Ein geschwollener großer Zeh

Erzählung zum Thema Glaube

von  Bluebird

Bis zu der im September beginnenden theologischen Ausbildung  waren es noch drei Monate. Aber noch ehe ich mir groß Gedanken darüber machen konnte, wie ich die Zeit überbrücken sollte, trat eine unerwartete Begebenheit ein.

Ich hatte zusammen mit Sven einen Abendgottesdienst bei den Afrikanern mitgemacht, als Jacky, eine Farbige, auf mich zukam und fragte: "Siehst du den Mann da vorne?" Ich schaute in die gewiesene Richtung und sah einen stämmigen, weißen Mann mittleren Alters. "Das ist John! Er ist ein Südafrikaner und übernachtet zur Zeit im Obdachlosenheim. Kein guter Platz! Könntest du ihn nicht eine Weile bei dir aufnehmen!"
    Angesichts meiner wirklich sehr kleinen Wohnung hätte ich eigentlich mit "Nein!" antworten sollen, aber ich sagte ohne groß zu überlegen: "Ja, warum nicht!"  Und so kam es, dass John und ich uns wenig später auf den Weg zu meiner Wohnung machten. Aber zuvor  noch kurz im Jesushaus vorbeischauten.
    "Das liegt doch auf dem Weg", hatte Jacky gesagt, " Frau Hinze  sucht jemanden, der ihr das Sofa aus dem Keller hochträgt. Für so kräftige Burschen wie Euch doch kein Problem, oder?"  "Klar, machen wir, "  antwortete ich, wobei mir der kleine Gag durchaus nicht entgangen war. Gegenüber dem wirklich kräftigen John war ich, obwohl gleich groß,  ein Leichtgewicht!
   
Aber ausgerechnet dem kräftigen John passierte dann ein Missgeschick. Wir waren schon in der Wohnung von Frau Hinze, als ihm das Sofa aus der Hand rutschte und der Pfosten genau auf seinen rechten großen Zeh fiel. Binnen Sekunden war der dick geschwollen und Johns schmerzverzerrtes Gesicht sprach Bände.
    Schwer humpelnd schaffte er es aber doch bis zu meiner Wohnung, wo wir den Fuß  gleich in kaltes Wasser tauchten. Das fängt ja gut an, dachte ich. Aber irgendwie fand ich es gut, dass John raus aus dem Obdachlosenasyl war. Und der Rest würde sich schon ergeben!


Anmerkung von Bluebird:

Folge 65 meiner autobiografischen Erzählung (1985 -...)

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