Das Venedig-Syndrom

Gleichnis zum Thema Sehen/ nicht sehen

von  eiskimo

Eine Stadt, die nur noch von der Substanz lebt, sozusagen als Museum. Gefangen im Gestern. Sie bewahrt ihr äußeres Erscheinungsbild, pflegt brav, was im Katalog steht und erfüllt so die Erwartungen ihrer Besucher.
Die Herangereisten erwarten ja nichts Neues, nichts Überraschendes. Sie wollen exakt die Gondeln, exakt die Rialto-Brücke und exakt den Canale Grande, wie diese im Katalog standen. Möglichst bei Sonne, okay. Aber man ist schließlich gekommen, um sein  Venedig abzuholen.
Ähnlich ist es mit nahstehenden Menschen. Sie bilden ein Stück Vergangenheit ab, ziemlich einfach und klischeehaft. Man weiß, wie sie ticken, was man von ihnen kriegt. Veränderung, etwas Überraschendes würde ja irritieren. 
Dass Venedig auf Sand gebaut ist und ständig droht, wegzufaulen, ändert nichts an den Kräften, die es gern so behalten wollen wie es immer schon war. Im Gegenteil. Es wird alles getan, damit es so weiterlebt. Wie in uns das Bild der lieben Tante, wie das Verhältnis zu den Großeltern, wie  das liebe  Rollenspiel Ehe.

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Kommentare zu diesem Text


 niemand (26.09.21)
In der heutigen "ex & hopp"- Zeit, dieser steten Sucht nach Neuem,
diesem anders nicht dürfen, kann ich ein Festhalten besonders
gut verstehen. Der Mensch ist auf dieses stete "ex & hopp" nicht
vollständig geeicht. Übrigens ist dieses stete Wechseln-Sollen-Müssen durchaus ein kapitalistisches Gesellschaftssyndrom.
Ex & hopp, sonst funktioniert diese globale Ausbeutung für Nix und wieder Nix [außer für überflüssigen Tand zur Geldvermehrung der eh schon Reichen] nicht. LG niemand

 eiskimo meinte dazu am 26.09.21:
Okay!
Wenn die Veränderung Selbstzweck ist oder nur aus Langeweile gesucht wird.....

 AlmaMarieSchneider (26.09.21)
Ich schließe mich da niemand an. Venedig wird vermarktet und setzen darf man sich auch nicht überall. Das Abzock-Geschäft läuft gut, da lohnt sich das erhalten.

Liebe Grüße
Alma Marie

 eiskimo antwortete darauf am 26.09.21:
Auch hier: Einverstanden.
Venedig ist eine Geldmaschine. Sie muss nur am Laufen gehalten werden
Wie gesagt: Bloß nichts ändern
LG
Eiskimo

 AchterZwerg (26.09.21)
Tomás Lynch hat mal eine CD herausgebracht: "The crux of the catalogue", das dieses Thema ansprechend abarbeitet. Das Problem existiert ja in vielen Touristengegenden.
Venedig ist und bleibt eine der schönsten Städte der Welt und sollte unbedingt erhalten werden.
Schade nur, dass die Stadt für Einheimische geradezu unbewohnbar geworden ist. Nicht zuletzt wegen der riesigen Kreuzfahrtschiffe, die dort täglich einlaufen.. Und natürlich wegen der Preise.

Insofern finde ich deinen Text nur allzu berechtigt. Wem "gehört" eigentlich Venedig, Berlin oder Paris?
Ferdi (70) schrieb daraufhin am 26.09.21:
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