Rudolph von Eggsteyn-Engerlings Mutter

Er wohnte mit seiner Mutter auf der Spitze einer Anhöhe. Oben am Berg könnte man auch dazu sagen. Das Haus, in dem sie wohnten, hatte einen noch unverstellten Blick auf die Förde und den Hafen der kleinen Fischerstadt. Die Bucht war angefüllt mit Schiffen, Kuttern, Segelbooten und manchmal legte hier auch ein Kreuzfahrtschiff an.
Rudolphs Verhältnis zu seiner Mutter war etwas angespannt. Sie beherrschte sein pubertäres Dasein so gut sie konnte und noch etwas besser. Dazu gehörte auch, dass sie versuchte, unerwünschte Mädchen aus seinem Umfeld und seiner Interessenssphäre so gut es ging zu entfernen. Was ihr aber nicht immer gelang.
Sein allerneuester Schwarm hieß Gerti und hatte einen Silberblick. Das gab ihr Anlass zum Kommentieren. “Aber die schielt doch”, bemerkte sie. “Na und?”, konterte Reinhold und widmete sich seiner Seepferdchensammlung.
“Das macht doch keinen guten Eindruck und wirkt ungesund und unaufrichtig”, fuhr sie fort.
“Aber sie gefällt mir eben trotzdem”, hielt er dagegen.
“Ich werde mich darum kümmern, dass dieses Mädchen euer Gymnasium verlässt. Ich habe bereits mit ihr gesprochen, dass es in Schleswig eine gute Schule mit einem Aufbauzug für sie gibt”.
Dazu sei angemerkt, dass Rudolph Gerti dabei half, die Matheaufgaben zu lösen.
Seine Mutter hatte außerdem vor einigen Tagen mit dem Feldstecher von ihrem Fenster aus beobachtet, wie er in einem Ruderboot in der Bucht das Mädchen anzüglich berührt haben soll, was natürlich nicht der Realität standhielt.
Er bekam deswegen eine ganze Woche Hausarrest.
Was soll man nur machen, wenn man so eine Mutter hat, fragte sich Rudolph voller Verzweiflung. Und er ging am Fuße des Berges zum Kiosk, um sich eine Tafel Schokolade zu kaufen.