Warteschleife

Gedicht zum Thema Alter

von  Isaban

Dort liegt sie nun, kann nicht mehr sehen,  nicht
mehr sprechen. Die Augen tränen
und keiner kommt, um ihre Dunkelheit zu brechen.
Da ist kein Licht. Was bleibt ist Sehnen.

Das Zimmer ist sehr still. Um sie ist‘s leer.
Wer kann und will die Ruhe stören?
Laut atmet sie, nur um sich selbst zu hören.
Was sie einst war, ist lange schon vergessen.

Ein stummer Löffel gibt ihr manchmal was
zu essen; sie schluckt kaum mehr und welcher Brei,
ist schon seit Ewigewigkeiten einerlei.
Sie dämmert müde, lauscht, wie laut ihr Atem klingt,

lauscht jenem Pochen, das aus ihren Adern dringt
und träumt von einer Hand, die ihre nimmt
und ihre zweiundneunzig Jahre sanft
zu jenem viel zu weit entfernten Ufer

bringt.

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Kommentare zu diesem Text


 poena (02.06.14)
liebe isaban, deine reihe der sich mit dem altern beschäftigenden texte ist mir jedesmal neu sehr nah. erschreckend bekannt. ich erinnere beim lesen so viele menschen, deren letzte jahre oder stunden ich miterlebt habe und nicht nur diese menschen sehe ich durch deine texte wieder sondern auch meine teilweise sehr schlimme eigene hilflosigkeit... in dieser zwischenwelt ist man ein außenstehender und nur zartheit, weichheit in berührung, stimme, geste,zuwendung kann noch nähe bringen... und abwechslung zum alltag in spital, altersheim, krankenstation.
zusammenfassend: au.
ich bewundere, dass und wie du dies alles in gereimte(!) worte bringst.
lieben gruß, s
(Kommentar korrigiert am 02.06.2014)

 Isaban meinte dazu am 02.06.14:
Das Leben hat eine Melodie. Manchmal ein flotte, manchmal eine behäbigere, manchmal eine traurige, manchmal eine stockende oder schmerzende ...
Reime (unter anderem) bauen Melodie in eine Text, machen ihn durch die zusätzliche klangliche Eingängigkeit noch verständlicher, die Bilder noch intensiver, weil sie durch diesen kleinen Kunstgriff gauf direktem Wege und meist ohne verkopftes Sortieren vors Innenauge gelangen - für mich ist ein Gedicht wie ein mehrdimensionales Puzzle. Mit Reimen gibt es halt eine zusätzliche Dimension.
Ich mag meine Arbeit mit alten Menschen und ich bastele gern an Bildern, die Außenstehenden sonst vielleicht verborgen bleiben.
Es freut mich riesig, dass dir mein Text gefällt.

Liebe Grüße

Sabine
janna (66)
(02.06.14)
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 Isaban antwortete darauf am 02.06.14:
Danke schön!

Liebe Grüße

Sabine

 niemand (02.06.14)
Sicher werde ich es mir mit so manchem Reimer verderben, aber
grade bei einem solchen Gedicht sind diese nicht von Vorteil.Hierbeiwäre eine reimlose Form intensiver.Reime haben immer, mehr oder weniger, etwasSpielerisches undkönnen oft Tiefe abflachen. GEnauso empfinde ich es bei diesem Gedicht, obwohl es zum Inhalt keine Kritik meinerseits gibt. Das Schriftbild bitte ich zu entschuldigen (teilkaputte Tastatur, wird ersetzt).
Mit herzlichen Grüßen, Irene

 Isaban schrieb daraufhin am 02.06.14:
Liebe Irene,

bei diesem Text hier sind die Reime, ob nun Binnen- oder Endreime sowie die fehlenden oder unreinen Reimendungen als Stilmittel gedacht, um Warteschleife, Empfindungen und Innen- und Außenwelt zu untermalen. Falls das nicht hingehauen hat - Mist, ich war mir so sicher, dass das klappt!

Falls es nur um die Aversion Reim bei ernsten Themen geht: Vorurteil/private Geschmacklichkeit, man kann grundsätzlich alle Themen auf verschiedene Weise angehen. Reime waren schon immer ein Stilmittel, um einen Text, beziehungsweise die dargestellten Bilder zu unterstreichen, um ein gewisses Tempo und eine Melodie in einen Text einzubauen - und um darstellen zu können, was stimmig - und was unstimmig erscheinen soll. Klar, ernster Inhalt in Leberreim- oder Limerickform ist meist nicht so der Burner, aber ein derartiges Stilmittelverbrechen habe ich hier nicht begangen, oder?

Liebe Grüße

Sabine

 sandfarben (02.06.14)
Traurigreal, ein Leben, das dem Ende zugeht und nichts mehr erwartet, außer eines.
Fein verwortet.
christa

 Isaban äußerte darauf am 04.06.14:
Herzlichen Dank, Christa. Es freut mich sehr, dass der Text dich berühren konnte.

Liebe Grüße

Sabine

 Didi.Costaire (02.06.14)
Eine Horrorvorstellung, die jedem droht. Gut in Worte gefasst.
Liebe Grüße, Dirk

 Isaban ergänzte dazu am 04.06.14:
Das wirklich Gruselige ist dieses Unausweichliche, dieses Ausgeliefert sein, diese Unmöglichkeit, selbst noch irgendwas zu steuern. Vielen Dank für deine Rückmeldung.

Liebe Grüße

Sabine

 AZU20 (02.06.14)
Es fällt mir schon schwer, diesen intensiven Text zu lesen. LG

 Isaban meinte dazu am 04.06.14:
Mir auch, Armin. Jedes Mal.

Liebe Grüße

Sabine
gaby.merci (61)
(02.06.14)
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 Isaban meinte dazu am 04.06.14:
Vielen Dank, Gaby.

Liebe Grüße

Sabine
Fabi (50)
(04.06.14)
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 Isaban meinte dazu am 04.06.14:
Es freut mich sehr, dass dir der Text etwas geben konnte, Fabi. Danke für deine Rückmeldung.

Liebe Grüße

Sabine
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