Senecas Pirouetten

Groteske zum Thema Tod

von  loslosch

Ridiculum est currere ad mortem taedio vitae, cum genere vitae, ut currendum ad mortem esset, effeceris (Seneca, um die Zeitenwende bis 65 n. Chr.; Epistulae morales - zit. nach Epikur, 3./4. Jh. v. Chr.). Es ist lächerlich, aus Lebensüberdruss in den Tod zu gehen, wenn man es nach seiner Lebensweise (ohnedies) so weit gebracht hat, dem Tod zwangsweise entgegenzueilen.

Eine banale Einsicht. Übertragen auf den Fall des schweren Alkoholikers: Es macht keinen Sinn, sich das Leben zu nehmen, wenn die Suchtkrankheit das letale Stadium bereits erreicht hat. Seneca musste sich schützen, tarnen, als er dies niederschrieb. Nach dem Rückzug aus der aktiven Politik und der Aufgabe seiner Beratertätigkeit am Hof Neros wurde er von Todesahnungen umgetrieben; denn als ehemaliger Mentor Neros wusste er um die geistige Verfassung seines Exschülers und unberechenbaren Imperators. Makabererweise kündigt Seneca mit der Wiedergabe des schlichten Gedankens von Epikur seine späteren Todesumstände in Umrissen an: Wozu soll ich mir aus freien Stücken das Leben nehmen, wenn mir Nero demnächst den Befehl zum Selbstmord erteilt?

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(11.02.15)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 loslosch meinte dazu am 11.02.15:
vermutlich ja. ich fand den hinweis beim rührigen gottwein:

"Epikur sagt, indem er diejenigen, die den Tod sehnlich wünschen, nicht minder scharf als diejenigen tadelt, die ihn fürchten: Es ist lächerlich, aus Lebensüberdruss in den Tod zu eilen, wenn man es durch die Art seines Lebens dahin gebracht hat, dass man in den Tod eilen muss."

 hier.

dort ziff. 24,22.
AbrakadabrA (45)
(11.02.15)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 loslosch antwortete darauf am 11.02.15:
die gotteskrieger missverstehen dich, aron.

 TrekanBelluvitsh (11.02.15)
Kommt es mir nur so vor, oder spart dieses Sätzchen (clevererweise) den Punkt Verantwortung aus? Ich gehe mal nicht davon aus, dass erst die Aufklärung die Verantwortung erfunden hat...

 loslosch schrieb daraufhin am 11.02.15:
nicht so hoch aufhängen. lies den link oben zu graeculus im rekom.

 TrekanBelluvitsh äußerte darauf am 11.02.15:
Hm, mehr als die römische Vorstellung, das Selbstmord etwas ehrenhaftes ist, sehe ich dort nicht, um ehrlich zu sein...

 loslosch ergänzte dazu am 11.02.15:
der suizid wurde schon in der antike kontrovers erörtert:

 hier.

siehe ziff. 7.1 dort.

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 13.02.15:
Nun, dass es aber ein starke Partei gab, die den Selbstmord für ehrenhaft hielt, ist ja schon ein Unterschied zu unserer heutigen Zeit.

Mir fällt gerade ein Zitat (sinngemäß) ein. Bin nicht mehr sicher, ob es von einem japanischen General oder einem amerikanischen Journalisten stammt. Auf jeden Fall bezieht es sich auf japanische Soldaten im Zweiten Weltkrieg.

"Sie verstehen es, für den Kaiser zu sterben, aber sie verstehen es nicht, für den Kaiser zu leben."
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram