2 - In einem richtigen Leben

Erzählung zum Thema Beziehung

von  Moja

Schweigen in der Telefonleitung, verklungen die einsilbigen Antworten, nur noch konzentriertes Schweigen zwischen ihnen. Tariq saß da, rauchte nervös. Würdest du mir helfen, hatte er Elke gefragt, ich bin auch Afrikaner. Warum kannst du das nicht auch für mich tun? Elke erschrak, ein Araber, der sich als Afrikaner bezeichnete. Nein, hatte sie geantwortet, nein.
„Warum sind wir uns begegnet?“, fragte er nach einer Weile, „warum denken wir aneinander?“
Elke hörte seine heftigen Atemzüge. Er stieß Rauch aus, das Geräusch drang durch die Leitung wie ein Vorwurf. Sie fasste den Hörer fester, lauschte in sein Schweigen, als ob er ihr entgleiten könnte wie dieses Gespräch. Ausatmen, Einatmen, Trinkgeräusche, wenn er zum Wasserglas griff. Sie sah ihn vor sich, kannte diesen Ausdruck von Verzweiflung in seinem Gesicht, den umherirrenden dunklen Blick, den melancholischen Zug um seinen Mund, seine Stirn schien höher und seine Haut so zart und verletzlich. Das Schweigen zwischen ihnen verdichtete sich wie der Rauch in seinem Zimmer.
„Ich liebe dich sehr“, sagte er ernst.
Nicht noch einmal heiraten, dachte sie, einen Ausländer ohne Papiere, das ist keine Basis für eine Liebe, eine Ehe. So beginnt das Ende. Sie hatte es erlebt. Energisch schüttelte sie den Kopf. Ihre Atemzüge drangen zueinander. Sie fühlte sich unwirklich, spürte, wie er dasaß, rauchte und gegen diese Wand aus Stille ankämpfte. 
„Heirate mich!“, drängte er sie, „ich helfe dir bei der Scheidung.“
„Nein!“, sagte Elke entschieden. Sie wollte in keinem anderen Leben mehr gefangen sein. Ihr blieb ein Gefühl von Ernüchterung, Entmutigung, Verlust. Was war es wirklich? Eine verpasste Chance? Etwas, das grundlegend misslungen war. Nie meint die Liebe den, der vor einem steht. Meistens suchte sie nach einer Erinnerung, einer Illusion, einer Idee von etwas. Wird die Idee real, verflüchtigt sich die Liebe. Als sie einander trafen, kamen sie mit jedem Schritt dem Trennenden näher, das sie nicht überbrücken konnten, ohne sich selbst zu verzerren.
„Das ist Liebe, richtige Liebe“, fing er wieder an.
Sie empfand nur Leere wie einen unsichtbaren Abgrund.
„Gott hilf mir, hilf mir, Gott!“, stöhnte Tariq.
„Es ist keine Liebe. Wir haben beide geträumt.“, sagte Elke leise.
Tariq legte auf.
Sie hielt wie betäubt den Hörer in der Hand, die Leitung war tot. Zwei Uhr nachts.

(Auszug) – Fortsetzung folgt –

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Kommentare zu diesem Text

Stelzie (55)
(26.09.20)
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 Moja meinte dazu am 26.09.20:
Danke, Kerstin!
Morgen geht's weiter...

Moja grüßt
Sätzer (77)
(26.09.20)
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 Moja antwortete darauf am 26.09.20:
Abwarten & Tee trinken

Moja grüßt!

 IngeWrobel (26.09.20)
Sehr gut nachvollziehbar geschrieben mit einigen sprachlichen "Highlights": "Das Schweigen zwischen ihnen verdichtete sich wie der Rauch in seinem Zimmer." "Ihre Atemzüge drangen zueinander."
Ja, auch ich bin gespannt auf eine Fortsetzung.
Liebe Grüße
Inge

 Moja schrieb daraufhin am 26.09.20:
Dankeschön, liebe Inge, auch für den Korrekturhinweis!
Morgen geht's weiter...

Liebe Grüße,
Moja

 EkkehartMittelberg (26.09.20)
Hallo Moja, du kannst auch sehr einfühlsam über fiktive Realität erzählen, nicht nur über Träume.
Bis jetzt scheint mir Elkes Skepsis berechtigt.
Liebe Grüße
Ekki

 Moja äußerte darauf am 27.09.20:
Mal sehen, was aus den beiden wird, Ekki, es gibt so viele Tariks und Elkes in ähnlicher Situation, Dein Kompliment freut mich besonders.

Lieben Gruß,
Moja

 TassoTuwas (27.09.20)
Hallo Moja,
"Meistens sucht man nach einer Erinnerung, einer Illusion..."
Du muss man doch weiterlesen!
Liebe Grüße
TT

 Moja ergänzte dazu am 27.09.20:
Hallo TT,
ja, mach mal, ich bin schon auf Deine Nr. 11 gespannt, wo ist Doro?

Lieben Gruß,
Moja

 AchterZwerg (27.09.20)
Ja, ja, "das richtige Leben im falschen" (Adorno), der Araber, der sich als Afrikaner versteht ... all dies lässt auf inteeressante weitere Aspekte schließen. Denn es ist kaum zu glauben,

Gruß
der8.

 Moja meinte dazu am 27.09.20:
Das gibt es nicht - und was ist schon wahr und richtig?
Eine verzwickte Geschichte.

Danke, 8.!
Grüße heiter zurück,
Moja
Al-Badri_Sigrun (61)
(02.10.20)
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 Moja meinte dazu am 02.10.20:
Das sehe ich wie Du, liebe Sigrun,
es gehört enorm viel Kraft dazu, diesen Schritt zu tun und belastet die Ehe in Folge auch sehr. Das glückt nicht vielen auf Dauer. Die Schwierigkeiten sind vorprogrammiert.

Mal sehen, wie ich die letzten Teile hinbekomme, mir geht vieles durch den Kopf.

Lieben Dank und sei herzlich gegrüßt,
Moja
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