Abendprogramm

Text

von  Mondscheinsonate

Hätte ich "Finanzverfassung, Teil III" geschrieben, hätte man mich wieder gescholten, dass juristisches Zeug langweilig ist. Mitnichten, denn es wird sich von A bis Z über alles aufgeregt, aber in die Tiefe will kaum jemand gehen. Somit: Lerne Hänschen, dann darfst dich als Hans aufregen. Ansonsten: Halt die Papp'n! 

Natürlich ist es langweilig. Viel Spannender ist doch, dass jetzt, um 18:22 die Kirchenglocken wie wild läuten, nicht um 18:25, damit die Messe um 18:30 anfangen kann. Aber, der Betreuer unserer Kirche trinkt manchmal ein bisschen zuviel über den Durst, man merkt es schön in der Weihnachtszeit. Wir haben den peinlichsten Christbaum aller Zeiten vor der Kirche stehen. Wahrlich, ich sage euch, in einem Jahr waren zwei Kugeln darauf, im nächsten eine blaue Lichterkette, nur auf einer Seite im Knödel draufgeschmissen, letztes Jahr stand der Baum da, mit nichts darauf. Dem amerikanischen Pfarrer ist es anscheinend egal, vielleicht erholt er sich von dem Kitsch, den er in seinem Land um die Ohren geworfen bekam, möglich. 

Aber, der ist doch cool, einmal durften junge Leute ein DeathMetal Konzert in der Kirche spielen und Party feiern. Der Priester mittendrin. Herrlich, kein Spaß! So fängt man Schäfchen ein.

Andererseits, wieder sehr traditionsbewusst, wandert er bei christlichen Feiertagen mit dem Ghettoblaster auf den Schultern und einem Rudel Messdienern durch die Straßen und singt sein "Du bist das Licht der Welt" mit Akzent. Well done.

Ich gebe mir das eben für 204 Euro Steuer im Jahr, inklusive Augenweide in der Adventzeit. Aber, ich bin sicher, er ist der Dorn im Auge der traditionellen Kirche weiter drinnen im Dorf am Stadtrand, die jährliches Adventsingen, Adventmarkt und Frühmesse zelebrieren, da gehen dann die alten gebückten Mutterln mit Kopfbedeckung zuerst in die Messe und dann auf den angrenzenden Friedhof um die Blumerln zu gießen. Deren Christbaum ist natürlich eine Strohsternaugenweide, selbstgebastelte, aus der Pensionistenwerkstatt und jährlich gibt es Adventkranzbasteln, ausgelassen.


Überlege ich, so ist mir unser Ami lieber, der bleibt cool und der besoffene Kirchendiener, ja mei, ich bin schon gespannt, wie unser Christbaum heuer aussehen wird, eigentlich ist der Aufreger des Jahres lustig. 

Ein paar Tage noch, dann kann ich berichten. Bis dahin... die Finanzverfassung, Teil III und IV und V, dazu noch viel mehr.


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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (18.11.23, 20:32)
In der vergangenen Woche hatte ich mit einer kirchlichen Einrichtung zu tun, und was ich da erlebt habe, hat mich zu dem Gedanken gebracht, daß es bei Religionen nicht in erster Linie um Glaubensinhalte (Jesus, der Sohn Gottes, geboren von einer Jungfrau etc. pp.) geht, sondern um Rituale, die dem Leben der Menschen Struktur im Rahmen einer Gemeinschaft geben. Für die "alten gebückten Mutterln" ist das sicher wohltuend.

Nun gut.

Aber wenn diese Rituale dann auch einen Komik-Anteil besitzen, wie Du es hier schilderst, ist es mir lieber. Ein beschwipster Küster und ein Pfarrer mit Ghettoblaster kommen vermutlich nicht auf den Einfall, über Anders- und Ungläubige herzuziehen, wie es halt auch zu Religionen gehört.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 18.11.23 um 20:39:
Nein. Den beiden ein Amen oder besser ein gesprochenes "Eymen", dem Ami. Beten kann man auch im Kämmerlein allein, es geht nur um die Gemeinschaft und um's Tratschen und Ausstalieren.

Antwort geändert am 18.11.2023 um 20:40 Uhr

 Quoth antwortete darauf am 18.11.23 um 21:43:
daß es bei Religionen nicht in erster Linie um Glaubensinhalte (Jesus, der Sohn Gottes, geboren von einer Jungfrau etc. pp.) geht, sondern um Rituale, die dem Leben der Menschen Struktur im Rahmen einer Gemeinschaft geben.
Gut erkannt. Und umgekehrt bleibt der Atheismus so langweilig und dumm, weil er solche Rituale nicht hervorbringt.

 Graeculus schrieb daraufhin am 19.11.23 um 00:38:
Und umgekehrt bleibt der Atheismus so langweilig und dumm, weil er solche Rituale nicht hervorbringt.

Wäre der Atheismus eine Anti-Religion, also ein Antitheismus, dann bräuchte er Rituale; so z.B. die Jugendweihe in der DDR (statt Konfirmation bzw. Firmung).
Aber warum sollte man nicht gottlos leben und sein Bedürfnis nach Ritualen in irgendwelchen Gemeinschaften stillen - und sei es die Freiwillige Feuerwehr?

 Mondscheinsonate äußerte darauf am 19.11.23 um 01:33:
Schlechts Beispiel, die Freiwillige hat einen Schutzpatron, den Floriani, somit voll im Himmel. :D

Antwort geändert am 19.11.2023 um 01:33 Uhr

 AchterZwerg ergänzte dazu am 19.11.23 um 06:43:
. :P 
Des is si ums Oaschlecken net ausgangen. Oder so.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 19.11.23 um 11:04:
😂😂😂

 Quoth (18.11.23, 21:52)
hätte man mich wieder gescholten, dass juristisches Zeug langweilig ist.
Nun, es   i s t   langweilig. Aber trotzdem sind oder waren viele gute Autoren Juristen, weil sie die juristische Denkweise mit ihrer Distanz und Unterscheidungsfreude aufs Menschlich-Alltägliche anwenden und in diesem nicht ersaufen. Deine Straßenbahn- und anderen Texte wären nicht so gut, wenn Du nicht juristisches Denken verinnerlicht hättest.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 18.11.23 um 22:10:
Du, ich bin grad dahintergekommen, dass ich das FAG verstehe, aber den Sinn dahinter verstehe ich nicht. So unspannend ist das nicht. Wollen wir uns darauf einigen, dass Interessen verschieden sind? 
Im Übrigen waren auch Ärzte gute Schriftsteller. Manch einem hat es zwar den Vogel rausgehaut, aber bleibt trotzdem gut. :-D Die halten auch Distanz.

 Quoth meinte dazu am 18.11.23 um 22:37:
Ich studierte also Jus. Das bedeutete, dass ich mich in den paar Monaten vor den Prüfungen unter reichlicher Mitnahme der Nerven geistig förmlich von Holzmehl nährte, das mir überdies schon von tausend Mäulern vorgekaut war.
Franz Kafka

 Mondscheinsonate meinte dazu am 18.11.23 um 22:46:
Oh, das ist doch in allen studierten Köpfen und den Köpfen davor. :-D

 Lluviagata (20.11.23, 15:37)
Dem amerikanischen Pfarrer ist es anscheinend egal, vielleicht erholt er sich von dem Kitsch, den er in seinem Land um die Ohren geworfen bekam, möglich. 

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