Unterwelt

Sonett zum Thema Andere Welten

von  Irma

Die Treppe quält sich in den Untergrund.
Auf nassen Häuten bleiben T-Shirts kleben.
Der brechend volle Aufzug steckt im Schlund
fest. Gestern erst nahm jemand sich das Leben.

Ganz ungeniert von gegenüber glotzt
aus der BZ ein Paar monströser Titten.
Ein Penner pöbelt, leert die Pulle, kotzt.
Die schwüle Zugluft stinkt nach Schweiß und Fritten.

Mit Funkelaugen nähert es sich, schreit
erschreckend schrill im Dunkel, poltert laut:
Das Untier macht die Münder weit und speit
die Menschenmasse aus - schon halb verdaut.

Ich bleib hier unten zwischen all den Übeln,
denn oben schüttet es seit Stunden wie aus Kübeln.

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Kommentare zu diesem Text


 Didi.Costaire (07.08.14)
Ja, so ungefähr sieht das pralle U-Bahn-Schacht-Leben aus, wenn auch in der Realität alles nicht ganz so geballt kommt wie in der auf vierzehn Zeilen heruntergebrochenen Dichtung. Obwohl ich eher die Menschenmasse als die Bahn für das Untier halte, gefällt mir deine lebendige Beschreibung gut.
Liebe Grüße, Dirk

 Irma meinte dazu am 07.08.14:
Oh doch, Dirk, hier an den Berliner U-Bahnhöfen dreht sich einem manchmal wirklich der Magen um. Das Sonett hätte sicher ebenso gut zum Thema "Ekel" gepasst, das es hier bei KV auch gibt.

Ich freue mich über die gute Bewertung und darüber, dass dir beim Lesen nicht schlecht geworden ist. LG und Dank, Irma
(Antwort korrigiert am 07.08.2014)

 Lluviagata (07.08.14)
Kraftvolle Worte hast du gefunden, liebe Irma!
Kraftvoll, wie es sich für die aus allen Richtungen gewaltig daherkommenden Eindrücke geziemt, die man von diesem Lindwurm bekommt.

Lediglich in der letzten Verszeile der ersten Strophe fehlt mir der Bezug zu dem, der sich das Leben nahm; sie sagt mir nicht deutlich genug, ob sich der Aufzug oder ein Mensch das Leben genommen hat. Mit "jemand" wärst du vielleicht etwas deutlicher.

Gefällt mir!

Liebe Grüße
Llu ♥

 Irma antwortete darauf am 07.08.14:
Danke, Llu! Gerade diese Stelle ist mir auch nach dem Einstellen noch sauer aufgestoßen. Ich war am überlegen, ob ich sie in "Gestern nahm sich irgendwer ..." abändere, wollte aber das "Gestern erst" nur ungern zerstören. Das ist bei deinem Vorschlag nicht nötig! Danke! LG Irma
holzköpfchen (31)
(07.08.14)
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 Irma schrieb daraufhin am 07.08.14:
Wenn man am Folgetag den gleichen Umsteigebahnhof "passieren" muss, an dem am Tag zuvor ein sogenannter Notarzteinsatz war, an dem aber nun wieder alles wie gewohnt zähflüssig fließt, als sei nie etwas gewesen, dann kann einem schon irgendwie übel werden. Und wenn einem erst einmal ordentlich schlecht ist, findet man alles nur noch zum Kotzen. Die Menschenmasse besteht nicht mehr aus einzelnen Individuen, sondern ist nur noch ein ekelhaft stinkender Brei. Dennoch bleibt LyrIch freiwillig ein bisschen länger als unbedingt nötig in dieser Hölle, weil es nur noch die Wahl zwischen zwei Übeln hat. Der stundenlange Regen oben (überlange Zeile) scheint dabei das größere zu sein. Lieben Dank und Grüße zurück, Irma
janna (66)
(07.08.14)
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 Irma äußerte darauf am 08.08.14:
Ja, über so etwas geht man im allgemeinen zügig hinweg. Ich danke dir ganz herzlich, liebe Janna, für Lob und Empfehlung. LG Irma

 Jorge ergänzte dazu am 08.08.14:
Meine Meinung wurde in jannas Kommentar sehr gut beschrieben.
Eine treffliche Beobachtung im U-Bahnschacht.
Mit Monatskarte kann man dem Regen oben ein Schnippchen schlagen und so viel vom Leben unten sehen
dass einem schlecht wird.

 Irma meinte dazu am 08.08.14:
Oh ja, Jorge, ne  Monatskarte is schon cool, nich wahr? ) Viele Grüße aus dem wilden berliner Untergrund, Irma
(Antwort korrigiert am 08.08.2014)

 Jorge meinte dazu am 08.08.14:
Nicht schlecht dein Dschango !!

 Irma meinte dazu am 08.08.14:
Nicht wahr? )

 plotzn (09.08.14)
Sehr eindringlich beschrieben, liebe Irma! Ist es Zufall, dass viele Gewaltexzesse an U-Bahnhöfen passieren?
Ich hoffe, Du bist der Unterwelt wieder heil entstiegen, nachdem sich der Wasserfall erschöpft hat.

Liebe Grüße, Stefan
(Kommentar korrigiert am 09.08.2014)

 Irma meinte dazu am 11.08.14:
Nun ja, ich war klitschenass und musste höllisch gut aufpassen, nicht auch noch Zug zu kriegen. Herzlichen Dank, lieber Stefan. LG Irma
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