Mal wieder Müll entsorgen

Groteske zum Thema Alltag

von  Regina

Die Umweltberaterin gibt sich wirklich Mühe. „Schauen sie, so schwierig ist das doch gar nicht. Nehmen wir zum Beispiel die Flaschen. Da gibt es Glasflaschen und Plastikflaschen einerseits. Können Sie mir folgen?“ – „Klar“, sage ich, denn ich bin ja erstens im Augenblick nicht betrunken und zweitens sowieso keine Flasche. Aber selbst ein Betrunkener sähe ein, dass Bier häufig in Flaschen angeboten wird, wenn auch manchmal in Dosen, Fässern aus Aluminium oder, ganz traditionell in Holzfässern, vor allem in Bayern, wo sich Politiker mit dem Anstich von Bierfässern auf Kirchweihen populär machen, was anders nicht geht. Aber auch Zitronenlimonade, die zur häuslichen Herstellung der Radlermaß dient, welche in Hamburg Alsterwasser genannt wird, obwohl sie auch dort nicht aus Wasser, sondern aus Bier und Limonade besteht, wird in Dosen oder Flaschen angeliefert. Manchmal gibt es ja auch das Radler schon fertig gemixt, was aber nicht so gut schmeckt, in Flaschen oder in Dosen. Meine Umweltberaterin hält jetzt eine Orangenlimonadenflasche in die Höhe. „Ich nehme ausschließlich Zitronenlimonade für das Radler“, sage ich, „Bier mit Orangenlimonade schmeckt mir nicht, aber, wenn das anderen Leuten mundet, bin ich da tolerant. Ich diskriminiere die Orangenlimonadentrinker nicht. Vielmehr ist es mir egal, was andere Leute trinken“, teile ich mit. Ich denke, dass es ihr auch egal ist und dass wir in dieser Hinsicht beinahe einen Verein der toleranten Trinker gründen könnten, um auch politisch mitsprachefähig zu werden. Was ihr nicht gleichgültig ist, ist, wie ich die Orangenlimonadenflasche entsorge, obwohl ich nie Orangenlimonade trinke. „Das ist eine Glasflasche“, sagt sie nun und auch das ist für mich ganz offensichtlich. Ganz blöd bin ich schließlich nicht. Ich kenne sogar Sonderschüler, die das Material Glas eindeutig identifizieren können. „Diese Glasflasche kommt in den Glascontainer“, lässt sich Frau Umweltberaterin nun hören. „Sehen Sie“, erwidere ich, „dass Biertrinken umweltfreundlicher ist als Orangenlimonade trinken, und außerdem ist in der Limonade viel zu viel Zucker, ganz unabhängig von der Flasche“, gebe ich zurück, denn für meine Bierflasche bekomme ich bei meinem Getränkehändler acht volle Cent Pfand retour, und er schickt die Flasche zurück in die Bierfabrik, wo sie wieder mit köstlichem, gesundem bayerischen Bier angefüllt wird, das Mineralstoffe und Vitamine enthält, den Hunger dämpft und nicht dick macht, argumentiere ich im Geist für meine gerechte Sache und ich und die Umweltberaterin sind auf einmal überhaupt nicht mehr der gleichen Meinung. Trotzdem biete ich ihr einen Kompromiss an: „Also gut, Bierflaschen zurück zum Händler, Limonadeflaschen in den Glascontainer“, versuche ich die Situatiuon zu deeskalieren. „Nein, so einfach ist das nicht“, erwidert sie und ich merke schon, die Frau will mich partout provozieren. Sie hält mir schon wieder eine andersartige Flasche vor die Nase, eine aus Plastik, obwohl wir mit dem Glas noch gar nicht fertig waren und behauptet, dass diese Plastikflasche, in der sich Pfirsichtee befunden hatte, ein abartig süßes Getränk, das ich sofort ausspuckte, nachdem ich es einmal in meinem Leben probiert hatte, in den Supermarkt zurückgetragen werden muss, um dort in Maschine Nummer Eins eingelegt zu werden, wohingegen ich Plastikflasche Nummer Zwei in den Gelben Sack zu entsorgen habe, Plastikflasche Drei aber im Supermarkt in Maschine Zwei einlegen müsse. Diese mit wichtiger Miene vorgetragenen Belehrungen über ein Getränk, das ich nie wieder trinken werde, regen mich auf. „Und die Wurstpelle?“ versuche ich nun meinerseits, sie aufs Glatteis zu führen, „wohin mit der Wurstpelle, denn ich esse zum Bier immer Stadtwurst oder manchmal auch Weißwurst oder Speckwurst, in seltenen Fällen Salami oder Gelbwurst."  Bei der Gelbwurst käme es darauf an, mit welchem Farbstoff die Pelle gefärbt worden sei, will sie mir weismachen, und andererseits sei die Wursthaut mal Bioabfall, mal Plastik, je nach verwendetem Herstellungsmaterial. Gutwillig rufe ich schließlich trotz aufkommender Nervenkrise auch den Hersteller meines Bierschinkens an, um mich über das Material zu erkundigen. „Kommt darauf an“, lässt mich dessen Telefonistin wissen, „Serie 127 bis 236 haben wir mit Plastik umhäutet, ab Serie 237 haben wir auf umweltfreundliches Darmmaterial zurückgegriffen, wohingegen die Serien 36 bis 126 aus traditioneller Hausschlachtung stammen, und da müssten wir bei den einzelnen Bauern anrufen und fragen, was sie jeweils genommen haben. Alle früheren Serien sind über dem Verfallsdatum.“ Die Sache geht mir langsam empfindlich auf den Geist, vor allem weil ich sehe, dass meine freundliche Umweltberaterin nunmehr eine Dose ins Visier nimmt. Damit will ich mich heute aber nun wirklich nicht mehr belasten. „Wissen sie was“, höre ich mich sagen, „essen, trinken und entsorgen Sie, was und wie Sie wollen. Aber lassen sie mich in Ruhe!“ Aus dem Augenwinkel sehe ich sie ihren Kugelschreiber zücken und auf ihrem Beratungsbogen das Kästchen „beratungsresistent“ ankreuzen. Der nächste Kampf ist schon im Anzug. Da geht es um energiesparende Fenster. Wann soll ich eigentlich noch arbeiten und einkaufen, mit allen diesen Beratungsterminen?

