Strich

Geschichte zum Thema Humor

von  tastifix

Sommertag, blauer Himmel, blitzender Sonnenschein, flirrende Hitze.
Wofür hatte eine Waschküche ihre Tür?
Damit einem die eigene Faulheit nicht andauernd vor Augen geführt werden konnte. Die geschlossene Tür dieses von Hausfrauen überaus geliebten Raumes bot die beste Ausrede der Welt. Denn: Sie ließ sich ja noch schließen. Daraus schloss man, die Arbeit hätte noch Zeit, und man selbst die Gelegenheit, außer Küche, Waschküche, Staubsauger und Besen vielleicht auch noch einmal etwas Anderes zu Gesicht zu bekommen. Zwecks Versorgung des Gehirnkastens mit frischer Luft und dann dadurch bedingter Erfrischung des Geistes. Den man dann auf´s Neue für die Bewältigung sämtlicher Haushaltsprobleme einsetzte. Andere Möglichkeiten, seine intellektuelle Flexibilität unter Beweis zu stellen, gab es doch sicherlich nicht, oder? Theater, Literaturveranstaltungen, Konzerte, Ausstellungen....was waaar daas??
Nicht daran zu denken. Als brave Hausfrau beschäftigte man sich doch gedanklich ausschließlich mit „Nachwuchs, Waschen, Bügeln(äätsch, taten die inzwischen selber, waren ja alle erwachsen!), Kochen(auch nicht mehr!) und Staubsaugen. Vor allem mit Letzterem. Ich kann Ihnen sagen: Eine besonders die Intelligenz fördernde und in noch größerem Maße fordernde Arbeit. So nach dem Motto: Wie verhinderte ich es am Besten, dass

1. ...alle paar Tage es so merkwürdig in dem Kasten klimperte, weil schon zum x-ten Male so niedliche kleine Büroklammern in dessen Bauch verschwunden waren...
2. ...sich sogar winzige Parfümfläschchen, Lippenstifte, und besonders gerne Tempos in eben demselben ein Stelldichein gaben...
3. ...und als Krönung des ganzen Kramladens sogar Kugelschreiber den gebogenen Weg durch den Schlauch antraten. Um dann mitten auf der Wegstrecke, da nicht willig, sich zu verbiegen, mit Wonne stecken zu bleiben!

Und dann der Hausfrau die Möglichkeit zu bieten, sowohl Intelligenz als auch Stärke zu beweisen. Indem sie nämlich verzweifelt stundenlang nach der pfiffigsten Methode fahndete, diese Dinger da wieder heraus zu pfriemeln. Als Indizien für ihren enormen Arbeitseifer in jener Angelegenheit traten sich rasch vermehrende Schweißtropfen auf die weibliche, ob der Anstrengung arg gefurchten Stirn, die eindrücklichst anzeigten: „Diese Frau hat das ihr zur Verfügung stehende geistige und körperliche Potential bis zur Erschöpfung genutzt.“
Diese Frau war sich einig (die nächststehende Umwelt hätte den Deubel getan, ihr da auch noch zuzustimmen!), nach dieser Spitzenleistung hätte sie es mehr als verdient, einen Ausflug nach draußen hinein in die goldene Einkaufsfreiheit zu unternehmen. Ihren Nerven eine Erholungspause zu gönnen und einfach nur zu geniessen, bester Laune den Rummel zu geniessen. Wie sie es sich fest vornahm. Um die Wahrheit beim Personalpronomen zu nennen: Wie ich es mir fest vornahm.

Also: Duschen, Haare waschen, mich frisieren, mich umkleiden.
Klingt doch schon ein wenig nach Erholung, oder? Pustekuchen. War im Gegensatz echter Stress. Zumindest das Umkleiden. Setzte Entscheidungen voraus. Äußerst schwerwiegende Entscheidungen. Unter Umständen quälende Entscheidungen. Sind Sie zufällig eine Frau? Oder, haben Sie eine? Wie auch immer: Bitte, bitte versetzen Sie sich,im Falle, Sie sind ein Mann, wenn auch nur für einige wenige Minuten(im Extremfall aber auch Stunden!) in ein solch zartes weibliches Wesen. In ein Wesen von nur 1,61m Höhe und 44 kg Fliegengewicht. Das bin ich. Mit der irre praktischen Kleidergröße 32/34. Nur Babykleidung bzw. Puppenkleidung war winziger! Doch dann erstaunlicherweise sogar zu winzig für mich, wie ich es mir auftrumpfend zugestand. Sämtliche Töchter trugen zwischen 36-40. Waren damit ausgesprochen gut bedient sowie höchst zufrieden. Die fanden immer etwas. Für sie ergaben sich keinerlei Schwierigkeiten, je nach Spendierlaune ihres Geldtäschchens nach Herzenslust die Geschäfte zu plündern. Am liebsten alle auf einmal. Zumindest am Monatsanfang. Zum Monatsende dann verwandelten sich deren „Wunschklamotten“ der Not gehorchend in eine Packung „tuc“ bei Aldi.
