Der Weg ins Chaos

Gedicht zum Thema Orientierung

von  GastIltis

Das Vermächtnis des Herrn

Benoît Mandelbrot (1924 – 2010)


Die Mauern waren das Verderben,

denn Steine wurden weich wie Brei.

Ein See bestand aus lauter Scherben

und auch der Vollmond brach entzwei.


Ein Lichtstrahl irrte um die Ecke.

Der Blitz verfiel dem Größenwahn.

Die Menschen hingen an der Decke

und glotzten sich nur baumelnd an.


Im Wurstblatt fehlte jede Zeile.

Denkmäler stürzten ein zuhauf.

Der Himmel gab vor Langeweile

die klassische Mechanik auf.


Das Nichts verwechselte die Seite

und war verhältnismäßig stumm.

Vier Rechenarten gingen pleite

und plötzlich fiel ein Buddha um.


Ein Schmetterling im Reich der Mitte,

sein Name war Rabindranath,

bat dann zu seiner Vollkornschnitte

um etwas Natriumsulfat.


Von Ordnung war nicht mehr die Rede.

Das Chaos nahm jetzt überhand.

Das war Herrn Mandelbrotes Fehde,

selbst Göttern völlig unbekannt.





Anmerkung von GastIltis:

Empfohlen von: Drita, AchterZwerg, franky, Tula, plotzn, Saira, Teo, EkkehartMittelberg,
TassoTuwas, uwesch, AZU20, willemswelt, Didi.Costaire.
Lieblingstext: Drita, AchterZwerg, franky, Tula, plotzn, Saira, Teo, EkkehartMittelberg.
Nichts verwechselt!

Total neben der Spur: Rosalinde.

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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (01.12.23, 06:25)
Ein köstlich-fantastisches Gedicht, nah an einem der Mandelbrotschen Forschungsobjekte!

Sprachlich elegant umgesetzt. Ächt schee!

 GastIltis meinte dazu am 02.12.23 um 10:57:
Hallo Achter, 
nun muss ich doch nach oben springen, nachdem ich erst unten angefangen habe. 
Also vielen Dank für deine Wertung, die ich so gar nicht erwartet hatte. Man weiß ja nie!
Liebe Grüße von Gil.

 Didi.Costaire (01.12.23, 07:47)
Man muss mit allem rechnen, Gil. Auf geistreiche Gedichte von dir kann man zählen. 

Schöne Grüße, 
Dirk

 GastIltis antwortete darauf am 02.12.23 um 11:00:
Hallo Dirk, 
du sagst es: rechnen und zählen. Ohne diese Begriffe kommt die Geometrie nicht aus. Und sicher die fraktale Geometrie erst recht nicht, obwohl es einige Experten erst nicht wahrhaben wollten.
Viele herzliche Grüße von Gil.

 willemswelt (01.12.23, 10:36)
auch ein Chaosweg von Freund Gil läßt immer noch den Humor als Begleiter mitfliegen-also werde ich ihn auch mal begleiten, um dem Winter seine Frostigkeit zu nehmen-einen solchen Gruß,Willem

Kommentar geändert am 01.12.2023 um 10:36 Uhr

 GastIltis schrieb daraufhin am 02.12.23 um 11:04:
Lieber Willem, 
so ist es. Wer den (oder die) richtigen Begleiter und Freunde hat, ist stets gut beraten. In guten und in weniger guten Zeiten. Deine Zuverlässigkeit und Flugsicherheit erfreuen mich immer wieder. 
Herzlich Gil.

 AZU20 (01.12.23, 11:12)
Sehr gelungen. LG

 GastIltis äußerte darauf am 01.12.23 um 18:15:
Danke Armin, 
jetzt, wo du es sagst, finde ich es auch. 
Liebe Grüße von Gil.

 Tula (01.12.23, 13:00)
Hallo Gil
Köstlich, mein Lieber. Wenn sogar ein Buddha plötzlich umfällt, ist so einiges aus dem Lot  da können die Götter nur so staunen. Mein Lieblingsbild im Gedicht sind die Menschen, die ziemlich hilflos an der Decke hängen. Das erinnert sofort an das berühmte Fraktal.

Die Sache mit diesen ist ja ohnehin faszinierend. Eines unserer Programme beim Studium, das war nicht einmal schwer und bald keimten, blähten sich und platzen die kleinen Apfelmännchen, dass uns die Augen übergingen.
Ganz ernsthaft: das Vermächtnis des Herrn Mandelbrot ist wohl, dass Ordnung und Chaos untrennbar miteinander verbunden sind, das eine beinhaltet das andere. In steter Wiederholung natürlich, wie alles ...

