Papierschiffchen

Kurzprosa zum Thema Begegnung

von  Traumreisende

Ich frage mich wohin sie gegangen sind, diese Momente der Sehnsucht denen wir Namen gaben, lagen sie doch ausserhalb der Zeit, oder dessen was wir als solche bezeichnen.
Es war wie das Spiel von Kindern, unser Eifer immer schönere oder witzigere Bezeichnungen zu erfinden. An keine davon kann ich mich erinnern. Weg! Dabei lagen sie doch in unserem schlichten Wortgebrauch. Sie waren einfach und doch so, als würde man nie darauf kommen, mit dem Blick der Erfahrenen.
Es ist, als wäre mit dem Verlust der Sehnsucht auch die Fantasie verloren gegangen, oder die Möglichkeit Kind zu sein. Vielleicht liegt es auch nur daran, dass wir uns so verdammt ernst und sachlich fühlen.

Sie bauten kleine Papierschiffchen
und ließen sie im Rinnsal
der schmutzigen Kopfsteinstraße schwimmen


Weißt du noch, wie wir am Strand immer abwechselnd versuchten in den Fußabdrücken des anderen zu laufen. Bei dir sah es so tänzelnd aus, du in meinen winzigen Schritten und ich war atemlos in deinen Spuren. Es war mehr als dieses Einanderfolgen, es war so etwas, wie den anderen erfühlen. Jetzt halten wir nicht mehr Schritt, auch nebeneinander nicht. Irgendwie ist uns der Rhythmus abhanden gekommen.

Manchmal bespitzten sie das kleine Papierboot des anderen
damit es langsamer als das eigene wurde
doch nur ein bisschen
damit die blaue Tinte nicht zerlief
und mit ihr die Nachrichten
füreinander



Und damals in der Galerie, in diesem großen hellen weiten Raum, als wir, jeder von einer anderen Ecke mit geschlossenen Augen aufeinander zutasteten, die Arme weit vorgestreckt, damit auch ein jeder sieht wie wir findend sind. Wir waren stolz darauf. Inmitten derer, die sich so unverständlich tief über die Gemälde unterhielten, waren wir einander das schönste Bild. Im Zentrum der Farben schmeckten unsere Küsse wie eine ganze Welt. Heute überlegen wir sachlich, ob man überhaupt eine Welt schmecken kann.
Das Finden mit diesem so offenen Blick entfernt uns immer weiter.

Und in jedem Schiffchen war ein Blatt versteckt
wie ein Zeichen
nur sie wussten davon
es war nur wichtig
dass es beim anderen ankam
wichtiger als die Worte


Ich suche sie, diese Momente, du suchst sie. Wir strecken die Hände vor, schließen die Augen und werden finden, einander, wie in dieser Galerie, damals wie heute.
Und wenn es regnet, lass uns Schiffchen bauen, ohne Nachrichten. Das Falten wird es sein, dass uns wieder Schritt halten lässt.


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Kommentare zu diesem Text

steinkreistänzerin (46)
(19.07.07)
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 Traumreisende meinte dazu am 05.08.07:
he du liebe
tut unglaublich gut, das zu lesen!
wenn worte so ankommen können, dann müssen sie kraft haben und auch solche geben können, welch wunderwerk der buchstaben

danke auch für den hinweis!!! ich schlumpi

liebe grüße
silvi

 franky (19.07.07)
Oh du liebe,
Wie oft habe ich mit meinen und auch anderen kindern Papierschiffchen und Papierflieger und Papierrosen gebastelt... Es entstand aus der Not, weil ich nicht zeichnen konnte. Aber alle die ich nach Jahren wieder draf, fragten mich: Kannst du dich noch erinnern???
Oh ja! Ich kann mich noch erinnern, ich kann auch heute noch Schiffchen und Hütchen falten. Baue sofort einen Papierflieger und lasse ihn mit dem Sturm zu dir nach Berlin tragen.
Dein Gedicht hat mir seh sehr gut gefallen und mich an schöne Zeiten erinnert;;;
Liebe Abendgrüsse
von
Franky:-)
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