Ich dagegen kreuzte es jedes Mal im Kalender rot an, war ich wider Erwarten einmal fündig geworden. Da fielen dann Ostern und Weihnachten für mich auf ein- und denselben Tag. So, ich stand also vor meinem Kleiderschrank und entschied. Entschied mich erstaunlich fix. Ja, heute mal ganz in Schwarz-Weiß. Weiße sportliche Bluse, weiße, knallenge Cordhose mit weitem Schlag. Schwarzweißes Seidentuch, schwarzer Gürtel, schwarze Socken, schwarze Schuhe. Und natürlich eine schwarze Handtasche. Ich eilte vor den Spiegel, um mein Outfit zu überprüfen. Was ich sah, gefiel mir ausnehmend gut. „Mensch, für meine 53 Jahre eine super Figur. `Nen bisschen platt oben ´rum vielleicht, aber ansonsten...! Ich kann mich sehen lassen!“ Diese Erkenntnis half mir ganz ungemein dabei, die voraus gegangene Anstrengung der Kleiderwahl wegen innerhalb der nächsten Sekunde endgültig zu vergessen. Aber dann...Die Euphorie des Augenblicks verflog. Auf eine ganz gemeine Art und Weise. Wie das leider oft so ist. Denn bei dem letzten kritischen Blick in den Spiegel hatte ich mir zu meinem Leidwesen zum x-ten Male in meinem Leben einzugestehen, dass ich eine nicht abzuleugnende Ähnlichkeit mit dem berühmten ”Strich in der Landschaft” hatte. Der wäre höchstwahrscheinlich noch neidisch geworden! Doch, bevor mir das wohlmöglich noch meine gute Laune verdarb, verdrängte ich rasch diesen mehr als deprimierenden Gedanken. Ich griff mir meine Handtasche und zog los.
Meine Güte, war das heiß. Nein, ich warf meinen Vorsatz, in die Innenstadt zu fahren, direkt wieder über den Haufen. Das täte ich mir nicht an. Im benachbarten Stadtteil gab es auch Geschäfte. Sogar eine nette Boutique. Die würde ich heimsuchen.

Mit der S-Bahn waren es nur 2 Minuten. Schon stand ich in der Einkaufspassage. Erst zu Aldi, KD und dann...Boutique? Oder lieber erst in die Boutique und hinterher zu Aldi? Ich entschied mich für die erst geplante Route: Aldi, KD und rein in die Boutique: Röcke, Pullover, Hosen, Unterhosen...halt, stopp! Die gab es da ja gar nicht. Die gab´s augenblicklich bei Aldi im Sonderangebot!
Über mangelnden Rummel konnte ich mich auch nicht beklagen. Es war im Gegenteil trotz der Hitze proppevoll. Hatten die sich vielleicht alle gleich mir entschlossen, bei diesen Temperaturen die Innenstadt zu meiden, um sich besser hier auf  Aldi, KD und Boutique zu stürzen? Au fein, dann träfen wir uns ja dort sicher wieder. Ginge dann mit dem für mich mehr als ungünstigen Umstand einher, dass unter aller Garantie die paar Kleidungsstücke, die für mich überhaupt nur in Frage kämen, wahrscheinlich sich dann genau die Kundin vor mir gesichert hätte. Also war Beeilung angesagt, wollte ich nicht enttäuschten Blickes sowie gähnend leerer Einkaufstasche wieder nach Hause tigern. Sowie total frustriert. Und das dann bei diesem Wetter.
Den Pflichtbesuch der Geschäfte des kleinen Mannes bzw. der kleinen Frau brachte ich im 100 km-Tempo hinter mich. Immer mit dem Gedanken im Hinterstübchen, in garantiert genau jenen Minuten, die ich z.B. bei Aldi vergeudete, fänden sämtliche, für mich attraktiven Boutiqueartikel ihre neuen Besitzer. Ich hätte dann die Auswahl so ab Größe 44-46.
Also, nichts wie hin! Wonach sollte ich suchen? Was brauchte ich am Dringendsten? Ja, ich wünschte mir doch schon seit längerer Zeit eine zeitlos-schicke Jeans. Am liebsten in Nachtblau oder Schwarz. Direkt am Eingang spurtete mir eilfertig eine Verkäuferin entgegen. „So ungefähr mein Alter!“ Vermutete ich. Nach einem abschätzenden Blick auf ihre Kleidung entschied ich: „Eine Frau mit ähnlichem Geschmack.“ Von der könnte ich mich ohne Weiteres beraten lassen. Die drehte mir mit Sicherheit keine giftgrüne Hose an. „Kann ich Ihnen helfen?“ „Das wäre gut. Sie sehen ja mein Problem. Ich finde einfach nichts zum Anziehen. Alles zu groß.“ „Ja, sie sind aber auch schlank. Meine Güte, waren sie schon immer so dünn?“ Aus den Erfahrungen eines immerhin 53jährigen Lebens als Klappergestell lernt man. Bleibt einem auch gar nichts Anderes übrig, sollen die Nerven überleben. „Ich bin von Natur aus so schlank. Immer gewesen. Und ich futtere mich durch den Tag hindurch.“ Und fügte vorsichtshalber hastig hinzu: „Doch nichts setzt an!“ Vor allem des letzten Satzes wegen lobte ich mich insgeheim. Nein, das war taktisch mehr als klug gewesen. Mit „Magersucht“ oder so konnte sie mir auf diese Erklärung hin nicht kommen. Tat sie auch nicht. Schließlich vertrat sie Geschäftsinteressen und ging ums Verrecken nicht das Risiko ein, mit einer solchen Anmerkung wohlmöglich dann endgültig eine Kundin zu vergraulen. Stattdessen folgte ein fast ungläubiger Blick auf meine Beine, die sich zwar recht lang und gerade, aber im selben Maße dürr wie Bohnenstangen präsentierten. Aber, wie Verkäuferinnen, in diesem Falle Gott sei Dank, es so an sich haben, gab sie nicht auf, sondern durchforstete mit ernster, allerdings recht zweifelnder Miene die Regale, auf denen sich Höschen in sämtlichen Farben und auch Größen tummelten. In vielen Größen tummelten, nur –bedauerlicherweise nicht in meiner! Das alte Lied wie immer: Sämtliche Geschäfte barsten aus ihren Kleidernähten, doch ohne Mitleid mit mir Strichmännchen. Aber ja auch zu verstehen von den Geschäften. Schließlich sah ich aus wie Pinoccio, die sympathische, extra schlanke Holzpuppe aus dem Fernsehen.