LG Tula

 GastIltis ergänzte dazu am 01.12.23 um 18:14:
Hallo Tula,
ich muss gestehen, dass ich mich mit den Fraktalen nie näher beschäftigt hatte. Wie mir da vor einigen Jahren die Zeilen gelingen konnten, ist mir heute noch schleierhaft. Aber es sind schon frappierende Erkenntnisse, zu denen Benoît Mandelbrot zu seiner Zeit die Türen geöffnet hat. Und es scheint noch nicht das Ende der Fahnenstange zu sein. Wir treten an zum Appell!
Danke und sei herzlich gegrüßt von Gil.

 plotzn (01.12.23, 15:39)
Servus Gil,

gestatte mir ob des autobiographischen Titels Deines Gedichts eine Warnung:

Bei so viel Chaos, wie du stiftest,
(schieb's bitte nicht auf Mandelbrot)
scheint mir, dass du allmählich driftest,
mit klarem Ziel Fraktalpilot.


Noch ist es nicht zu spät, auf den Pfad der ordnungsgemäßen Tugend zurückzukehren.

Liebe und gutgemeinte Grüße
Stefan

 GastIltis meinte dazu am 01.12.23 um 17:02:
Mein ehrenwerter Herr „Stefan“!

Obwohl mir deine Warnung droht,
ist sie für mich doch nur ein Klacks.
Denn ich seh für dich mehr als rot,
ich heiße Gil und du bist Quax!

Der von dir geprägte Begriff Tugend kommt von taugen und steht für Termini wie Brauchbarkeit, Tüchtigkeit und auch Kraft, die in keinem Widerspruch zu einer Weg- oder Pfadbezeichnung, wohin auch immer, stehen.
Ich freue mich immer, wenn jemand den Ausdruck „autobiografisch“ verwendet, ohne das Wort Selbstschussanlage hinzuzusetzen.
Mit dankbaren Grüßen Gil.

Antwort geändert am 01.12.2023 um 17:05 Uhr

 Rosalinde meinte dazu am 01.12.23 um 18:38:
Schwer zu deuten, Gil, wenn man den Herrn Mandelbrot mit seinen Ideen nicht kennt. Es fehlt also eine Erklärung, wofür der Mann eigentlich steht.

Der Text erscheint mir - ich will nicht sagen, zwangsgereimt -, ich bin aber der Ansicht, dass es dir mehr um die Technik als um das Inhaltliche ging. Nur Inhalt und Form, wenn sie sich die Waage halten, das ist ein literarischer Text. Ich muss wohl nicht erklären, dass hier die Waage aus ihrer Rolle kippt.

Leider frage ich mich allen Ernstes, wen und was du eigentlich ansprichst. Das Gedicht liest sich, oberflächlich betrachtet, ganz ansprechend, als Leser allerdings weiß ich zumindest nicht, wohin mit all den sogenannten Metaphern, sie lassen sich für mich nicht deuten.

Zum Beispiel der umgekippte Bhudda. Du spielst auf Indien an. Weißt du, wer Tagore war? Er ist für dich, will mir scheinen, nur eine Draperie deines Gedichtes, Bildungsschwulst, der ein Gedicht so ansprechend aufhübschen kann.

Insgesamt, und das ist meine Einschätzung, fehlt der "rote Faden" in deinem Gedicht ohne die Erklärung des Herrn Mandelbrot. Und nicht nur das, ich kann mir kaum vorstellen, dass er, so wie du mit ihm umgehst, mit dir
einer Ansicht wäre. Ich jedenfalls würde es mir nicht gefallenlassen.

Lieben Gruß, Rosalinde

Antwort geändert am 01.12.2023 um 18:41 Uhr

 GastIltis meinte dazu am 01.12.23 um 20:26:
"Lesen ohne zu denken ist dasselbe, wie wenn man Baustoffe anhäuft, ohne etwas damit zu bauen." R.T.
Nun versuch du mal eins von beiden!



Ergänzung: 

Erstens: Buddha, Buddhismus: 88 Millionen Buddhisten leben in China, 83 Mio in Japan, 65 Mio in Thailand und 48 Mio in Myanmar, um die wichtigsten zu nennen. In Indien leben weniger als 10.000 (zehntausend).
Dazu, wo der Buddha umfiel, habe ich mich nicht geäußert. 

