Von der Erinnnerungskultur zum Foto-Fastfood

Essay zum Thema Nachdenken

von  eiskimo

Früher schauten wir lange, suchten den richtigen Abstand, die würdige Pose, einen netten Vordergrund, natürlich die passende Perspektive und machten dann – sofern Belichtungszeit und Blende stimmten – ein Foto. Höchstens eins, denn auf dem Film waren ja nur maximal 36, und jedes musste später per Kontaktstreifen ausgesucht , zur Vergrößerung  beim Fotografen in Auftrag gegeben und teuer bezahlt werden. Mit ein paar Tagen Wartezeit. Aber man war voller Vorfreude. Man hatte da die Bilder im Kopf schon weiter entwickelt.  Sie waren oft schon einsortiert in unserem kleinen, überschaubaren Speicher für besondere Momente.  Viele dachten auch  schon an das Album, in dem das einzigartige Foto seinen besonderen Platz und einen passenden Begleittext finden sollte, oder sie  schrieben ein paar Zeilen an die Lieben, denen sie das Foto dann weiterschickten…
So entstanden Fotos, die das Leben überhöhten. Wenige Fotos, ausgesuchte Fotos. Aber sie halfen, Abstand zu gewinnen und entscheidende Wegmarken zu erinnern. Das Meiste blieb im Übrigen nicht fotografiert. Das ganze Davor, so Vieles danach. Das wahre Leben halt. Das musste  nicht gänzlich vor die Kamera geholt werden.  Es blieb privat. Und wollte man sich das Erlebte echt vergegenwärtigen, so musste man den Film seines Lebens selber starten.


Anmerkung von eiskimo:

Wie viele Speicherkarten transportieren heute unsere besonderen Momente ?

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (19.12.20)
Hallo Eiskimo, Deine Überschrift sagt genau, worum es hier geht. Die Erinnerungskultur verkommt.
LG
Ekki

 eiskimo meinte dazu am 19.12.20:
.. und das visuelle Fastfood erstickt auf Dauer unsere Fähigkeit, Bilder noch wahrzunehmen. Biete mal jemandem an, bei Dir Urlaubsfotos gucken zu kommen!
lG
Eiskimo

 Quoth antwortete darauf am 20.12.20:
Hallo Eiskimo, die Corona-Isolation hat freilich dazu geführt, dass wir sehr froh sind, täglich etwas Foto-Fastfood von Kindern und Enkeln zu bekommen. Und das war auch vor Corona schon so und wird nach Corona wahrscheinlich so bleiben, weil zwischen Kindern, Enkeln und uns allzu viele Kilometer liegen. Wenn ich in die liebevoll gepflegten Fotoalben meiner Mutter schaue, muss ich Dir völlig recht geben; aber das ist wie mit der Briefkultur, auch sie ist schon länger untergegangen und der Husch-husch-Mailerei gewichen. Gruß Quoth

 eiskimo schrieb daraufhin am 20.12.20:
Das ist ein Aspekt, den ich natürlich akzeptiere. Die digitalen Medien sind ja auch nicht per se schlecht. Sie verführen halt sehr zum Oberflächlichen...
Danke für Deine Ergänzungen!
Eiskimo

 AZU20 (20.12.20)
Das waren Zeiten. Sie sind leider für immer vorbei. LG
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