„Hören Sie“, versuchte da meine nette Beraterin mich zu trösten, „haben sie schon einmal in den Kinderabteilungen geguckt? Die führen doch auch Markensachen, die sogar eine selbst für Erwachsene durchaus akzeptable Qualität haben.“ Bevor ich zu einer Antwort ansetzte,lief im Zeitraffertempo vor meinem inneren Auge folgender kuriose Kurzfilm ab: Mama in lila Stretchhose mit bunten Fransen unten dran, Glitzersteinchen (möglichst ebenfalls kirmesbunt draufgenäht!) quer über die Hosenbeine und dann als I-Tüpfelchen des Ganzen eine der entzückenden, Aussage kräftigen schwarzen Aufschriften. Wie z.B.: ”Kiss me, darling”. Und bei meiner Ankunft zu Hause später die vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen meiner Töchter. Die vage Befürchtung, denen könnten dann meines nicht so ganz vornehm-zurückhaltenden Modeauftrittes wegen jene aus dem Kopf und der geschockte Nachwuchs anschließend in Ohnmacht fallen, durfte ich gottlob sofort wieder ad acta legen. Wenigstens das bliebe mir erspart. Wenigstens mit solch verheerenden Folgen meines modischen Mutes wegen brauchte ich nicht zu rechnen. Teenageraugen brachten zwar so Manches fertig wie wütend zu blitzen, Kavaliere zu betören(manchmal auch den Papa, wenn man Kutschierfahrten zur Schule oder sonst wohin erhoffte; bzw. garantiert erst recht dann, ginge es um eine zusätzliche finanzielle Spritze). Jedoch hatte ich gegenteilig noch nie die Beobachtung von Teenagern gemacht, die beim  Anblick ihrer supermodern gekleideten Mama (Outfit wie eine Kirmespuppe!) geblendet oder im Extremfall sogar erblindet gewesen wären. Das passierte nicht. Dafür waren deren Augen zu viel des schreiend grellen Farbsalates gewohnt. Teenagerherzen verkrafteten das mit Leichtigkeit. Sie schützten sich vor dem andernfalls garantierten Herzinfarkt,in dem sie ihre Mutter einfach für Irrenhaus reif erklärten. Damit entledigten sie sich jeglicher Verantwortung. Die würden sich dort ja aufmerksamst um ihr entartetes Mamaexemplar kümmern.(s.Zwangsjacke, um weitere, ähnliche Einkaufsideen gleich zunichte zu machen!). Und geläutert kehrte dann Mama nach Hause zurück und kleidete sich in Zukunft nur noch in Sack und Asche.
Doch zurück ins Geschäft. Zurück zu der wirklich reizend um mich bemühten Verkäuferin und zurück zu mir bereits reichlich frustrierten Exemplar. Das dann auch seinem Gegenüber die absolut den Fakten entsprechende Auskunft gab: „Wissen sie, ich bin jetzt 53 Jahre. Ich kann doch nicht in Indianerklamotten ´rumrennen. Töchter 1-4 verleugnen mich!“ Grinste ich sie an. So ganz dumm war die nicht. Sie verstand sofort. Und dann...
