Gedanken los

Skizze zum Thema Armut

von  Moja

Im Discounter ein alter schäbig gekleideter Mann vor dem Kühlregal, er dreht mir den Rücken zu und isst aus einer aufgerissenen Packung. Hastig reißt er ein Stück Teig ab und stopft es sich in den Mund. Die leere Verpackung fällt ihm herunter. Hebe ich sie auf und gebe sie ihm? Ich zögere. Störte ich ihn dann nicht beim Essen? Unentschlossen schiebe ich meinen Einkaufswagen erst einmal weiter. Was weiß ich denn von ihm? Nichts. Zaghaft drehe ich mich nach ihm um. Er steht noch immer abgewandt dicht vor dem Kühlregal und schlingt das Essen hinunter. Käme jetzt ein Marktangestellter und forderte die Bezahlung der Ware, würde ich den Betrag übernehmen und darum bitten, den Mann gehen zu lassen, ja, ich würde ihm noch etwas zustecken, damit er sich Essen kaufen kann. Sein Hunger ist offensichtlich. Verstört gehe ich vor zur Kasse, lege meine Waren aufs Band, bezahle und verlasse den Markt. Noch immer spukt der alte Mann in meinem Kopf herum und die Frage, was hätte ich tun können?

 



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Kommentare zu diesem Text


 Regina (08.08.23, 17:39)
Mundraub, wenn er wirklich aus Hunger etwas stiehlt. Aber ist es wirklich schon so weit, dass das notwendig ist? Es gibt die Grundsicherung, es gibt die Tafel und es gibt hin und wieder Vesperkirche. Da bleibt die Frage: Kann er nur nicht wirtschaften oder ist er wirklich so arm dran?

 niemand meinte dazu am 08.08.23 um 18:02:
Diese Frage stellt man sich tatsächlich. Das müsste man einfach
näher betrachten können, um sich ein wirkliches Bild machen zu können. LG niemand

 Moja antwortete darauf am 09.08.23 um 10:56:
Danke Regine und niemand für eure Kommentare!
Es gibt in Berlin immer mehr arme und obdachlose Menschen, vor allem psychisch Kranke, die ihr Leben nicht mehr handeln können und nirgenwo aufgefangen werden, dafür reicht die Hilfe einfach nicht aus. Sie begegnen mir täglich, überall in der Stadt werde ich angebettelt. Das ist beklemmend, hinterlässt ein Gefühl von Hilflosigkeit bei mir. - Vielleicht war dieser Mann verwirrt? Ich weiß nichts über ihn. Ich hoffe, er ist satt geworden. 

Nachdenklich grüßt Moja

 AchterZwerg (08.08.23, 18:55)
Ich denke es gibt eine furchtbare Armut jenseits der offen sichtbaren.
Wer hat nicht schon einmal Menschen aus einem Müllcontainer essen sehen?
Die Grundsicherung scheint nicht immer zu greifen - bei illegal Zugewanderten eh nicht. Oder bei Süchtigen, die ihr Geld für ihre Suchtmittel benötigen, was ich keineswegs beschönigen möchte.

Aber darum geht es im Text aus meiner Sicht gar nicht.
Sondern es geht um Mitschuld, um Mitverantwortung - und um konsequentes Wegsehen.

Liebe Grüße
der8.

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 08.08.23 um 20:33:
Ich sehe es so wie Piccola. Deswegen ist dein Text wichtig, Moja. Man muss zusätzlich bedenken, dass es alte Menschen gibt, die nicht mehr in der Lage sind, sich so zu organisieren, dass sie legale unentgeltliche Möglichkeiten des Erwerbs von Nahrung nutzen können.

LG
Ekki
kipper (34) äußerte darauf am 08.08.23 um 22:48:
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 Moja ergänzte dazu am 09.08.23 um 11:14:
Danke, AchterZwerg und Ekki, genauso meinte ich es. 

Armut und Obdachlosigkeit in Berlin sind so groß geworden, begegnen mir ständig überall, nicht jedem kann ich etwas geben und Hilfe wäre das auch nicht. 
 
So einfach, kipper, wie du dir das vorstellst, ist es nicht. Man kann auch beschimpft werden, wenn man jemand einfach etwas geben möchte, alles schon erlebt. 
Möglich, dass dieser alte Mann verwirrt war, psychisch krank. Viele Menschen in Berlin betteln, werden nirgendwo aufgefangen, schaffen es gar nicht, sich selbst um Hilfe zu kümmern, die nötigen Papiere für Anträge zusammen zu bekommen. 

Auf dem Rückweg kam ich an den Bettlern vor den Geschäften vorbei, seit Wochen hausiert eine ältere Frau mit Sack & Pack im Wartehäuschen der Tram-Haltestelle, da sitzt sie halbwegs sicher im Licht... Einer Frau, die seit Jahren auf der Straße bettelt, gebe ich ab und zu etwas, rede mit ihr. 
Das Gefühl von Hilflosigkeit bleibt in mir zurück, ja, ich bin ratlos.

Danke fürs Lesen und eure Kommentare,
Moja grüßt!
kipper (34) meinte dazu am 09.08.23 um 12:01:
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 AZU20 (12.08.23, 11:58)
Du hättest ihm vielleicht wirklich helfen sollen. LG
Teolein (70) meinte dazu am 12.08.23 um 12:31:
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 Moja meinte dazu am 12.08.23 um 17:18:
Danke AZU20 und Teolein!

Diese Situation war mir völlig neu und ich zu perplex in dem Moment. Der Mann wirkte extrem abweisend, unansprechbar. Vielleicht war er dement und geht öfter im Discounter "essen". Zumindest wollte ich nicht die Aufmerksamkeit des Verkaufspersonals auf ihn ziehen, indem Fall hätte ich versucht zu helfen. 

LG, Moja

Antwort geändert am 12.08.2023 um 17:19 Uhr
Agnete (66)
(07.09.23, 12:24)
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 Moja meinte dazu am 19.09.23 um 18:10:
Diese Geschichte beschäftigt mich immer noch, liebe Agnete, ich gebe auch ab und zu einer Frau etwas, die öfter hier bettelt. Aber es sind tatsächlich zu viele geworden und werden immer mehr, wohin führt das...
Danke dir und liebe Grüße,
Moja

 Redux (08.09.23, 21:36)
Ich hätte so oder ähnlich gehandelt oder empfunden...

 Moja meinte dazu am 19.09.23 um 18:11:
Danke, Redux!
Diese Geschichte hat mich lange beschäftigt.
Grüße von Moja

 Redux meinte dazu am 19.09.23 um 18:18:
Das glaube ich dir sofort.
Und wie gesagt: komplett nachvollziehbar.
Grüße von Herbert

 Dieter_Rotmund (24.11.23, 16:58)
Der implizite moralische Imperativ dieses Textes behagt mit nicht. Ich hätte den Text weitaus deskriptiver gehalten, dann wäre er auch qualitativ hochwertiger.

 Moja meinte dazu am 25.11.23 um 17:10:
Danke, Dieter, deine Kritik trifft zu, ich habe den Text zu vorschnell eingestellt. Längst habe ich ihn überarbeitet als Teil eines längeren Textes, der besser gelang. Ich lasse den Kurztext hier so stehen als Übungssache.
Moja grüßt!

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 26.11.23 um 15:48:
Weiterhin gutes Gelingen wünsche ich!
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