Schreiben

Text

von  Mondscheinsonate

Wir, die wir schreiben können, nein, nicht nur schreiben, sondern auch erzählen, haben eine Verantwortung, nämlich die, dass wir Geschichten aufschreiben von Menschen, die uns berührt haben, so dass sie in unseren Zeilen lebendig bleiben. Diese Verantwortung ist ernst zu nehmen, denn viele Menschen sind längst zu Staub geworden, unsere Zeilen machen sie wieder lebendig. 

Aber, es geht nicht nur um den Tod, sondern auch um verblasste Erinnerungen, sei es auf alten Fotos oder einfach nur im Gedächtnis gespeichert. 

Wer in der Lage ist, zu schreiben, alles aufzuschreiben, der sollte es auch tun.


Von manchen Erinnerungen blieb fast nur noch ein Gefühl. Eine Hand auf dem Bauch, ein Lächeln, ein altes Holzspielzeug, eine alte Frau, ein mürrischer Mann, eine Angel, so vieles mehr. Erinnerungen sind das Wertvollste, das wir haben, noch wertvoller als Geld und Macht. Sie sind das, was uns gemacht hat, der Ursprung von allem. 

Und nein, wir sollen nicht in der Vergangenheit leben, aber dennoch hie und da über uns nachdenken, warum wir heute so sind, wie wir sind. 


Erinnerungen entschleunigen uns, lassen uns kurz innehalten, geben uns ein Gefühl, eines, das uns daran erinnert, was noch da ist, lassen uns nachdenken, warum es noch da ist, alles hat seinen Grund. 

Ungesagtes ewig hinuntergeschluckt, bleibt. Manches ist kein Trieb, es ist einfach ein Ruf, über den wir nachdenken sollten. 

Heutzutage geht alles schnell, da eine Besprechung, dort ein Vertrag, Angst um die Finanzen, Erfolg, Glück, vielleicht eine Geburt, Sorgen, Liebe, die auch nur flüchtig, schließlich hat man wenig Zeit. Man sagt: "Das Wichtigste ist Liebe und Gesundheit, auch finanzielle Stabilität." Aber, hat man denn Zeit für all das? Hat man noch Zeit, bleibende Erinnerungen zu schaffen? Erinnerungen, die so tief gehen, dass man sie noch nach 30 Jahren spürt? Oder war da eine Prüfung oder eine Vertragsunterzeichnung dazwischen? War das so wichtig, dass man die Schulaufführung versäumen musste? Das erste "Stolzsein" des Kindes? Der Blick, der immer nur die Eltern sucht in der Menge? War es das wert? Ist eine Unterschrift wichtiger, mehr Geld bekommen und noch mehr Ruhm als das?

Nein. Ich stand im Sommer vor einem Kinderfest auf der Landstraße und nach 13 Stunden Arbeit sah ich ihnen zu, dachte, dass ich die Kinderaufführung meiner Nichte versäumt hatte, die letzte in der Volksschule und weinte. Das alles war es nicht wert, nein, für kein Geld der Welt, für keinen Aufstieg, für keine fremde Sache. Ich kündigte aus dem goldenen Käfig, ja, der goldene Käfig, in den sich viele selbst einsperren, es Liebe nennen, Liebe zur Sache, Liebe zu einem Menschen, Liebe zum Geld. Schwachsinn. Die wahre Liebe spürt man im Herz, im Bauch, im ganzen Sein. Ich spürte das nicht, ich spürte nur meine Nichte. 

Bauen wir uns nicht häufig ein Scheinleben auf, eines, das doch "Ach, so toll ist" und sind ständig unzufrieden, es fehlt etwas, wir kommen nicht dahinter was und dann kommt plötzlich so ein Gefühl auf, ein seltsames, es blitzt eine Erinnerung auf, eine, die zum Lächeln bringt und daran erinnert, dass man irgendwann noch echtes Glück gespürt hat. 

Glück, über etwas, das man nicht kaufen kann, das einen überschwemmt hat. Wann hat man das letzte mal gesagt: "Das habe ich mir immer schon gewünscht?" 