War das wirklich eine Hose, die sie mir da entgegenhielt? Etwa sogar noch passend für mich Spargel?? Hm, dezent war die Farbe ja; schönes gedecktes Anthrazit. Doch dann sah ich es. Ich schluckte: Diese Hose hatte nicht nur Seitennähte, sondern auch vorne und hinten in der Mitte zusätzlich auch noch je eine Naht. Doch das war noch nicht alles. An den Knien sah die aus, als ob jemand stundenlang damit über den Teppich gekrochen wäre. Augenscheinlich, so hatte ich einzusehen, war weiß durchgerutscht modern. „Ist das denn nicht zu jugendlich?“ wagte ich schüchtern mit hochgezogenen Augenbrauen zu fragen. „Ich bin doch keine 17 Jahre mehr.“ Doch mein Gegenüber erwies sich als ausgesprochen schlagfertig: „Aber auch keine 70 Jahre. Und bei ihrer Figur. Sie können sich das doch erlauben.“
Der Mut der Verzweiflung und des Ich-bin´s-schon-wieder-leid-wie-dicke-Tinte gaben den Ausschlag. Mein Widerstand schmolz dahin. Ich erklärte mich zur strahlenden Freude meiner Beraterin bereit, zumindest die Gefahr eines Schockes in Kauf zu nehmen und samt Nahthose in der Umkleidekabine zu verschwinden. Mit zitternden Händen hielt ich das gute Stück vor mich hin und stieg hinein. Meine Güte, war die eng. Sollte die etwa sogar für mich zu knapp sein? Ich zog und zog. Die Beine waren drin, der Po auch. Die saß wirklich wie angegossen. Wie eine zweite Haut und sehr elegant. Trotz Durchrutschweiß! Je länger ich in den Spiegel sah, umso schicker fand ich mich. „Na?“ wurde ich gefragt. „Ja!“ Kam meine jubilierende Antwort. Meinem Gegenüber fiel sichtlich ein Stein vom Herzen. Uff, dieser Fall wäre gelöst. (Sie könnte davon ausgehen, diese Kundin käme wieder!). Überglücklich steckte ich meinen Einkauf in den blauen Nylonbeutel, bedankte mich bester Laune bei der in meinem Augen dann geflügelten Verkäuferin und wünschte noch einen angenehmen Nachmittag. In Hochstimmung wanderte ich durch die Einkaufspassage.

Nichts Böses ahnend.
Zum zweiten Male sollte mir diese Euphorie auf arg gemeine Art und Weise genommen werden. „Warum, oh Gott, lässt Du solche Fiesheiten zu?“ Doch anscheinend hatte der an jenem Nachmittag weder Interesse an einer dramatischen Auseinandersetzung mit der siebten Rippe seines geliebten Adams noch die dafür erforderlichen passenden Argumente parat. Er schwieg sich, typisch Typ „sturer Mann“, beharrlich aus. „Fiesheiten?“ Klang ja nicht gerade berauschend. Eher sogar ziemlich deprimierend. Und das war das denn auch, was mich in der nächsten Viertelstunde erwartete.
Noch(!) tummelte ich mich im 6.Kleiderhimmel und aalte mich in der offenkundigen Bewunderung der entgegen kommenden Fußgänger. Zu meinem Bedauern ließ es sich, natürlich nur der betriebsamen Enge wegen, für mich nicht umgehen, doch tatsächlich Gesprächsinhalte aufzuschnappen, die ich mir, da nicht so ganz ehrlich beschämt, dann hinter meine gespitzten Ohren schrieb: „Hast du die gesehen? Mensch, ist die chic?!“ Raunten sich zwei etwas ältere Frauen zu. Ich hätte ja gerne weggehört. Aber mein aufkommender Stolz hinderte mich beträchtlich daran. So vernahm ich auch noch das sich anschließende dicke Kompliment, dass sie, beinahe ehrfürchtigen Blickes zu mir, als Flugbegleiter für dann mich in den Himmel der Eitelkeit aufsteigen ließen: „Die hat eine Figuur. Wie ein junges Mädchen.“ Ich, jenes junge Mädchen, riss mich derweil mit hochrotem Kopf verzweifelt am Riemen, um nicht zu platzen. In diesem Moment nicht etwa aus Stolz, sondern vor unbändigem Lachen zu platzen. Wissen Sie: Es kommt immer darauf an, wer eine solche Bemerkung in den Raum stellt. Und diesbezüglich, ja diesbezüglich hätten auch Sie sich vor Lachen gekringelt. Das Gespräch zu ignorieren, hatte ich ja, muss ich zu meiner Schande gestehen, schon einfach nicht fertig gebracht. Aber erst den Anblick jener beiden Modekritikerinnen...Wissen Sie, um einen Rest Anstand zu bewahren, biss ich die Zähne aufeinander, dass die fast krachten, presste meine Lippen mit äußerster Anstrengung zusammen, damit ich bloß die Klappe hielt. Aber stierte, stierte und konnte das auch nicht verbergen. Hier die Beschreibung, damit auch Sie etwas davon haben: Also, eines stand fest: Mit Mode kannten die Zwei sich aus. So ein exzellenter Geschmack. Ob deren Outfit selbst einem doch eigentlich immer sehr gutmütigen Kleidercontainer gegen den Deckel gegangen war?? Jedenfalls staunte ich Bauklötze: Das nannte sich wahrlich Stil- und Farbempfinden pur!
