Der Brunnen ruft

Erzählung zum Thema Schuld

von  EkkehartMittelberg



Die jungen Freunde hatten bei ihren Streifzügen durch die Prärie oft an dem Brunnen gerastet.

Sie wurden geschäftliche Konkurrenten und aus der Konkurrenz erwuchsen Feindschaft und Hass.


Der eine beschloss seinen Feind zu beseitigen. Dafür bot sich der Brunnen an, der weit von der Stadt entfernt in tiefer Einsamkeit lag. Er bestellt den früheren Freund mit einem Telefonat dorthin, wo er ihm ein attraktives Friedensangebot unterbreiten würde.

Die sentimentale Erinnerung an harmonische Zeiten funktionierte und der Feind willigte in das Treffen ein. Der potentielle Täter wählte einen Umweg, falls ihn jemand auf dem Ritt zu dem Brunnen beobachten würde.

Als sie sich am Brunnen wieder trafen, scherzten sie wie in ihrer Jugendzeit. Er rief wie früher Sprüche in den Brunnenschacht, die dumpf zurückschallten. Aus alter Gewohnheit lehnte sich auch der Feind über den Brunnenrand, senkte den Kopf und versuchte dasselbe. Darauf hatte er gewartet. Er ergriff die Beine seines überraschten Feindes und stürzte ihn kopfüber in den Brunnen. Aus der Tiefe schallten bald die schlimmsten Verwünschungen hinauf, an denen er sich in süßem Rachegefühl weidete. Doch mit der Zeit erlahmte die Kraft des Rufenden und am Ende hörte er nur noch ein Wimmern, das immer leiser wurde.

Natürlich wurde nach dem Verschwundenen gefahndet. Vergeblich. Seine Vorsicht hatte sich ausgezahlt.

Aber bald holten ihn die entsetzlichen Verwünschungen des Ertrunkenen in seinen Träumen ein und der Brunnen entfaltete eine magische Kraft. Er rief ihn unwiderstehlich an den Tatort zurück und das geschah mehrere Male.

Er hatte nicht mehr damit gerechnet, dass er beobachtet wurde, weil die Feindschaft der Konkurrenten bekannt war. Die wiederholten Ritte zu dem Brunnen machten ihn verdächtig. Der Brunnen wurde ausgehoben und das Skelett seines Feindes wurde gefunden. Die penetranten Träume hatte seine Widerstandskraft zermürbt. Er gestand.







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Kommentare zu diesem Text


 Regina (11.12.23, 05:24)
Empfohlen, lieber Ekki, aber es ist eine Kurzgeschichte, keine Ansprache.
Die Aussage, dass ein Verbrecher zum Ort seiner Tat wie magnetisch zurückgezogen würde, habe ich in Krimis schon vertreten gesehen. Ob sie stimmt, kann ich nicht überprüfen.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.12.23 um 10:03:
Merci, Regina, du hast recht, es ist keine Ansprache. Aber es ist auch keine Kurzgeschichte, weil das Ende nicht offen ist. Erzählung ist korrekt.

 Teo (11.12.23, 05:56)
Moin Ekki,
macht doch nachdenklich, dein Beitrag.
Da fällt mir noch der Spruch ein...
Und ist es noch so dicht versponnen,
Es kommt doch ans Licht der Sonnen.
Für unsere nach Anerkennung und Beachtung lechzende Fraktion hätte du noch die Begriffe Mainstream, Gutmensch und Schleimer einarbeiten können. Aber....es passt auch so.
Schönen Tag
Teo

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 11.12.23 um 10:09:
Gracias, Teo. Bei einem brutaleren Täter wäre hier wohl nichts ans Licht der Sonnen gekommen.
LG
Ekki

 plotzn (11.12.23, 10:21)
Servus Ekki,

zwei Thesen zu Deiner Geschichte:
- Er hatte noch ein Gewissen, wenn auch ein schlechtes
- Es gibt keinen perfekten Mord

Liebe Grüße
Stefan

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 11.12.23 um 11:40:
Vielen Dank, Stefan,
meine Erzählung stellt den perfekten Mord in Frage. Ich bin nicht sicher, ob es ihn nicht doch gibt.

Liebe Grüße
Ekki

 Didi.Costaire (11.12.23, 16:56)
Wenn doch jeder ein Gewissen hätte...

Deine Erzählung gefällt mir.

Beste Grüße,
Dirk

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 11.12.23 um 17:03:
Merci, Dirk, nur unter der Voraussetzung, dass die meisten Kriminellen ein Gewissen haben, machen Versuche zur Resozialisierung Sinn.

Beste Grüße zurück
Ekki

 Tula (11.12.23, 23:06)
Hallo Ekki
Hat etwas von einer Fabel. Man sollte eben nicht Dinge tun, so sehr das Echsen-Hirn tief in uns allen nach ihnen ruft, die man am Ende bereut. 
So hätte ich es inhaltlich vielleicht bei den Träumen belassen. Wer nicht mehr friedlich schlafen kann, wird nach und nach wahnsinnig. Eine gerechte Strafe.

LG
Tula

Kommentar geändert am 11.12.2023 um 23:06 Uhr

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 12.12.23 um 00:02:
Grazie, Tula, dein Kommentar ist ganz im sinne meines Textes.

LG
Ekki

 harzgebirgler (12.12.23, 09:50)
hallo ekki,

man muss sehr hartgesotten sein
sonst holt einen solch untat ein -
das war er offensichtlich nicht
und so kam seine dann ans licht.

beste grüße
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.12.23 um 11:28:
Merci, Henningr,
so möchte ich die Erzählung verstanden wissen.
Beste Grüße
Ekki

 AZU20 (12.12.23, 12:51)
Solche Träume zermürben wirklich. Sehe ich auch so. LG

 TassoTuwas (15.12.23, 11:22)
Hallo Ekki,
wenn es doch immer so wäre, das Verbrechen findet ein gerechtes Ende. Immerhin regte sich in dem Täter ein Gewissen.
Die Vorgänge in unserer Zeit zeigen, dass man auch ohne straffrei gut leben kann und Freund hat.
Herzliche Grüße
TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.12.23 um 11:49:
Vielen Dank, Tasso,
ich hoffe, dass die Zahl derer, die sich ein Gewissen machen, nicht abnimmt.

Herzliche Grüße
Ekki

 Saira (20.12.23, 04:16)
Lieber Ekki,
 
leider hat das Böse meist kein schlechtes Gewissen, fürchte ich.
 
Ich mag deine Erzählung, weil sich der Täter durch sein Verhalten selbst entlarvt hat.
 
Liebe Grüße
Sigi

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 20.12.23 um 21:18:
Gracias, Sigi,
ich fürchte, dass deine Vermutung zutrifft.

Liebe Grüße
Ekki
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