Kinder wachsen so schnell, keine Sekunde, die man versäumt, kehrt wieder zurück. Ein versäumter Augenblick in der Liebe ebenso nicht. Das kann man alles mit Geld nicht kaufen. 

Der Mann saß zusammengesunken auf dem Schalensessel im Spital, ich kam heraus, strahlte, sagte: "Die Frau Professor hat mir erlaubt, Ihnen sagen zu dürfen, dass Ihre Frau über den Berg ist, sie kommt gleich und erzählt Details." Unbezahlbar das Gesicht dieses Mannes, unvergesslich. Die Tränen der Freude, diese feste Umarmung, die ich bekam, das ging tief. Er sagte: "Das ist der glücklichste Moment meines Lebens."

Das spürte ich auch und es wurde ein Teil meines Lebens, auch das junge fröhliche Mädchen, das sagte: "Warum sollte ich die letzten Wochen meines Lebens traurig sein, nur weil ich sterben muss?"



Erinnerungen sind das Wertvollste überhaupt, man sollte sie hegen und pflegen, liebevoll behandeln, sie sind ein Teil von uns. Und, die, die es können, sollten sie aufschreiben, damit sie nicht verloren gehen. 




Hinweis: Der Verfasser wünscht generell keine Kommentare von Verlo.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (01.01.24, 22:22)
Die Erinnerungen machen unser Leben aus - im Guten wie im Schlechten. Daß ich nicht der Meinung bin, diese Erinnerungen sollten uns gefangen halten, weißt Du. Das ist in diesem Text jedoch nicht das Thema. Es gibt in ihm eine Stelle, die eine Mahnung ist: die Erinnerung an etwas Versäumtes. Also die Szene mit Deiner Nichte.
Mit einem Gespür für das, was wichtig ist im eigenen Leben, sollte man sich immer dafür entscheiden, dies zu erleben, statt es für etwas anderes (Geld, Karriere etc.) zu versäumen.
Manche Chancen im Leben kommen nie wieder.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 02.01.24 um 06:15:
So ist es. Letztens unterbrach ich das Lernen, um mir ihre Preisverleihung anzusehen, sie war so glücklich, nahm mich bei der Hand, stellte mir alle Kinder vor, plapperte ohne Punkt und Komma. Reizend!

 Verlo antwortete darauf am 02.01.24 um 10:51:
Graeculus, eine Möglichkeit ist nur dann eine Chance, wenn man für die bereit ist.

Ansonsten ist dein Kommentar nur Angstmache.
Daniel (50)
(02.01.24, 02:01)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Mondscheinsonate schrieb daraufhin am 02.01.24 um 06:17:
Ich bin zuversichtlich, den Menschen ist schon furchtbar langweilig geworden.

 eiskimo (02.01.24, 02:23)
Ein wichtiger Appell, den Du da tätigst, denn es droht der Verlust der Schreibfähigkeit, was nach Deiner Interpretation auch der Verlust von Erinnerung wäre, von Bewusstsein überhaupt.
Frei nach Descartes: J´écris, donc je suis
LG
Eiskimo

 Mondscheinsonate äußerte darauf am 02.01.24 um 06:18:
Ja, der droht wahrlich, aber siehe mein Kommentar an Daniel, ich bin zuversichtlich.

 Verlo (02.01.24, 10:52)
Erinnerungen sind Vergangenheit.

Wenn sie das Wertvollste ist, dann kann man heute, jetzt in diesem Moment Schluß machen.

 Mondscheinsonate ergänzte dazu am 02.01.24 um 11:09:
Das Problem ist leider, dass du es nicht verstanden hast. Denk nochmals darüber nach und dann melde dich. Ergo, ganzen Text lesen und nicht nur einen Satz.

Antwort geändert am 02.01.2024 um 11:10 Uhr

 Verlo meinte dazu am 02.01.24 um 11:19:
Tut mir leid, Mondscheinsonate, aber du hast doch nicht erwartet, daß ich besser verstehe, nur weil ein neues Jahr angefangen hat.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 02.01.24 um 11:50:
Auch wahr.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram