr aus.
Aus deinen Schuhen bin ich längst herausgewachsen.

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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(29.09.14)
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Inis (48) meinte dazu am 29.09.14:
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Graeculus (69) antwortete darauf am 29.09.14:
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Inis (48) schrieb daraufhin am 29.09.14:
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 Irma äußerte darauf am 06.10.14:
Es ging mir, wie weiter unten erläutert, tatsächlich um den imaginären "Kampf" mit einem Geschwisterkind, das vor der Geburt des zweiten Kindes verstorben ist. Es würde mich sehr interessieren, Graeculus und Inis, ob ihr das Gedicht auf dieser Basis im Nachhinein als stimmig empfindet. LG Irma
Graeculus (69) ergänzte dazu am 06.10.14:
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 Irma meinte dazu am 06.10.14:
Zu doofe Leser gibt es nicht, Graeculus. Dass manch einer schneller einen Zugang findet, kann verschiedene, auch sehr persönliche Gründe haben wie bei Janna, wo einfach bestimmte Vorerfahrungen vorliegen. Wenn ich das Sonett unter das Thema "Verlust" oder "Tod" gestellt hätte, wären die Gedanken vielleicht auch viel eher in eine bestimmte Richtung gelenkt worden.

Ein gutes Gedicht sollte sich jedoch für den Leser erschließen lassen. Nicht unbedingt sofort, aber es muss in sich stimmig sein. Deshalb war für mich wichtig nachzufragen, wie es jetzt auf dich wirkt. Ich bedanke mich ganz herzlich für deine nochmalige Rückmeldung dazu! LG Irma
LottaManguetti (59)
(29.09.14)
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 Irma meinte dazu am 06.10.14:
Ich hatte zwei Jungens im Sinn, die nie miteinander raufen konnten. Aber es kann genauso gut um zwei Mädels gehen oder um Bruder und Schwester. Auf jeden Fall um Geschwister. Ich danke dir, Lotta! LG Irma

 Lluviagata (29.09.14)
Als Zweitgeborene(r) kann man sich schon so fühlen, aber auch, wenn die Nachkommenden ihren Anspruch anmelden.

Gutes Sonett, Irma!

Liebe Grüße
Llu ♥

 Irma meinte dazu am 06.10.14:
Du meinst den vom Thron gestoßenen kleinen Prinzen oder die kleine Prinzessin, die ihr Krönchen weiterreichen soll? Ich danke dir, liebe Llu, für das Kompliment und die Empfehlung! LG Irma

 plotzn (29.09.14)
Hallo Irma,
ich lese hier den nicht zu gewinnenden "Kampf" einer Zweitgeborenen gegen eine(n) früh gestorbene(n) Erstgeborene(n).
Da passt der Vergleich mit Schattenboxen wie die Faust aufs Auge.
Wie schade, wenn die Eltern (bewusst oder unbewusst) ein Kind so sehr bevorzugen.

Liebe Grüße, Stefan

P.S.: Nach erneutem Lesen könnte es auch ein sehr viel älteres Geschwister sein und das "den Ring verlassen" sich aufs Ausziehen statt auf den Tod beziehen.
Graeculus (69) meinte dazu am 29.09.14:
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 plotzn meinte dazu am 29.09.14:
Für mich ist sie im Kontext des (Schatten)Boxens durchaus schlüssig, Graeculus, auch wenn sie sich nicht sofort sondern erst im Verlauf des Gedichtes erschlossen hat.

 niemand meinte dazu am 29.09.14:
Das Leben ist ein Kampf, ein Ringkampf mit den Umständen - man boxt sich durch (in Natura, oder man kämpft mit Schatten/Vergangenheiten) wobei ein Schattenkämpfen schwieriger ist, weil man gegen Unfassbares vorgehen muss. LG niemand

 Irma meinte dazu am 06.10.14:
Ja Stefan, mit deiner ersten Interpretation hast du genau das getroffen, was ich im Sinn hatte. (Aber auch die zweite Lesart mit dem bereits ausgezogenen Geschwisterkind ist möglich und stimmig.)

Geschwister liegen immer im Wettstreit miteinander, sie kämpfen um Liebe und Anerkennung durch die Eltern. Hier jedoch kann keine tatsächliche Auseinandersetzung stattfinden, da das ältere Kind gestorben ist, bevor das jüngere zur Welt kam. Das verstorbene Kind bleibt unerreichbar, es hat einen Platz besetzt, den das jüngere ihm nicht streitig machen kann. Es ist wie ein Ringkampf mit einem Phantom, wie Irene sagt.

Das zweite Kind versucht zunächst durch Angleichung ins Herz der Eltern zu gelangen. Aber das ist ein hoffnungsloses Unterfangen, denn das tote Kind lässt sich niemals ersetzen. Es braucht Zeit, bis das Kind in der Lage ist, seine eigene Identität zu entfalten. "Emanzipation" ist hier genau das richtige Stichwort, Graeculus. Bleibt der Eingangssatz denn weiterhin unverständlich für dich?

Ich danke euch allen ganz herzlich für die Schilderung eurer Eindrücke und für die Empfehlungen. LG Irma
Scrag (28)
(30.09.14)
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 Irma meinte dazu am 06.10.14:
Ganz herzlichen Dank, lieber Markus, für deine sehr ausführliche und tolle Interpretation, die du sehr gut am Text belegt hast. Sie geht keineswegs an dem vorbei, was ich im Kopf hatte.

Besonders gut gefällt mir, wie du die Stelle mit den Tränen in den Augen der Eltern auf schlüssige Weise erläuterst. Für mich war das der Punkt, der am deutlichsten auf den Tod des ersten Kindes hinweist. Das zweite Kind kann die Trauer nicht teilen, es hat ja selbst keinen Verlust erlebt, da es das ältere Kind nie kennenlernen durfte. Insofern kämpft es nicht mit seinen eigenen Tränen, sondern muss gegen die Trauer der Eltern ankämpfen, in der es nicht ertrinken will. Aber statt sich freizuschwimmen, schwimmt es erst einmal nur hinterher.

Dass man die leidvollen Blicke aber ebensogut auch als Reaktion auf das auffällige Verhalten des nachgeborenen Kindes deuten kann, hast du, wie ich finde, sehr schön dargelegt. Damit bleibt die zweite Interpretationsmöglichkeit mit dem bereits ausgezogenen Geschwisterkind gleichermaßen neben der anderen bestehen.

Ganz lieben Dank für deinen tollen langen Kommentar und die Empfehlung. Ich habe mich wirklich sehr darüber gefreut! Herzliche Grüße, Irma
(Antwort korrigiert am 06.10.2014)
Scrag (28) meinte dazu am 06.10.14:
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janna (66)
(30.09.14)
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 Irma meinte dazu am 06.10.14:
Janna, du hast mit deinen Worten wunderbar auf den Punkt gebracht, wie ich mir das dachte. Volltreffer!

Mit der letzten langen Zeile wollte ich das Herauswachsen im wörtlichen und im übertragenen Sinne verbildlichen, denn Kinder tragen ja tatsächlich oft die Kleidung und die Schuhe ihrer älteren Geschwister auf. Das jüngere Kind wird hier jedoch ab irgendeinem Zeitpunkt plötzlich zum größeren, zum älteren; es hat das vorgeborene und dann verstorbene Geschwisterkind ein- bzw. überholt.

Ganz lieben Dank für deine Worte und die Empfehlung, Irma
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