Ein Verkannter

Sonett zum Thema Ruhm

von  EkkehartMittelberg

Dieser Text ist Teil der Serie  Sonette auf berühmte Dichter und Philosophen
Wer konnte leicht die Satzgewölbe bauen,
dass ihre Pfeiler bis zum Ende trugen,
wie dieser Meister großer Syntaxfugen,
um in die Seelengründe tief zu schauen.

Sein „Adam“ brachte Weimar nicht zum Lachen,
und auch den Dramen war Erfolg verwehrt.
So blieb er ruhmbegierig ungeehrt,
allein das „Käthchen“ konnte Lob entfachen.

Beruflich sollte wenig ihm gelingen,
und Deutschlands Bühnen blieben ihm verschlossen,
er suchte zwar, im Goethe-Chor zu singen.

Wie inszeniert hat er sich jäh erschossen,
der Ruhm trug ihn, post mortem, auf den Schwingen,   
sein Name bleibt auf Dauer eingegossen.

© Ekkehart Mittelberg, Juli 2012

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Kommentare zu diesem Text


 loslosch (19.07.12)
ovid schrieb schon: fama post cineres maior venit. nach dem tod wächst der ruhm.

hier aber sehr überraschend. heute würde man fragen, welche persönlichkeitsstörung er denn hatte. ich vermute, nur ein zipfelchen halt hätte ihm ein langes leben gewährt. so aber hatte er sich in einen quasi doppel-suizid verrannt. t.t. lo

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.07.12:
Weder die Klassiker noch die Romantiker konnten den Unangepassten für sich vereinnahmen. Das hat seinen Ruhm wohl zunächst verzögert, später aber befördert, weil man in ihm einen Vorläufer moderner Strömungen sah.
Vielleicht hätte Goethe, der sich aber durch sein Menschenbild überfordert sah, das durch die Schilderung ungehemmter Leidenschaften klassische Maßstäbe sprengte, ihm das Zipfelchen Halt geben können..
Ich finde deinen kommentar besonders anregend, Lothar. Vielen Dank.
Ekki

 Jorge (19.07.12)
Eine würdige Hommage an Heinrich von Kleist.

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 19.07.12:
Ich danke dir für die Anerkennung, Jorge.
LG
Ekki
AronManfeld (43)
(19.07.12)
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 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 19.07.12:
Danke, Aron. Seine größten unbestrittenen Leistungen hat er als Autor von Novellen erbracht. Diese sehe ich neben der Lyrik und seinen Dramen als ein drittes Feld.
Kaffee schläfert die einen ein, die anderen hält er wach.
LG
Ekki
magenta (65)
(19.07.12)
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 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 19.07.12:
Vielen Dank, Heidrun. An Kleists Prosa habe ich bisher die Ausgewogenheit der langen Satzkonstruktionen und ihre gedankliche Klarheit bewundert. Wenn man aber ihren Wohlklang und die Einfühlsamkeit in seine Charaktere betrachtet, dann hat sie auch ihre lyrische Komponente.
Ich danke dir besonders für den Hinweis auf den Roman von Christa Wolf, der der Verlorenheit Kleists gerecht wird.
Herzliche Grüße
Ekki

 Bergmann (19.07.12)
Ja, da haben sich die Groß-Autoren, das Weimarer Paar, total verschätzt, und der Geheimrat hat eine so üble Inszenierung hingelegt (das Stück an zwei Abenden gegeben, wenn ich mich recht erinnere), dass man sich fragen muss, ob der Göttliche, der selbst keine vergleichbare Komödie geschrieben hat, überhaupt den tieferen Sinn erkannt hat, also Ödipos und Erkenntnis-Entsetzen. - Ein schönes Gedicht, mein Lieber, ein Sonett sogar! Herzlichst: Uli

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 19.07.12:
Uli, du deutest an, dass neben Goethe auch Schiller Kleist mit mangelndem Verständnis begegnete. Schließt du das aus der Tatsache, dass er Kleist trotz der lieblosen Inszenierung des „Zerbrochenen Krugs“ durch Goethe nicht verteidigte oder gibt es direkte Äußerungen Schillers über Kleist?
Was Goethe angeht, bin ich mir sicher, dass der Olympier in dem Autor der entfesselten Penthesilea, in dem Verfasser ungeschönter Grausamkeiten sein klassisches Ideal der maßvoll schönen Seele gefährdet sah.
Vielen Dank für dein Kompliment
Herzliche Grüße
Ekki

