50 plus

Text

von  Mondscheinsonate

Jetzt bekomme ich schon Einladungen für 50+ Veranstaltungen und eine Zeitschrift "50 plus", beiden schrieb ich, dass ich NOCH 47 bin und dann 48, danach 49, wir wollen es hoffen, später dann 50 und bis dahin will ich von ihnen verschont bleiben, sie mögen mich aus dem Verteiler streichen. 

Papa regte sich auch auf als er mit 60 solche Zeitschriften bekam und wie er sich aufregte! Meine Schwester hingegen, die war cool, blätterte mit 50 die Zeitschrift durch und rief dann den Verlag an, fragte:"Warum heißt die Zeitschrift "50 plus", wenn fast nur Veranstaltung für "60 plus" darin sind? Das Rückenturnen wäre doch interessant, aber sie sei zu jung, das ist doch eine Frechheit! Herrlich.

Meine Kusine ist 61 und sieht jünger aus als ihre 30 jährigen Kinder. Das ist etwas bedenklich. Aber, ich bin sicher, auch sie hat diese Zeitschriften schon bekommen. Keiner kommt daran vorbei. Das amüsiert mich schon. 

Nachdem ich das Buch "Lifespan" las, das mich faszinierte, es geht um das Aufhalten des Alters, dachte ich mir so im Stillen, was nützt das junge Aussehen und die Lebensverlängerung? Eine Frau, sie war 102, jetzt ungelogen, saß vor dem MRT und weinte bitterlich. Ich fragte, ob ich helfen könnte? Da sagte sie:"Ich bin pumperlgesund!"

Da sah ich sie an und sagte:"Das ist doch gut!" Sie schüttelte den Kopf, meinte:"Alle meine Freunde und Familie sind schon gestorben! Ich bin ganz alleine, ich will sterben!"

Das war schlimm, wirklich schlimm. 

Am selben Tag führten sie einen kleinen hübschen Jungen herein, er kam aus dem St.Anna Kinderspital, wo krebskranke Kinder liegen. Ich fragte:"Magst du eine Schokolade?" Er sagte:"Gib die Schoki der Mama, die weint so viel, weil ich bald sterben muss." 

Beide Extreme sind unerträglich gewesen. 

Anders, ich erzählte bereits, das 18 jährige Mädchen, die junge Frau, die fröhlich war, trotz Todesurteil. 

Hermann Hesse schrieb sinngemäß:"Wir können das Leben nicht verlängern, noch verbreitern, jedoch vertiefen."

Im Grunde hat der kleine Junge sein kurzes Leben bereits vertieft, nämlich durch Mitgefühl. Er starb ein paar Wochen später an Metastasen im Gehirn. Es ist unerträglich. 


Ich blättere nun auch in dem Heft, so schlimm ist es nach meinen Erinnerungen doch nicht. Und, seine restliche Zeit mit Hass zu verbringen, das ist sicher "sinnvoll". Darüber sollte man zwischendurch einmal nachdenken. 




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Kommentare zu diesem Text


 eiskimo (19.02.24, 07:05)
Du verstehst es, "schwere" Themen ohne Pathos und falschen Zungenschlag vor Augen zu führen. Lebensnah und Mut machend.
Ein Ü70 dankt.
Eiskimo

 Mondscheinsonate meinte dazu am 19.02.24 um 07:58:
Liebe Grüße!

 Redux (19.02.24, 07:24)
Sehr gute Gedanken. Und ein Hesse bringt es auf den Punkt.

 Mondscheinsonate antwortete darauf am 19.02.24 um 07:58:
Find ich auch.

 LotharAtzert schrieb daraufhin am 19.02.24 um 17:44:
Ich finde auch, daß Hessen punkten sollen, aber das Komma ist auch nicht übel ...

 Dieter_Rotmund (19.02.24, 11:48)
Die Anekdoten im Mittelteil sind mir persönlich zu rührselig, die Rahmenhandlung finde ich jedoch durchaus ansprechend, auch wenn mir solche Zeitschriften fremd sind und mir noch nie selbige angeboten wurden...

 Graeculus äußerte darauf am 19.02.24 um 16:23:
Ich glaube nicht, daß jemand, der mal im Krankenhaus gearbeitet hat, das als rührselig empfindet. Es ist Alltag dort.
Ich hab's im Zivildienst erlebt.

 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 19.02.24 um 16:44:
Das habe ich mitnichten behauptet.

MSNs Schilderung finde ich zu rührselig, nicht der tatsächliche Krankenhausalltag!

 Graeculus meinte dazu am 19.02.24 um 17:17:
Wegen der Verwendung von Adjektiven wie "schlimm" und "unerträglich", also die Beschreibung ergänzenden Gefühlsäußerungen?

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 19.02.24 um 17:25:
Ja, und weil alle im Mittelteil als so unglaublich selbstlos geschildert werden.
Ich habe auch Zivi gemacht!

Die Verwendung der Adjektive an sich ist schon fragewürdig, da hast du recht...

 Mondscheinsonate meinte dazu am 20.02.24 um 06:13:
Wo ist die die alte Dame selbstlos? Klingt nicht so. Wo ist eine 18 jährige Krebskranke selbstlos, wenn sie fröhlich ist? Ja, der Bub ist selbstlos. Es war so, wenn dich das nicht berührt, so ist das deine Sache. Tatsächlich.

 Graeculus (19.02.24, 15:50)
Auch Werbung kann kränkend sein. Wappne Dich mit Gleichmut. In 30 Jahren wird es welche für Rollatoren, Seniorenheime, Treppenlifte und Medikamente gegen Blasenschwäche sein.

Und ja, manche haben schon in weit jüngeren Jahren wirkliche Probleme.

Kommentar geändert am 19.02.2024 um 15:51 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 19.02.24 um 16:21:
Da sah ich sie an und sagte:"Das ist doch gut!" Sie schüttelte den Kopf, meinte:"Alle meine Freunde und Familie sind schon gestorben! Ich bin ganz alleine, ich will sterben!"

Auch das ist wahr. Im Alter wird man zunehmend einsam, vor allem, wenn man keine Kinder hat ... und manchmal selbst dann.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 20.02.24 um 06:13:
Schlimm.

 Saira (20.02.24, 10:28)
Moin Cori,

wer im Krankenhaus arbeitet, erlebt hautnah die Bandbreite von traurigen, tragischen, aber auch mutmachenden Schicksalen.

Du hast ein paar beleuchtet – ganz ohne aufgesetzte Rührseligkeit.

Liebe Grüße
Sigi

 Mondscheinsonate meinte dazu am 20.02.24 um 18:20:
Und in der Juristerei. Arge Extreme.
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