Plötzlicher Reichtum und Charakter

Glosse zum Thema Glück

von  loslosch

Fortuna non mutat genus (Horaz, 65. v. Chr. bis 8 v. Chr.; Iambi - aus seinen Epoden). Das Glück ändert nicht den Charakter.

Nach den Erfahrungen der Gegenwart kann die (vorläufige) Bewertung nur lauten: Lieber Horaz, du liegst daneben. Zur Erinnerung: Unter "Vermischtes" berichten die Journale immer wieder von Lottokönigen und -millionären, die am Ende in tiefe Armut fallen. Dieser plötzliche Schub in den Wohlstand ist für die Antike nur bei Raubzügen und Eroberungskriegen vorstellbar. Dann profitierte aber nicht eine isolierte Einzelperson, sondern eine Gruppe oder die Stammesgemeinschaft. Beim modernen Glücksspiel (Lotto, Toto, Wetten, auch Börsenwetten) kommen manche Akteure mit ihrem plötzlichen Reichtum nicht zurecht, beginnen, extrem über ihre Verhältnisse zu leben. Vermutlich ist dieser Personenkreis bereits charakterlich präkonditioniert, sodass es lediglich eines fulminanten äußeren Anstoßes bedurft hatte.

Außerdem dürften die sog. Pumpgenies (ideenreiche Schnorrer), die den unverhofften Reichtum Dritter in ihre Taschen lenken, ihren antiken Artgenossen um Längen überlegen sein und ungewollt das Glückskind auf seinen wahren Charakter reduzieren. Horaz, ganz unrecht hast du wohl nicht.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (15.07.13)
Du sagst es ja selbst. Krieg und Geld bringen den wahren Charakter der Menschen ans Tageslicht - und sehr oft nicht zu ihrem Vorteil...
Nimbus (38) meinte dazu am 15.07.13:
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 ViktorVanHynthersin (15.07.13)
Das Glück ändert nicht den Charakter, das bedarf schon schwerer Arbeit: "Was ich habe ist Charakter in meinem Gesicht. Es hat mich eine Masse langer Nächte und Drinks gekostet, das hinzukriegen." Humphrey Bogart
Schreibs noch mal Sam )
Viktor

 loslosch antwortete darauf am 15.07.13:
brutalst mögliche aufklärung, meint roland koch.

humphrey war auch kettenraucher, starb an speiseröhrenkrebs - mit 57. lo
Graeculus (69)
(15.07.13)
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 loslosch schrieb daraufhin am 15.07.13:
mir wurde auch erst nach und nach klar, dass horaz im prinzip recht hat. bei ihm muss man auf der hut sein: er war kein philosoph, sondern lyriker und konnte schwülstig sein: süß und angenehm ist es, fürs vaterland zu st...
(Antwort korrigiert am 15.07.2013)

 niemand (15.07.13)
Das Glück ändert nicht den Charakter.

Also, ich finde, Lo, dass die obige Aussage stimmt.
Wenn man Glück im Lotto etc. hatte, dann ändert das in der Tat nicht den Charakter, sondern es kommt uns nur so vor, weil der unverhoffte Geldsegen wahrscheinlich nur
in uns Verstecktes zum Leben erweckt. Verstecktes zum Leben erwecken, heißt ja nicht etwas zu ändern, sondern
etwas Vorhandenes (jedoch bis dato unentdecktes) ans Tageslicht zu bringen. Daher kann man nur vordergründig behaupten, der Charakter würde verändert. Man hatte ja bis zum Gewinn nur einen Teil des Charakters gekannt.
LG Irene

 loslosch äußerte darauf am 15.07.13:
ich habe behutsam formuliert: ganz unrecht habe horaz nicht. dabei hatte ich den alten spruch im hinterkopf, tugend sei mangel an gelegenheit. so ein "tugendsames" leben kann manchmal bis zum tod andauern. lo

 EkkehartMittelberg (16.07.13)
Ganz recht, das Glück, das einem in den Schoß fällt, ändert meistens den Charakter. Aber Horaz stand in der Tradition der antiken Philosophie der Stoiker und Epikuräer, und nach ihrer Lehre konnte Glück nur durch Arete (Tugend gleichmäßigen sittlichen Verhaltens) erworben werden. Dieses verdiente Glück ändert den Charakter nicht, auch nicht die launische Fortuna, wenn sie plötzlichen Reichtum beschert.

 loslosch ergänzte dazu am 16.07.13:
glück kann nur durch tugend erworben werden. die stoiker waren ein sonderbares völkchen. von den epikuräern ist mehr zu halten!

 tigujo (17.07.13)
Soweit ich mich reinrollen kann in alte Weisheiten, behutsam, was sonst, darf ich berichten, was ich mitnehme aus meiner gekrausten Umschau:

Fortuna kann den Charakter gar nicht bös verändern, und wenn, selbst dann bloß zum Bessren. Fortüne jedoch, die Fortuna mit "Ü", nun ja, die hat allemal das Zeug zur Windbraut, die hat das Wedeln drauf, um einem armen Tagelöhner den Schädel wegzublasen.

Lo, guter Text zum guten Sommer

t.t. tigujo

 loslosch meinte dazu am 17.07.13:
ich will mal den vorletzten satz nicht öff. interpretieren. keep a stiff upper lip. t.t. lo

 tigujo meinte dazu am 17.07.13:
Yep...
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