 Bergmann meinte dazu am 19.07.12:
Schiller hat Kleists Prosa nicht zu würdigen vermocht und hinsichtlich einer Veröffentlichung hingehalten. Kleist steht eben mit seiner Sprache und seinen gebrochenen Gestalten mit einem Bein schon in der Moderne, einem Büchner fast schon nah, während Schillers poetische Prosa - naja, Schwamm drüber, und Schillers Ideendramen weit weg sind von KLeist, und Kleist schrieb keine Kantianische Poesie ...
LG, Uli

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.07.12:
Danke, Uli, in diesem Falle war mir Schillers Rolle unbekannt.
Graeculus (69) meinte dazu am 28.04.17:
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 TassoTuwas (19.07.12)
Hallo Ekki, du hast was erreicht. Nun werde ich mich doch mit ihm beschäftigen. Liebe Grüße TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.07.12:
Lieber Tasso,
wenn du von Kleist geistreich unterhalten werden möchtest, empfehle ich dir "Die Marquise von O.", die, ohne ihr Wissen schwanger geworden, durch ein Zeitungsinserat den Vater ihres Kindes sucht.
Danke und liebe Grüße
Ekki

 moonlighting (19.07.12)
Innerlich zerrissen „ Kantkrise“ blieb ihm nur der Selbstmord.

LG
Moonlight

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.07.12:
Vielen Dank, Moonlight, ja, er war innerlich zerrissen. Deshalb ist ihm auch die Schilderung komplexer Charaktere wie "Michael Kohlhaas" so gut gelungen.
Aber die jüngere Kleist-Forschung sieht in der Kantkrise (dem Unvermögen, die Wahrheit zu erkennen) nicht mehr den entscheidenden Auslöser für seine Zerrissenheit. Er hatte schon vor der Kantkrise von den Wissenschaften "die Nase voll". Da Kleist nach seinem eigenen Eingeständnis auf Ruhm versessen war, glaube ich eher, dass ihn mangelnde Anerkennung, die durch berufliche Misserfolge verschärft wurde, verzweifeln ließ.
LG
Ekki
Gruszka (62)
(19.07.12)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.07.12:
Liebe Irene,
am Morgen seines Todes schreibt Kleist an seine Schwester Ulrike von "Freude und unaussprechlicher Heiterkeit."
Vielleicht hat er am Ende seines Lebens gewusst, dass die Nachwelt ihm huldigen würde.
Vielen Dank und herzliche Grüße
Ekki

 irakulani (19.07.12)
Im letzten Jahr hatte ich das Vergnügen, den Prinz von Homburg im Theater zu sehen.
Dieses Stück, wie auch „Michael Kohlhaas“ spiegeln etwas von der Leidenschaft wieder, zu der Kleist fähig war. Wovon er träumte und die Realität klafften weit auseinander. Tragisch, dass er keinen anderen Ausweg sah, als den Suizid gemeinsam mit seiner schwerkranken Freundin Henriette Vogel.
Umso mehr freut es mich, lieber Ekki, dass du ihn uns Erinnerung bringst durch deine Zeilen!

L.G.
Ira

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.07.12:
Liebe Ira,
was war in Kleists Leben und Werk Traum und was war Realität.
Jüngere Biografen räumen ein, dass ihr Wissen über ihn diesbezüglich sehr lückenhaft ist. Aber gerade das macht Kleist so interessant:
Kleist, was denn sonst?
Zwei neue Biografien und ein Sammelband widmen sich Kants "dunklem Zwillingsbruder"
Von Anton Philipp Knittel.(Literaturkritik.de Nr.12, Dezember 2007.)
Vielen Dank für den wichtigen Aspekt "Kleist als Träumer".
LG
Ekki

 ViktorVanHynthersin (19.07.12)
Hätte Kleist zu seiner Zeit die entsprechende Anerkennung bekommen, wären wahrscheinlich noch größere/bessere Werke entstanden und die Herren Goethe und Co. hätten sich auf der Ruhmestreppe etwas tiefer platzieren müssen. Vielleicht hat Goethe das geahnt und deshalb "gemauert". Wie auch immer, mir gefällt Deine Hommage an den Verkannten, lieber Ekkehart. Sie regt u. a. zum Grübeln an.
Herzliche Grüße
Viktor