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (10.08.14)
"bayrischen": Das wird zwar so gesprochen, richtig geschrieben wird es jedoch so: "bayerischen". Dies nur am Rande, habe den Text gerne gelesen!

 Regina meinte dazu am 10.08.14:
Sorry, Dieter. Der Duden lässt beim Adjektiv, wenn es sich nicht um einen Eigennamen handelt, beide Varianten zu, also "bayerisches" oder "bayrisches" Bier, aber der "Bayerische Landtag". Etwas unsicher war ich aber beim Dativ-m an den Adjektiven: "mit köstlichem, gesunden bayrischen Bier" odre "mit köstlichem, gesundem, bayrischem Bier"?
(Antwort korrigiert am 10.08.2014)

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 10.08.14:
Stimmt, hab's auch gerade nachgeschlagen...
Unglücklich ist die Wahl dennoch meistens, finde ich, es sein denn, man will einen etwas umgangssprachlicheren Ton anschlagen.
In seriösen Artikel jedenfalls immer "bayerisch", so mein Eindruck.

 Regina schrieb daraufhin am 10.08.14:
Ok. Trotzdem danke für die Beratung. Ich lasse es jetzt so, weil im Text ja ein Bayer spricht.

 FRP äußerte darauf am 11.08.14:
dös "bayrisch", dös dammige, ohne dös mittige e, dös is jetzt
oa koan-B'stimmung für denen Ausländern, denen preißischen ...
mia wolln dös e nachad inseitig hamm!
pfap: du hast die zirka 950 zwangsangesiedeltetn Reste der Awaren, die die Magyaren vor sich her jagten, vergessen.
(Antwort korrigiert am 11.08.2014)
parkfüralteprofs (57)
(10.08.14)
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 Regina ergänzte dazu am 10.08.14:
Ich finde es Klasse, dass dir mein Text so einen langen Kommentar wert ist. Danke für die gründliche Aufklärung, die Adjektivendungen habe ich jetzt ausgebessert, das andere werde ich wohl noch studieren müssen. Ja, zur Zeit bin ich noch berufstätig und also mit der professionellen Entsorgungswissenschaft etwas hinterher. Schöne Zeit.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 11.08.14:
Ja, da stimme ich Regina zu. Aber, parkfap, das ist hier ziemlich Perlen vor die Säue. Man wird hier inzwischen schon für weit weniger übel angeraunzt und dann wird auch noch die Legastheniker-Karte gespielt.
Nägel mit Köpfen: Man sollte nicht einfach "bay(e)riches Bier" schreiben, sondern genauer hingucken, um dann eben genauer beschreiben zu können, z.B. dann "oberfränkisches Bier". Finde ich.

P.S.: Mannheim: Kurpfälzer. Und in Baden-Württemberg hast Du die Allgäuer vergessen, die sich zu einem Drittel ihres Stammesgebietes im "Ländle" befinden.
P.S.II: Ich persönlich trenne den Müll nur, um in der Nachbarschaft nicht unangenehm aufzufallen. Man will ja seine Ruhe haben.
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