Also, damit das Ganze einfacher wurde, gab ich den Beiden einen Namen. Das Weiblein mit grellgrünem Pullover plus pinkorange farbigen Noppen drauf nannte ich „Erna“. Das andere mit gelbem Pullover plus Kräuselkragen und Puffärmeln taufte ich „Emma“. Mein erster Eindruck: Die Zwei passten wunderbar zueinander, verstanden sich augenscheinlich ebenso wunderbar und brachten genau dies auch in der Optik zum Ausdruck. Genauso wunderbar! Es erübrigt sich, beide Figuren zu beschreiben. Hätte man sie wie Papierpüppchen aufeinander legen können, wären sie deckungsgleich gewesen. Bedeckten dann allerdings ein relativ breites Blatt. In der Höhe durfte das dann gerne der Breite entsprechen. Das wäre genau das richtige Format gewesen und hätte wunderbar deren Figur entsprochen. Figur? Die Bezeichnung war wohl als gnädiger Dank für das von ihnen erhaltene echte Kompliment zu werten. Denn ich sah keine Figur. Ich orientierte mich am Rockbund und Rocksaum, um die Orientierung nicht zu verlieren. Um mir sagen zu können: Ach da, da ist die Taille(wieso hab´ich die nicht gleich gesehen?). Und mich loben zu können, weil ich tatsächlich doch auch entdeckt hatte, wo die Beine anfingen und mit viel Glück unter Umständen die Knie zu finden waren. Der Kandidat hatte 100 Punkte. Der Preis lohnte sich, war die Erkenntnis, ja doch ein wenig anders auszusehen. Ja, eigentlich sprach ich mir das Recht zu, mich als ein ziemlich krasses Gegenstück zu betrachten. Und das hob mein Selbstwertgefühl noch zusätzlich ganz beachtlich. Jetzt platzte ich tatsächlich fast vor Stolz.
Aber die Beschreibung der restlichen Kleidung erspare ich Ihnen nicht. Das nähmen Sie mir spätestens, nachdem Sie die folgenden Schilderungen gelesen hätten, gewaltig übel. Da Ihnen so viel entgangen wäre. Und das verträgt des Menschen Neugier` nicht.
Also: Die entzückenden Pullover in Grellgrün und Knatschgelb allein hinterließen ja schon einen nachhaltigen Eindruck, verliehen sowohl Erna als auch Emma so richtig jugendlichen Elan. Um diesen Schwung nach Kräften noch zu unterstreichen, trugen sie alle beide Ringelsöckchen. Ja, Sie haben richtig gelesen. Diese Dinger aus dem 1.Schuljahr in möglichst poppigen Kontrastfarben. Sollte ja lustig aussehen. Sah auch hier lustig aus. Soo lustig, dass ich mir vor Lachen beinahe in die Hose machte. Immerhin gaben sich die Röckchen ein wenig dezenter. Stellen Sie sich mal vor: Die hatten noch nicht einmal Kringel oder Riesenblüten. Doch, damit sie nicht noch vor den Pullovern Komplexe kriegten, hatte man ihnen eine extra ausdrucksstarke Farbe verpasst. Emma trug es in schreiendem Lachs, Erna liebte ganz offensichtlich neongrün. Keine Bange, Sie haben es gleich hinter sich und können sich von dieser Kirmesveranstaltung erholen. Es fehlten nämlich nur noch die Schuhe. ”Ah”, sagen sie jetzt wahrscheinlich und atmen auf. ”Noch schlimmer kann es ja jetzt wohl kaum mehr werden”. Die(!) Hoffnung muss ich Ihnen leider nehmen. Die Schuhe waren nämlich das berühmte I-Tüpfelchen des Ganzen!
Turnschuhe. Na und? Trugen doch heute Viele zu Röcken. Ja, ja, schon, aber meist als jüngere Semester bzw. mit anderen Beinen. Diese vier Exemplare da vor meinen Augen erinnerten sehr ausdrücklich an Rohre, genauer gesagt, an Ofenrohre. Ausdrücklich möchte ich an dieser Stelle betonen, dass ich niemals über die naturgegebene Statur eines Menschen herzöge. Das bedeutete eine absolute Dreistigkeit. Nein, aber was mir dann keinesfalls als Unverschämtheit angerechnet werden konnte, war, dass ich mich über diese unvorstellbar geschmacklose Verkleidung köstlich amüsierte. Die zugehörigen Schühchen waren selbstverständlich nicht etwa weiß oder schwarz, sondern leuchteten in grellen Regenbogenfarben mit der Sonne um die Wette. Und in den Schühchen baumelten viel zu lange Schnürsenkel, die dann, damit man bloß nicht fiele, nicht allein eine Schleife, sondern zwei Schleifchen trugen. Und die auch noch über Kreuz gebunden. Hätte ich doch meine Kamera dabei gehabt. Mit dem Bild hätte ich garantiert den ersten Preis in einem Fotowettbewerb gewonnen.
So, nach dieser langen, Detail getreuen Schilderung verstehen Sie bestimmt, weshalb ich meine Lippen so zusammen presste, um ja mein da sonst garantiert relativ loses Mundwerk zu halten. Hätte ich auf diesen nachmittäglichen Ausflug verzichtet...was wäre mir alles entgangen.
Nein, Sie haben gefälligst Durchhaltevermögen zu beweisen. Ich bin noch lange nicht am Ende. Denn ich will Ihnen doch noch berichten, wie ich aus dem 6. Kleiderhimmel so nach und nach in die 6. Figurhölle runter plumpste. Das ist gar nicht schwer und geht fixer, als man denkt.
