Der verschwundene Studienfreund

Erzählung zum Thema Suche

von  EkkehartMittelberg

Man sollte nicht meinen, dass man in einer Mediengesellschaft verschwinden kann, ohne Spuren zu hinterlassen.

Während des Studiums traf ich einen Klassenkameraden wieder. Da wir uns sympathisch waren und dieselben Studienfächer hatten, besorgten wir uns nebeneinander liegende Buden. Wir bereiteten uns gemeinsam auf das Examen vor und kannten uns sehr gut, dass wir jeden Tag mehrere Stunden miteinander verbrachten.

Wir bestanden erfolgreich unser erstes Staatsexamen und wurden am selben Tage promoviert.

Mein Studienfreund war fleißig, aber für leichtsinnige Scherze zu haben, die seine Karriere hätten gefährden können, wenn sie aufgefallen wären. Doch das Glück war ihm stets hold.


Inzwischen waren wir als Studienreferendare in der Ausbildung zum Lehrerberuf. Ich war verheiratet und er hatte ein festes Verhältnis mit einer Frau, die aus der Sicht von gemeinsamen Bekannten nicht zu ihm passte, weil sie seine Liebe für die schönen Künste nicht teilte.


Doch als diese Frau ein Kind von ihm erwartete, zögerte er nicht und heiratete sie. Da seine Frau meiner Frau und mir nicht sympathisch war, verloren wir uns aus den Augen. Nachdem wir ein halbes Jahr nichts voneinander gehört hatten, rief seine Frau bei uns an. Ihr Mann sei verschwunden. Ob wir eine Ahnung hätten, wo er sich aufhalten könnte. Wir wussten konkret gar nichts und hatten auch keine bestimmte Vermutung, außer der, dass er sich auf Nimmerwiedersehen von dieser Partnerin trennen wollte. Aber die behielten wir ihr gegenüber natürlich für uns.

Zusammen mit Klassenkameraden habe ich dann Recherchen angestellt und wir haben nicht die geringste Spur des Vermissten gefunden. Wir haben viele haltlose Theorien verworfen. Eine einzige hat eine gewisse Wahrscheinlichkeit: Der Klassenkamerad hat außer Germanistik auch Nederlandistik studiert und hatte eine Vorliebe für Südafrika. Wir haben freilich nicht von Profis untersuchen lassen, ob er dort untergetaucht ist.

Er ist und bleibt spurlos verschwunden.




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Kommentare zu diesem Text


 Verlo (12.11.23, 00:34)
Ekki, das Verschwinden deines Freundes liegt doch schon einige Zeit zurück: hast du schon mal in einer Internetsuche seinen Namen bzw. Daten, die ihn charakterisieren, eingegeben?

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.11.23 um 09:39:
Ja, das haben meine Klassenkameraden ergebnislos gemacht.

 Mondscheinsonate (12.11.23, 01:04)
Sehr interessant, nämlich: Meine Großmutter war verheiratet und sein Flieger wurde abgeschossen, offiziell tot. Nach ihrem Tod kam ein Brief vom Notar aus Berlin, dass der Mann meiner Oma gestorben war. Anscheinend überlebte er doch, fälschte Papiere und behielt aber seine echten, so konnte man die weiteren Angehörigen feststellen. Schwenk zu deiner Geschichte: Er ist irgendwo und lebt sicher mit einer neuen Familie in Südafrika. Die klassische "Ich geh mal kurz Zigaretten holen"-Story, nie aus der Mode. Gerne gelesen.

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 12.11.23 um 09:44:
Hallo Cori,
dein Opa hat wohl sein Ziel erreicht. Aber er ist nicht ganz inkognito geblieben. Mich wundert, dass es heute noch möglich ist, total zu verschwinden.

LG
Ekki

 Mondscheinsonate schrieb daraufhin am 12.11.23 um 11:12:
Ist nicht mein Opa, sondern der meiner Kusinen.

 AZU20 (12.11.23, 10:19)
Wer weiß, was ihm so eingefallen ist. Vergiss ihn einfach. LG

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 12.11.23 um 11:06:
Ehrlich gesagt fällt mir das Vergessen schwer, Armin, weil es mich beunruhigt, dass Menschen verschwinden können.

LG
Ekki

 AZU20 ergänzte dazu am 12.11.23 um 17:30:
Das  beunruhigt mich freiilch auch. LG

 TassoTuwas (12.11.23, 14:15)
Hallo Ekki,

du machst dir Gedanken, was aus deinem Studienfreund geworden ist und was ihn zu dieser Änderung des Lebens gebracht hat, und dann ist da die Frage, ob er auch noch an eure Freundschaft denkt.
Aber was heute unbeantwortet ist, kann sich morgen ändern.
Überraschungen sind möglich!

Herzliche Grüße TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.11.23 um 17:45:
Vielen Dank, Tasso, ich möchte Überraschungen nicht ausschließen und hoffe, dass sie positiv sind.

Herzliche Grüße
Ekki

 Saira (12.11.23, 15:01)
Hallo Ekki,

eine interessante Geschichte. Es liegt nahe, dass dein ehemaliger Studienfreund das Weite gesucht haben könnte. Allerdings kann ich mir das nicht wirklich vorstellen, da er aus Anstand sofort seine Partnerin, als diese schwanger war, geheiratet hatte.

Sollte er sein Kind verlassen haben?

Allerdings verschwinden weltweit täglich Menschen spurlos. Ob verschleppt, freiwillig irgendwo untergetaucht oder ermordet ... vieles ist möglich und immer wieder erschreckend.

Liebe Grüße
Sigi

Kommentar geändert am 12.11.2023 um 15:02 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.11.23 um 18:09:
Vielen Dank, Sigi, ich vermute, dass er es neben ihr einfach nicht mehr ausgehalten hat.

Liebe Grüße
Ekki

 harzgebirgler (12.11.23, 15:32)
was einen menschen zu verschwinden treibt
und dass der dann auch noch verschwunden bleibt
ohne ja die geringste spur bisher
trotz frau nebst kind fällt zu begreifen schwer! :O 

lg
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.11.23 um 18:14:
Gracias, Henning. Obwohl es schwer zu begreifen ist, scheint es häufiger vorzukommen, als man vermutet.

LG
Ekki
Agnete (66)
(13.11.23, 20:51)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 13.11.23 um 21:18:
Danke für die Erweiterung der Aspekte, Monika

LG
Ekki

 GastIltis (13.11.23, 21:52)
Hallo Ekki,
die Frage lässt du offen, ob ihr noch länger zu der euch unsympatischen Frau Kontakt hattet, allein, um etwas über das Verschwinden deines Freundes in Erfahrung bringen zu können.
Viele Grüße von Gil.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 13.11.23 um 22:30:
Danke der Nachfrage, Gil. Die Antipathie gegenüber dieser Frau war größer als die Wissbegier.
Beste Grüße
Ekki

 Teo (16.11.23, 10:30)
Moin Ekki,
tja, das kommt vor, dass sich Menschen davonschleichen. Ohne zurück zu blicken, wie man so sagt bei Nacht und Nebel. Ich bekomme schon Heimweh, wenn ich nur durch Gelsenkirchen fahre.
Dir einen friedlichen Tag.
Teo
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