Die Karten wurden neu gemischt

Erzählung zum Thema Lebensweg

von  Bluebird

Illustration zum Text
(von Bluebird)
Zurück in Bremen nahm ich meine Arbeit in der Heimstätte wieder auf, aber natürlich musste ich das Geschehene, den vorzeitigen Abgang von der Bibelschule, erst einmal verdauen.
  Denn das war schon ein schwerer Schlag ins Kontor gewesen, wie der Bremer sagen würde. Nachdem ich zwei Jahre zuvor auf so wundersame Weise auf die Bibelschule geführt worden war, hatte die göttliche Berufung zum Pastor oder Missionar für mich außer Frage gestanden.
  Was meine diesbezügliche rednerische, seelsorgerliche und lehrmäßige Begabung anging, gab es eigentlich niemanden in meinem näheren Umfeld, der dies hätte ernsthaft bestreiten wollen. Wieso also jetzt dieses Scheitern? Hatte ich etwas falsch gemacht oder waren mit meinem Ruf auf die Bibelschule ganz andere göttliche  Absichten verbunden gewesen, als ich naiverweise vermutet hatte?

Vordergründig lag mein Scheitern natürlich daran, dass Pastor G. und Heinz B., der Leiter der Heimstätte, mich so gnadenlos schlecht beurteilt hatten. Dies war - selbst mal von ihrer Warte aus betrachtet - für mich eigentlich nicht nachvollziehbar.
    Was immer die beiden bewogen haben mochte, hatte es für mich schwerwiegende Folgen gehabt. Die Lehrerschaft verlor, dadurch ausgelöst, ihr Vertrauen in mich und meine Berufung.
    Zwar hätteich  nicht gehen müssen, aber gegen den Rat der Lehrerschaft auf der Bibelschule zu bleiben, wäre schon eine ziemliche emotionale Belastung für mich gewesen. Zumal, wie Bruder Krüger richtig erkannt hatte, Belastbarkeit eh nicht so meine Stärke war. Also das wäre sicherlich richtig schwer geworden.
    Vielleicht hätte ich es dennoch versucht,  aber ausschlaggebend war für mich die übernatürlich vernommene innere Stimme gewesen, die mich letztlich dem Abgang hatte zustimmen lassen. Darin sah ich für mich die göttliche Aufforderung loszulassen.
    Und tatsächlich ruhte ich danach auch vollständig in dem, was ich als Willen Gottes verstand. Ich war lediglich enttäuscht darüber, wie die Entscheidung zustande gekommen war. Fühlte mich da etwas verraten und hintergangen seitens meiner Bremer Beurteiler.

Die Karten waren jetzt auf jeden Fall neu gemischt worden. Ich würde die letzten zwei Monate meines sozialpädagogischen Anerkennungsjahres noch über die Bühne bringen. Aber was dann? Ich hatte wirklich keine Ahnung!
  Aber der mich bis hierher geführt hatte, der würde mich auch  weiter Seinen Weg führen. Wohin auch immer! Dessen war ich mir ganz sicher.


Anmerkung von Bluebird:

Bremen 1989

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (06.01.21)
Dies war - selbst mal von ihrer Warte aus betrachtet - für mich eigentlich nicht nachvollziehbar.
Diesen Satz solltest Du Dir aus meiner Perspektive Deiner Perspektive noch einmal durch den Kopf gehen lassen.

 Bluebird meinte dazu am 06.01.21:
Wieso, was stimmt denn daran nicht? Ich nehme gerne mal den Standpunkt eines anderen ein und versuche mich oder etwas anderes durch dessen Augen zu sehen.
Gelingt sicherlich nicht hundertprozentig, aber mit ein bißchen Übung ganz gut.

Also, mal die für die negative Beurteilung ins Gewicht fallende mögliche Gründe und Aspekte berücksichtigt und ins Verhältnis zu dem gesetzt, was für sie erkennbar an Gutem da war, hätte ihre Beurteilung niemals so vernichtend ausfallen dürfen.
Das ist und bleibt für mich unerklärlich, aufgrund dessen was sie gesehen hatten und wussten.

Eine kritische oder skeptische Beurteilung hätte ich mir ja noch gefallen lassen.
Es ist durchaus sinnvoll, da auf Schwachpunkte usw. hinzuweisen, aber bei einem Stempel "nicht geeignet" sollten schon gravierende Mängel aufgetreten, eine grundsätzliche Untauglichkeit manifest geworden sein.
Dies war aber keineswegs der Fall. Ich hatte sicherlich meinen eigenen Style, was Predigten und Bibellehre anging, und mancher hat sich da wohl auch klammheimlich über mich beschwert, aber man kann es halt nicht jedem Recht machen.

Also alles in allem, auch meine schwächeren Bereiche berücksichtigend, hätte ich mir vielleicht eine 3+ gegeben.

Antwort geändert am 06.01.2021 um 15:16 Uhr

 Graeculus antwortete darauf am 06.01.21:
Was Du meinst, ist mir schon klar, aber mir erscheint die Formulierung, daß jemand aus seiner Perspektive (!) die Perspektive anderer (!) beschreibt, befremdlich. Ich würde mir nicht anmaßen, Deine Perspektive einnehmen zu können. Niemand steht, wie man so sagt, in Deinen Schuhen. Und niemand in ihren.
Daß Schüler sich selbst beinahe immer anders und besser einschätzen, als ihre Lehrer es tun, ist mir aus meinem Beruf gut bekannt. Das beweist nichts, ist aber immerhin auffallend.

Da Du ja eine Autobiographie schreibst und Du meinen Standpunkt kennst, daß sowas entweder rückhaltlos offen oder lediglich Werbung in eigener Sache ist, erlaubst Du mir vielleicht die Frage, ob das Prädikat "psychisch labil" Deiner Lehrer später einmal von irgendeiner anderen Seite (idealerweise Psychiater) bestätigt oder verneint worden ist oder bei irgendeiner anderen beruflichen Tätigkeit eine Rolle gespielt hat.

 Bluebird schrieb daraufhin am 06.01.21:
"Psychische Labilität" - ich glaube ich hatte von mangelnder Belastbarkeit gesprochen - ist vorher und auch nachher durchaus erkennbar geworden. Beispielsweise bei der Bundeswehr, wo ich nach 11 Monaten aufgrund eines psychologischen Gutachtens entlassen wurde.
Deshalb habe ich ja auch nicht gesagt, dass die Einschätzung der Lehrer diesbezüglich falsch gewesen wäre. Aber im Allgemeinen werde ich - von Kindheit an bis heute - von Leuten (außer in Foren wie hier natürlich) als "hochintelligent" und "sonderbegabt" wahrgenommen. Dies galt es sorgfältig abzuwägen.

Und um jetzt da auf das Bibelschuljahr, Bremer Praktikum und auch mein Anerkennungsjahr zu sprechen zu kommen. Das war teilweise schon ziemlich anstrengend, da hat es auch Schwächephasen gegegeben ... aber andererseits habe ich auch geliefert. Insgesamt gab es da Licht und Schatten! Dies wäre - aus meiner Sicht - eine angemessene Beurteilung gewesen.
Was natürlich ein späteres Scheitern nicht ausgeschlossen hätte.

p.s. ich urteile hier mit 30 Jahre Abstand, nicht als "Schüler"

Antwort geändert am 06.01.2021 um 16:53 Uhr

 Graeculus äußerte darauf am 06.01.21:
Hier kannst Du nachschauen:
https://www.keinverlag.de/443930.text

Da war tatsächlich von psychischer Labilität die Rede. Auf einen solch kritischen Ausdruck hätte ich mich nicht berufen, wenn ich's nicht nachgelesen hätte. Erst recht hätte es mir nicht zugestanden, das von mir aus zu schreiben.

Das schließt hohe Intelligenz und Sonderbegabung keineswegs aus, sondern liegt auf einer ganz anderen Ebene.

 Bluebird ergänzte dazu am 06.01.21:
Da möchte mal auf Paulus verweisen, der doch mehrfach in seinen Briefen seine schwächliche Konstitution andeutet: Und er (der Herr) hat zu mir gesagt:
"Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft vollendet sich in der Schwachheit. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf dass die Kraft Christi bei mir wohne. " ( 2. Korinther 12,9)
Heute würde ich in der Tat so argumentieren und die Lehrerschaft fragen, ob sie dem Paulus auch den Rat gegeben hätten, die Bibelschule zu verlassen? Bei seiner Kränklichkeit ein Pastorenamt oder geschweige ein apostolischer Dienst verbunden mit missionarischen Reisen auszuüben nicht für sie ein NoGo gewesen wäre?
Auf die Antwort wäre ich gespannt gewesen

Antwort geändert am 06.01.2021 um 20:08 Uhr
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