Gutgelaunt und immer noch grinsend verließ ich den Ort dieser Karnevalsveranstaltung mit der Absicht, meine Bummelei noch ein bisschen auszudehnen. Wenn schon, dann auch lange, länger, am längsten...
Nach dem Erlebnis mit „Tantchens“ genoss ich  mein Konterfei in den Schaufenstern doppelt. Im Grunde genommen dürfte ich ruhig mal` etwas eingebildet durch die Gegend marschieren, sagte ich mir. Schließlich kannte ich viele Frauen, die mich um meine Figur beneideten.
Tja, ich war so etwa 5 Minuten gelaufen. Da tippte mir jemand auf die Schulter: „Ach, das gibt es ja gar nicht! Nach der langen Zeit. Wie geht es Ihnen denn?“ Als ich mich von der ersten Überraschung erholt hatte, teilte ich die Freude meines weiblichen Gegenübers. Eine ehemalige Nachbarin, die schon vor –zig Monaten in einen anderen Stadtteil gezogen war. „Hm“, dachte ich, „die ist auch älter geworden!“ Wir quatschten und quatschten. Und kauten die üblichen Themen wie „Nachwuchs“ und „ehemalige, gemeinsame Nachbarn“ durch. Plötzlich hielt sie inne, sah mir prüfend-besorgten Blickes ins Gesicht: „Sagen sie mal, Frau Schumacher, sind sie eigentlich noch dünner geworden? Waren sie krank??“ Richtig herzlich fragte sie das. Keinesfalls gehässig; nicht etwa mit dem Nachklang „Äätsch!“. Nein, völlig normal. Wie man sich eben nach der Gesundheit eines einem sympathischen Menschen erkundigt. „Nein, eigentlich nicht“, entgegnete ich, da doch ein wenig verunsichert.(Sah ich vielleicht der langen Einkaufsbummelei wegen so groggy aus, dass die das deswegen meinte?). „Nein, ich habe ziemlich aufregende Wochen hinter mir. Vielleicht sehe ich deshalb ein wenig blass aus.(´Blass`, hihi, war eine dicke Lüge. Hatte mich von wegen „Stadttrip“ stattdessen gut geschminkt!). „Ach so“, kam die schon erwartete Antwort meines Gegenübers, „ja, das kann dann ganz schön mitnehmen, nicht?“ In der Hoffnung, es käme keine tiefer nachbohrende Frage, stimmte ich eiligst zu. Gottlob hatte sie noch einen Termin wahrzunehmen. So verabschiedeten wir uns herzlich von einander, und jeder ging seiner Wege. Gefreut, sie wieder zu sehen, hatte ich mich trotzdem. Und außerdem, es stimmte ja. Ich war ja nun wirklich extrem dünn. 1,61m und 44 kg. Kein Wunder, dass so viele Leute mich darauf ansprachen. Mittlerweile spulte ich dann meinen zwischenzeitlich auswendig gelernten Text fließend ab. Die Verantwortung, für schlaflose Nächte all dieser um mein Wohl bemühten Mitmenschen verantwortlich zu werden, wollte ich nicht auf mich nehmen.
Nicht, dass Sie denken, endlich ist die fertig. Nein, Sie brauchen bitte noch etwas Geduld. Jetzt wurde es nämlich spannend. Denn ich traf Nachbarin Nr.2, die ich ebenfalls schon lange nicht mehr gesprochen hatte: „Ja hallo, wie geht´s Ihnen denn? Und den Kindern??“ Gott sei Dank, sie hatte ihrer sehr sensiblen Veranlagung entsprechend das gefährliche Thema umschifft. Ooder?? „Mein Gott, Frau Schumacher, was sehen sie schlecht aus. Waren sie krank?? Ich würde an Ihrer Stelle mal´ zusätzlich Multivitamintabletten nehmen. Das baut auf. Essen sie denn auch tüchtig?“ O je, ich hatte es ja kommen sehen. Von wegen, der Kelch wäre an mir vorüber gegangen. Der hatte es sich anders überlegt. Kam in prall gefülltem Zustand zu mir zurück. Einmal tief Luft geholt, dann hub ich an: „Machen sie sich keine Sorgen. Ich bin nicht krank, ich habe auch nichts an der Schilddrüse, ich bin ganz gesund!!“ Das erklärte ich ihr in einem sehr freundlichen Ton. Aber genauso nachdrücklich. Ob damit der Fürsorgefimmel gestoppt wäre?? Manchmal winkte auch Leuten wie mir das Glück. Erleichterung machte sich auf ihrem Gesicht breit. Sie war´s zufrieden, und wir gingen rasch zum nächsten Thema über.
Gerettet!
