Hass und Literatur - ein Beitrag auch zur Ergründung des sogenannten rauen Tons auf Internetliteraturforen

Essay zum Thema Literatur

von  toltec-head

Hass ist wie Liebe ein Luxus-Phänomen, man muss vor allem Zeit und Muße dazu haben. Der Krieg ist zum Beispiel kein Hass-Phänomen sondern entspringt dem gleichen Gruppenkonformismus, aus dem heraus in Zeiten des Friedens eben auf Frieden gemacht wird. Kein Soldat hat Zeit und Muße seinen Feind zu hassen, man tötet einander ohne sich zu kennen, in modernen Kriegen zumeist sogar auch ohne einander zu sehen. Wer aus dem Gruppenkonformismus von Krieg und Frieden aussteigen will, muss lernen zu hassen. Wahlweise auch: zu lieben; aber da zu lieben meist mit einer Form von Bequemlichkeit verwechselt wird, nämlich mit der Liebe der schönen Seelen, die meinen, lieben zu können ohne zu hassen, ist es sicherlich besser, weil weniger bequem, mit dem Hass anzufangen.

Nirgendwo kann man so gescheit hassen wie in der Literatur und nirgendwo geht dies so gut wie in Internetliteraturforen. Le style, c´est l´homme même, sagt Buffon. Im Stil steckt der ganze Mensch.  In der Art und Weise wie jemand schreibt, tritt dieser uns als ein Kondensat seiner selbst entgegen, die Schön- oder Hässlichkeit aber auch die Gewaltbereitschaft seines Körpers können uns von seiner Dumm- oder Gewitztheit nicht ablenken. Wir sind endlich frei ihn von ganzem Herzen ungetrübt durch die Unannehmlichkeiten der Notwendigkeit des praktischen Zusammenlebens auf eine purifizierte Weise zu hassen. Dies gilt in besonderer Weise für Internetliteraturforen, in denen die Schreibe des anderen einen unvermittelt durch Namen, Ruf und Institutionen trifft, die einen vergleichbar mit seinem Körper von seiner Dumm- oder Gewitztheit ablenken können. Auf Internetliteraturforen sieht man sofort, dass das meiste, was geschrieben wird, einfach nur dumm ist und nichts hindert uns daran, es gerechterweise zu hassen. Der Ton auf Internetliteratuforen kann so gesehen gar nicht rau genug sein. Man sollte sich glücklich schätzen, Zeit und Muße zu haben, seinen Hass an einem Ort hinausposaunen zu können, wo das Gewaltpotenzial des Körpers effektiv ausgeschaltet ist.

"Hart in der Sache, geschmeidig im Ton" ist ein heute läppischer Rat, da er auf ältere Kulturen gemünzt ist, wo man ständig mit der physischen Anwesenheit des anderen - seines stinkenden, gewaltbereiten Körpers - rechnen musste. In Zeiten des Internets, wo jeder Dummkopf seine Dummheiten publizieren kann und wo einem schlagartig klar wird, dass der Satz von Buffon eben auch bedeutet, dass der Nicht-Stil der allermeisten im Grunde deren Nichtigkeit offenbart, gelten andere Gesetze. Es ist geradezu eine Pflicht, Dummheiten in Internetliteraturforen in drastischer Weise, also durchaus im harten Ton, zu entlarven. In der Sache selbst ist hingegen kein übertriebener Ernst angebracht, du kannst sie mit ein wenig geschmeidiger Ironie ruhig einfach zum Amüsement betreiben, und dies dem anderen sogar auch versteckt zu erkennen geben. Der andere mag ein Dummkopf sein und die Welt ohne ihn kein Stück ärmer, ernst nehmen musst du ihn aber trotzdem nicht, denn es geht hier ja nur um sein Geschreibs und nicht um die schwierige politische Frage, wie man mit seinem stinkenden und gewaltbereiten Körper umgehen sollte. Vermutlich wird die Lösung des angedeuteten schwierigen politischen Problems durch die neuen Formen körperentlasteter Kommunikation im Internet jedoch sogar ein stückweit erleichtert.


Anmerkung von toltec-head:

Den rauen, unfreundlichen Ton auf kV unter Rückgriff auf lateinische Sentenzen beklagt Bergmann:

http://www.keinverlag.de/kolumne.php?blog=2414&bid=393

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Kommentare zu diesem Text

Koka† (46)
(01.01.14)
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JakobJanus (35)
(01.01.14)
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Jeane (20)
(01.01.14)
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P. Rofan (44)
(01.01.14)
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parkfüralteprofs (57) meinte dazu am 06.01.14:
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 toltec-head antwortete darauf am 06.01.14:
Da mir der Ausdruck "Großer" zunächst im GR-Kontext begegnete, war ich zunächst irritiert, ihm nun auch hier zu begegnen. Ich fürchte, die Leute wollen aber nicht viel mehr sagen als bei "Alter". Selbst auf GR wird es nicht goutiert, wenn man mit "Kleiner" antwortet. Es ist eine Art sinnfreie Poesie der Alltagssprache. Es hat keinen Sinn, die Leute auf was Eindeutiges festzupinnen. Deine sadistische Ader schlägt überall durch, Prof.
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