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.07.12:
Lieber Viktor,
Vielen Dank für deinen Kommentar.
Ich teile deine Vermutung, bin mir aber nicht sicher, ob Goethe gegenüber Kleist bewusst "gemauert" hat. Tatsache ist, dass Kleist ihm fremd war. Die folgende Zusammenfassung macht verständlich, warum:

"Kleists antike Mythenwelt der Penthesilea ist - anders als bei Goethe - "weit entfernt davon, etwas Vorbildliches und Musterhaftes zu sein"29. In ihr existieren vor allem List, Machtstreben, Kampfeswut, Grausamkeit, kulturelle Ödnis und starres Denken bei Amazonen und Griechen. Die appolinische Betrachtung der Welt der Griechen blieb Kleist letztlich fremd. Griechenland war ihm kein Idealraum der Menschlichkeit, weil es für Kleist solche Idealräume nirgendwo gab. Während Goethe mit Winckelmanns Antike-Ideal innerlich verwachsen war, blieb die griechische Mythenwelt für Kleist nur ein dionysischer Spielraum unter vielen.

Bei dieser Konstellation verwundert es nicht, wenn Goethe nach dem Eintreffen des "Phöbus" auf Kleists Stück vorsichtig distanziert reagierte: "Mit der Penthesilea kann ich mich noch nicht befreunden. Sie ist aus einem so wunderbaren Geschlecht und bewegt sich in einer so fremden Region daß ich mir Zeit nehmen muß mich in beide zu finden"30

Zu weit waren die beiden Kunstkonzepte voneinander entfernt. Über das Kunstziel von Goethe wurde weiter oben gesprochen. Über Kleists "Konzept", das eher als Aufschrei einer gebrannten Seele denn als bewußter Kunstplan zu verstehen ist, schreibt Joachim Pfeiffer: "In den Texten Kleists zeigt sich jene 'Negativität' von Kunst (Adorno), die sich gegen simple Anpassungs- und Kompromißleistungen wendet und einer affirmativen Ästhetik zuwiderläuft. Die Figurationen Kleistscher Texte sind immer auch Bilder des Untergangs; als Kryptogramm des Neuen - und durch dessen Negativität - sprechen sie 'das Unaussprechliche aus, die Utopie' (Adorno)31"
www.textbatzen-andreas.de/goethe/goetheset.html

Herzliche Grüße
Ekki
Steyk (61)
(19.07.12)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.07.12:
Lieber Stefan,
wir alle haben Wissenslücken auf unterschiedlichen Gebieten. Ich würde gern über einen Bruchteil deiner Kenntnisse zur Musik verfügen.
Kleist hat sehr spannende Novellen geschrieben, die zum Teil noch hochaktuell sind, wie zum Beispiel "Das Erdbeben in Chili", das unnachahmlich religiöse Vorurteile geißelt.
Herzlichst
Ekki
SigrunAl-Badri (52)
(19.07.12)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.07.12:
Vielen Dank, Sigrun.
Vielleicht bewirkt mein Gedicht ja, dass der eine oder andere, der Kleist noch wenig kennt, bei "Gutenberg. Spiegel.de" mal in seine Werke hineinschnuppert, um zu prüfen, ob Kleist ihm noch etwas zu sagen hat.
Herzlichst
Ekki

 HerrSonnenschein (19.07.12)
Hallo Ekki, ich versuche ja immer den Dichter zu erkennen, ohne in die Kommentare zu linsen...Es ist mir diesmal nicht gelungen. Dabei war die Hermannsschlacht einer meiner Lieblingsstücke im Schauspielhaus Bochum.
Wieder etwas gelernt. Ich finde deine" Rätsel" Sonette klasse!
Lieteraturgeschichte in Reimform öffnet mir einen neuen Zugang zu alten Meistern....
LG Jörg

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 20.07.12:
Vielen Dank, Jörg. Literaturgeschichte in Reimform findet mehr Aufmerksamketi als Interpretationen. Sie macht auch mehr Spaß.
LG
Ekki

 TrekanBelluvitsh (25.03.14)
Ruhm nach dem Tod ist nur etwas für morbide Romantiker.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 25.03.14:
Vielen Dank, Trekan, er war so einer.
Graeculus (69)
(08.10.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 08.10.14:
Vielen Dank, Graeculus. Ich hatte das Sonett, offen gestanden, selbst schon vergessen.

Beste Grüße
Ekki
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