Zu früh gefreut! Wie Sie natürlich aus eigener Erfahrung wissen, gibt es bei solchen Treffen mehr als genug Gesprächsstoff. Völlig in die unbedingt als äußerst interessante, da höchst informativ zu wertende Unterhaltung vertieft, war das Getümmel um mich vergessen. Dememtsprechend heftig erschrak ich, als ich unerwartet angesprochen wurde. Von einer sympathischen weiblichen Stimme, die, wie ich dann bei einem Blick über die Schulter feststellte, zu einer ausgesprochen intelligent wirkenden alten Dame gehörte, die mit einem Schiebewägelchen unterwegs war. „Entschuldigen sie, dass ich sie anspreche“, begann sie verlegen, „aber das muss ich ihnen einfach sagen...“Erstaunlich schnell aber wich dann deren Verlegenheit. Allzu echt konnte die demnach nicht gewesen sein. Relativ forsch  folgte nämlich die Eröffnung, was sie mir eigentlich so unbedingt mitzuteilen hätte. Strahlend schaute sie mich an:“ Also, wirklich! Das sieht man selten. Von hinten haben sie eine Figur wie ein junges Mädchen!“ Halt, stopp! Irgendwie kam mir dieser Satz verdächtig bekannt vor. Ach ja, hatte ich den nicht heute schon einmal zu hören bekommen? Bitte heute, falls es sich so eben nur umgehen ließe, nicht noch ein zweites solch besorgtes Gesicht. Ich hub an zu einer beeindruckenden, rhetorisch blendend formulierten Rede. Als Ritterrüstung gedacht gegen den sonst garantiert fälligen Mitleidsanfall plus der von mir mittlerweile heißgeliebten Antispargeltherapievorschläge. Hastig, damit mein Gegenüber mir nicht zuvor kommen sollte, begann ich: „Das ist aber nett von Ihnen. Dankeschön.“ Die alte Dame fand anscheinend meine Reaktion auch nett, wurde selbst in Folge dann noch netter. “Mein Gott. Wie machen sie das bloß?“ Ich hatte es ja vorher gesehen. Da war sie schon, die bekannte fürsorgliche Miene. „Sind sie...?“ Nicht schon wieder. Ich fiel ihr ins Wort: „Nein, ich bin von Geburt an so schlank. Ich bin nicht krank. Ich habe nichts an der Schilddrüse. Ich bin auch nicht magersüchtig. Ich futtere mich durch den ganzen Tag hindurch(Vielleicht sollte ich sicherheitshalber zusätzliche Details anbringen, um glaubwürdiger zu klingen??).“ „Einfach unglaublich. So schlank...!!!“ In Erwartung der Fürsorgestufe 2 holte ich kurz Luft und vervollständigte meine Auskünfte mit dem zweiten Teil meines zwischenzeitlich auswendig gelernten Textes: „Es setzt einfach nichts an. Wissen sie, ich habe vier Kinder, drei Hunde großgezogen und ein Haus versorgt.“ „Waaaas?? Und soo eine Figur?? Da kann man sie aber nur beneiden!“ Ich atmete auf. Leider ein wenig zu früh. Denn jetzt kam doch noch der Klops, auf den ich bangen Herzens die ganze Zeit gewartet hatte. Wie ich es aus vieljähriger Erfahrung wusste: Es wäre ein wahres Wunder gewesen, verliefe ein für mich dermaßen heikles Gespräch einfach so harmlos im Sande.
Sie hatte sich schon schwerfälligen Schrittes ein paar Meter von mir entfernt, wollte sich augenscheinlich dezent zurückziehen. Allerdings interpretiert wohl jeder Mensch das Wörtchen „dezent“ auf seine Weise und ein bisschen anders. Wiiee anders...das wurde mir in der nächsten Minute idiotensicher vor Augen geführt:
Sie drehte sich noch einmal kurz zu mir um, als ob sie etwas Wichtiges vergessen hätte. Mag sein, dass das, was dann kam, für sie eine immense Bedeutung hatte: „Ja, wirklich eine tolle Figur. Aber, saagen sie mal...Die fasste sich doch tatsächlich in dem Moment von unten an ihren Busen, als ob sie sich vergewissern wollte, ob er noch dran wäre. Und meinte dann andauernd herzlich lächelnd mit äußerst fürsorglicher Stimme zu mir: „Aber, sehen sie, da ein bisschen mehr, wäre schon schön, nicht??“ Sie glauben ja gar nicht, wie dankbar ich diesem wunderbaren Beispiel an Taktgefühl in jener Minute war, dass sie mich dieser doch schwer wiegenden Überlegung auf dermaßen dezente Art und Weise enthoben hatte. Fast war ich versucht, deren besorgte Tastprobe ebenfalls durchzuführen. Doch ich unterließ es lieber. Da war nämlich nichts, was ich hätte festhalten können. Bh´s hätten Frustgefühle bekommen. Da ich ein mitfühlender Mensch bin, ließ ich sie weg. Die(!) Verantwortung übernähme ich nicht.
Die Episode mit jener reizenden Dame baute mich enorm auf. Die ganze Hochstimmung war zum Teufel. Ich marschierte beschleunigten Schrittes laut vor mich hin meckernd gegen Heimat. Dort wenigstens erwartete mich Ruhe. Keine ehemaligen Nachbarinnen und erst recht keine solch liebenswerte, alte Dame.
Gleich würden mich meine beiden Hunde, Matochen und Quinnylein, überschwänglich begrüßen. Wie ich mich darauf schon freute. Erneut bester Laune erreichte ich mein Haus. Ja, wie erwartet drehten meine Vierbeiner beinahe durch vor Freude. Frauchen war immerhin fast 2½ Stunden außer Reichweite gewesen. Und ich hatte gemeinerweise vor meinem Abmarsch wohlweißlich beide Küchentüren fest verschlossen, so dass sie sich die Langeweile noch nicht einmal mit dem kleinen Bio-Eimer hinter der einen Tür hatten vertreiben können. So freuten sie sich dann doppelt, dass ich endlich zurück war.
