Als meine Mutter meinem Bruder das Leben rettete

Text zum Thema Familie

von  Gabyi

Essen ist ein lebensgefährlicher Vorgang, wenn man nicht aufpasst, insbesondere bei kleinen Kindern. Ich war etwa sieben Jahre alt und mein jüngerer Bruder vier. Wir aßen irgendeine Suppe mit Mehlklößen, vielleicht Buttermilchsuppe oder Fliederbeersuppe mit Klößen. Meine Mutter war in die Küche gegangen, um irgendetwas zu holen. Am Tisch saßen mein älterer, mein jüngerer Bruder sowie mein Opa und ich. Mein Vater war nicht dabei, wo immer er auch sein mochte. Normalerweise aß er jedesmal mit uns zu Mittag, nur an diesem Tag nicht. Manchmal hatten meine Eltern Streit miteinander, dann war er beleidigt und kam dann nicht zum Mittagessen nach Hause. Vielleicht war das so ein Tag, ich erinnere mich aber nicht. Bei den Streitigkeiten ging es zumeist um fehlendes Geld oder die Kindererziehung und dass wir zu ungezogen waren. Die Suppenmahlzeit mit Klößen war indes in vollem Gange und meine Mutter war in der Küche, da lief mein kleiner Bruder plötzlich blau an, bekam keine Luft und fing an zu röcheln. Ich lief in die Küche und schrie; “Ulli erstickt !”, da eilte die Mutter prompt heran, packte das Kind an beiden Füßen und schüttelte es aus wie einen Mehlsack. Der Kloß fiel heraus, plumpste auf den Fußboden und die blaue Farbe entwich sofort. Heute frage ich mich manchmal, ob meine Mutter stolz darauf war, ein Leben gerettet zu haben, oder ob sie eher ein schlechtes Gewissen hatte wegen mangelnder Aufsichtspflicht. Mein kleiner Bruder jedenfalls war dafür berüchtigt, beim Essen ein Gierschlund zu sein.


Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram