Die Welt retten

Früher wollte ich jedem Obdachlosen Geld geben, da sagte der Ex:"Cori, du kannst nicht die Welt retten, irgendwann hast du selbst nichts mehr, wenn du jedem etwas gibst."

Irgendwann sah ich diesen Punkt doch ein, aber es krampfte mir stets den Magen zusammen.

Zwischen 13 und 14 Uhr war die schlimmste Stunde seit langem. Ich saß müde, weil ich kaum geschlafen hatte und eigentlich seit sieben Uhr Früh "arbeitete", übte und danach eine Stunde vor älteren Herrschaften spielte, ja, gut, nervös war ich, verspielte mich aber nicht und da schau her, Emilia war gekommen, sie saß rechts, damit ich sie sehen konnte (dafür werde ich ihr wohl ewig danken müssen, dass sie sich in die Kirche begeben musste, ich spielte auf einer Orgel mit Klavieranschlag von Korg, da rümpfte sie die Nase!). Nun ja, dann gab es Kaffee und Kuchen, danach ging ich nachhause und saß, sah müde, kaffeetrinkend meine Vöglein an und plötzlich bewegte sich etwas auf dem Boden, das ich in den Fokus nahm, es war ein Igel. Ich lief zur Kredenz, holte einen Teller heraus, Katzenfutter und lief zum Igel, der sich zur Kugel rollte, stellte ihm das Futter vor die Nase und ging wieder hinein. Er fraß sofort, war sichtlich hungrig. In Panik rief ich den Wildtierdienst an, der auch am Wochenende verfügbar ist und schilderte das Problem des Nicht-schlafen-wollenden Igels, da sagte er, wenn er weniger als 500g wiegt, dann überwintern sie ihn, ich soll ihn bringen. 

Ich zog mich schnell wieder an, lief zum Tierarzt, der bei mir um die Ecke war, fragte, ob ich ihn überwintern könnte, da sagte er, ja, das ginge, im Keller, aber der zerlegt alles, der schaut nur so lieb aus und dann sagte er:"Bei diesen Temperaturen überlebt er höchstens eine Stunde." Ich geriet in Panik, sagte:"Hier wird nicht gestorben, nicht heute, nicht in meinem Garten und schon gar nicht einer, meiner Igel!"

Ich lief hinaus, zum Supermarkt, der bummvoll war, kaufte das ganze Heu und Streu für Meersäue auf und bei der Kassa sagte ich:"Bitte, darf ich vor, ein Notfall!" Die Leute fragten nicht, sie ließen mich vor.

Innerhalb von 12 Minuten war ich wieder zuhause, nahm eine Schuhschachtel und Heu, dachte, jetzt bringe ich das Kerlchen in den 10.Bezirk, nehme mir ein Taxi, zur Wildtierhilfe. Ich durchsuchte den ganzen Garten, fand den Igel nicht mehr, stand heulend darin und war verzweifelt. Dann ging ich wieder hinein, holte die fünf Säckchen Pressheu und machte Haufen im Garten. Etwas anderes konnte ich nicht mehr tun. Jetzt lebe ich wie im Heuschober, das ist mir egal. Ich will nicht, dass der Igel stirbt, fürchte aber, dass er es tut. 

Nein, ich habe mich nicht beruhigen können, bin extrem traurig, vorallem, weil ich ihn nicht gleich hereingeholt habe, das war ein Fehler, der an mir nagt. 

Ich kann nicht die ganze Welt retten, stimmt, aber wenn ich Leid sehe, dann kann ich etwas tun, das können wir alle. Und, eines weiß ich, mit dem Patzen Geld, den ich bekomme, werde ich irgendetwas machen, das helfen wird. Und, die Juristerei werde ich sinnvoll einsetzen, um etwas zu verändern, nein, es ist nie zu spät, definitiv nicht. Für den Igel schon, das tut mir weh.