Selig knuddelte ich die Zwei ab. Mein Ärger ob des Krankenschwestersyndroms der weiblichen Hälfte der Menschheit da draußen war verflogen.
Aber dann...nach etwa fünfminütiger Schmusearbeit, passierte es. Natürlich, wie hätte des auch anders sein können, gab mein Pfiffikus Quinnylein den Anlass zu dem dann nicht unerheblichen, plötzlichen Stimmungstief seines Frauchens. Er unterbrach doch tatsächlich die „Vollwäsche am laufenden Band“, guckte mir mit seinen riesigen Kulleraugen ganz lieb-besorgt in die Augen, drehte sich dann zu seinem großen Freund um und signalisierte ihm per alamierenden Blickes: „Du, Mato, ich glaub`, wir sollten dringend einen Arzt rufen. Guck mal, wie unser Frauchen aussieht!“ Mato verstand sofort. Innerhalb einer Sekunde standen meine vierbeinigen Lieblinge in Krankenpflegerpose vor mir. Verfolgten mit Argusaugen auch jede noch so geringste Bewegung meinerseits, um schnellstens mir zur Seite springen zu können, sollte ich unerwartet erschöpft umkippen. Nein, das hielt ich nicht mehr länger aus. War denn die ganze Welt, sogar auch die vierbeinige, total durchgedreht? Vorbei an meinen erschrocken starrenden Hunden flitzte ich in die Küche, knallte die Türe hinter mir zu, öffnete ein wenig unsanft die Terrassentüre, warf sie hinter mir wieder zu und verschwand im Garten. Wie schön, dass es immer noch herrliches Wetter war. Hier fühlte ich mich sicher, vor jeglicher weiteren pseudo-ärztlichen Kontrolle geschützt. „Puuh!“ Aufatmend ließ ich mich in den nächststehenden Stuhl plumpsen und schloss ermattet die Augen. Genoss den Frieden um mich her und lauschte dem Gesang der Vögelchen.
Meine Erholungspause dauerte genau zwei Minuten. Zwei Minuten, in denen ich kurz davor stand, in Tagträumen der grausamen Wirklichkeit zu entfliehen. Leider...nur kurz davor. Es war mir nicht vergönnt. Wieso denn das? Ich wäre doch allein im Garten?? Na, hören Sie einmal. So ein Garten war ja kein leeres Gelände. Nein, da standen Bäume, denen leisteten Wiesenblümchen Gesellschaft und normalerweise jede Menge Gras. Lauter hübsche, schlanke Grashalme, die sich munter im leichten Winde wiegten. Auch super schlanke Grashalme. Und ganz super schlanke Grashalme. Mit ganz dollem Selbstwertgefühl. Zwei von ihnen mussten ihr Gefühl des Entsetzens einfach in Worte kleiden, konnten sich bei meinem Anblick dessen nicht mehr bezähmen: „Du, guck einmal!“ Raschelte der Eine dem Anderen leise zu. „Dieses arme Menschlein. Das ist ja fast noch dünner als wir. Stell Dir vor, es kommt ein etwas stärkerer Windhauch. Der pustet das doch glatt um!!“
Ich hätte doch(!) Ohropax nehmen sollen! Mit der letzten Energie der Verzweiflung fuhr ich wie von der Tarantel gestochen vom Gartenstuhl hoch, würdigte meine schöne Wiese keines einzigen kurzen Blickes mehr, rannte wütend in die Küche, schlug die Terrassentür dann deutlich unsanfter zu, raste nach oben in mein Zimmer und verkroch mich heulend im Bett. Doch selbst da blieb ich nicht lange alleine. Ich hörte von der Tür her ein vorsichtiges, leises Trippeln. Im nächsten Moment schon hopste etwas Wuscheliges auf mein Bett. Quinnylein! Frauchen hatte offensichtlich Kummer. Aktion ”Trösten” war angesagt. Vielleicht tat dem auch sein Krankenpflegerauftritt schon leid? Er kringelte sich an meinem Bauch zusammen wie ein kleiner Fuchs, leckte mir die Hand und sein inniger Dackelblick sprach Bände: ”Ach, Frauchen, ist das schön, dass du nur ein Strich bist. Umso mehr Platz hab` hier ich!!“
Ob Sie´s es glauben oder nicht: So lieb wie in jenem Augenblick hatte ich meinen Hund selten zuvor!!
 
                                                                                                  Gaby Schumacher, 30 Juli 04

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Kommentare zu diesem Text

Tara (43)
(31.07.04)
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 tastifix meinte dazu am 31.07.04:
Liebe Tara!

Vielen, vielen Dank für die tolle Bewertung!!!
Tja, dann weisst Du ja, wovon ich rede.Übrigens habe ich nicht einmal übertrieben. Ich trage wirklich stets eine solche Ansprache im Hinterstübchen bei mir. Für alle Fälle...!(Grins!).

LG
Gaby
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