Zweitens: Der Dichter, Nobelpreisträger, Maler, Musiker, Universalgelehrte Tagore kommt in meinem Gedicht überhaupt nicht vor.

Drittens: Das Reich der Mitte ist China!

Viertens: Einen Schmetterling Rabindranath zu nennen, ist wohl überall auf der Welt legitim, auch im Land der Mitte. Kein Mensch käme z.B. auf die Idee, jemand mit dem Vornamen Boris, wie einen ehemaligen Tennisspieler, einen Oberbürgermeister oder einen deutschen Kriegsminister dem Staat Russland wegen seines Vornamens zuzuordnen.

Übrigens hat man genannten Nobelpreisträger in seiner Jugend bzw.Kindheit Rabi gerufen, was etwa dem Wolle für Wolfgang entsprechen könnte, wenn man gutwillig ist.

Fünftens Zur Deutung: KV hat eine Vielzahl intelligenter User. Jeder (m, w, d), der einen Text liest, bewertet und kommentiert, interpretiert ihn auf seine Weise. Das kann man auch an dem Gedicht „Der Weg ins Chaos“ erkennen.

Antwort geändert am 03.12.2023 um 13:10 Uhr

 Teo (01.12.23, 18:34)
Hi Gil,
Ein herausragendes Werk, in dem unglaubliche Dinge geschehen.
Dank deiner Wortgewalt entfaltet sich, einzündet sich ein wahrhaftes Erlebnisfeuerwerk.
Danke
Ergebene Grüße 
Teo

 GastIltis meinte dazu am 02.12.23 um 11:08:
Danke Teo, 
deine Überschwänglichkeit ehrt dich mehr als mich. Dennoch freut sie natürlich sehr. Zeigt sie doch, dass man sich auch an Dingen erfreuen kann, deren Ausmaße zu ermessen oft schwierig sind. Wenn man etwas Phantasie mitschwingen lässt.
Ganz herzlich grüßt dich Gil.

 EkkehartMittelberg (01.12.23, 19:09)
Hallo Gil,

das Chaos war schon immer der Quell für eine neue Ordnung. Solche erleuchtenden Metaphern über das Chaos habe ich vorher noch nie gelesen.

Anerkennende Grüße
Ekki

 GastIltis meinte dazu am 01.12.23 um 20:15:
Lieber Ekki, 
dass die Chaostheorie mit Hilfe der fraktalen Geometrie die Wissenschaft einmal derartig revolutionieren könnte, ist wahrscheinlich selbst Benoît Mandelbrot nicht voll bewusst gewesen, zumindest nicht zum Anfang seiner Tätigkeit. Dass die Fraktale in der heutigen digitalen Zeit fast nirgends mehr heraus denkbar sind, müssen sich viel erst einmal bewusst machen. Aber allein dein erster Satz ist hier schon an Aussagefähigkeit nicht zu überbieten. 
Danke und sei herzlich gegrüßt von Gil.   

 TassoTuwas (02.12.23, 13:05)
Lieber Gil,
ein solches Chaos erschreckt mich nicht!

Allerdings frage ich mich, wie lang das Gedicht wohl sein muss, dass die damit verbundenen Aufräumarbeiten beschreibt?
Und eines ist mir auch klar, bezahlen wird den ganzen angerichteten Spaß, wie immer der kleine Mann, also ich :( !

Herzliche Grüße
TT

 GastIltis meinte dazu am 02.12.23 um 16:39:
Mein lieber Tasso,
hier gilt wie immer, du deutest es schon an, das Grundprinzip: Den Letzten beißen die Hunde! In dem Fall also dich als kleinen Mann (und mich mit). Nun ist es ja im Kapitalismus oft so, dass während der Anrichtung von Schäden, der Ukrainekrieg ist das beste Beispiel, die Großkonzerne, angeführt von der Weltbank, schon mit den Hufen scharren, um mit den Aufräumarbeiten beginnen zu können. So hat sich das aber Benoît Mandelbrot nicht gedacht. Mit der Entdeckung der fraktalen Geometrie der Natur hat er nicht nur die Voraussetzung für den Einsatz in der Mathematik geschaffen, sondern auch nachgewiesen, dass alles seinen natürlichen Ursprung hat. Aber vielleicht stimmt es sogar, wie du es formulierst. Aus dem, was im Kleinen entsteht, bleibt immer im Maßstab deckungsgleich das, was wir nicht wollen: Wir sind die Dummen!
Sei herzlich gegrüßt von Gil.
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