Warum werden verdienstvolle Menschen nach ihrem Tode so schnell vergessen?

Ansprache zum Thema Vergessen

von  EkkehartMittelberg

Vor ein paar Monaten starb einer meiner Freunde, der sich als Mediziner große Verdienste erworben hatte und bei der Bevölkerung meiner Stadt sehr beliebt war. Auch als Kommunalpolitiker genoss er großes Vertrauen und erhielt auf der Liste der Stadtverordneten die meisten Stimmen. Nachdem sich seine Beisetzung aus privaten Gründen um einige Wochen verzögert hatte, wurde sie trotz seiner ungebrochener Popularität wider Erwarten von relativ wenigen Leidtragenden besucht.

Nicht anders war es bei der Bestattung des äußerst populären Ehrenbürgermeisters meiner Stadt, der, freilich schon einige Jahre pensioniert, in der Presse immer mal wieder anerkennend erwähnt wurde. Jetzt ist es still um ihn geworden.                                        Ist es tatsächlich so, dass menschliche Beziehungen so lange vital bleiben, wie ein Tauschverhalten funktioniert, das schamhaft verschwiegen wird: „Ich gebe, damit du gibst.“

Wenn der Tote nichts mehr, weder materiell, noch ideell, geben kann, ist er dann bis auf ganz Wenige, die ihm sehr nahe stehen, aus den Augen, aus dem Sinn?

Bei KV läuft das übrigens ähnlich. Es gab hier Autoren, die zu Lebzeiten geradezu verehrt wurden, begründet, wie ich meine. Sicherlich erinnern sich zum Beispiel noch einige an John, der sich zugleich auf die Wiedergabe nuancierter Gefühle und auf geschliffene Ironie verstand. Wahrscheinlich ist auch Phönix nicht gänzlich vergessen, der seine niveauvollen Gedichte mit qualitativ ebenbürtigen Bildern versah und musikalisch aufs Feinste unterlegte. Mir fallen mit anderer Begründung noch viele andere Autorinnen und Autoren ein, an die man sich scheinbar nicht mehr erinnert. Ich kann mir das nicht wirklich vorstellen. Doch welche Ursachen hat unser Schweigen? Ich möchte nicht wahrhaben, dass es Bequemlichkeit und Lieblosigkeit sind.




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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (09.12.22, 14:00)
Für meinen Teil kann ich nur sagen, dass Menschen, die mich positiv beeinflusst haben, bei mir einen Platz im Gedächtnis haben. Oft tauchen sie in meinen Büchern wieder auf. LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.12.22 um 14:10:
Merci, Armin, ich habe das Thema im engeren Bekanntenkreis diskutiert. Dort stellt man eine merkwürdige Diskrepanz fest: Einerseits versicherten alle, dass die von mir Erwähnten es wert seien, in Erinnerung behalten zu werden, andererseits konnte man sich den geringen Besuch der Bestattungen auch nicht erklären

 Verlo (09.12.22, 14:02)
Daß eine Trauerfeier wenig besucht wird, kann auch an der Zeit liegen, an der sie stattfindet.

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 09.12.22 um 14:16:
Danke, Verlo, das stimmt. Hältst du es gleichwohl für möglich, dass ungünstig angesetzte  Bestattungszeiten zum Vorwand genommen werden, aus Bequemlichkeit nicht zu erscheinen?

 Verlo schrieb daraufhin am 09.12.22 um 14:24:
Ja. 

Trotzdem: wenn man wissen will, ob Menschen vergessen werden, sollte man herausfinden, wie lange man sich ihrer erinnert.

Ich war zB nicht auf der Beerdigung meines Großvaters (vor rund 50 Jahren), aber in mir lebt er immer noch.

Und nicht nur mein Großvater, sondern auch ein Schulfreund, der vor zehn Jahren gestorben ist.

Antwort geändert am 09.12.2022 um 14:45 Uhr

 Pensionstarifklempner (09.12.22, 14:04)
Danke für Augenmerk auf das Thema. Am 16. Dezember werde ich zur Beerdigung eines Freundes gehen. Er hat sich im Kampf gegen Corona einen beachtlichen Verdienst erworben. Vielleicht bin ich zu.Z. noch von der Trauer beeinträchtigt und kann mich gar nicht äußern.

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 09.12.22 um 14:42:
Gracias Petakle, es ist gut , dass du zur Beerdigung deines Freundes gehst, denn wider Erwarten ist es nicht selbstverständlich: "Als die Kunde von Schiller’s stillem, schmucklosem Leichenbegängniß die Runde durch die Welt machte, war man schnell mit harten, lieblosen Urtheilen darüber bei der Hand, die besonders [ 671] auch gegen Goethe gerichtet waren. „Goethe,“ so hieß es z. B. im einem von Archenholz geschriebenen Artikel in der Minerva (Jahrg. 1805, S. 548), „Goethe war der vieljährige vertraute Freund Schiller’s, er war Minister in Weimar, und that nichts zur Verherrlichung von Schiller’s Todtenfeier!“ Man beschuldigte ihn der Theilnahmlosigkeit, des kalten Egoismus. Goethe aber, als man ihm zwei Tage nach Schiller’s Tode die Trauerkunde nicht mehr verheimlichen konnte, verschloß sich in sein Zimmer, vergoß heiße Thränen und klagte, daß ihm die Hälfte seines Daseins entrissen sei."
 Schiller’s Beerdigung (1805) und die Aufsuchung seiner Gebeine (1826) – Wikisource

 uwesch (09.12.22, 14:31)
Wir leben in einer sehr schnelllebigen Zeit mit einem Informationsüberangebot. Viele Menschen wollen nichts verpassen und haken Vergangenes deshalb schnell ab. Die Gehirnkapazität ist halt begrenzt.
LG Uwe

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 09.12.22 um 14:50:
Vielleicht trifft diese kühle Feststellung, für die ich dir um der Wahrheit willen sehr dankbar bin, Uwe, weitaus mehr zu als man glaubt.
Denkst auch du, dass die, auf die sie zutrifft, nach anderen Entschuldigungen suchen, die ihr Erscheinen angeblich unmöglich gemacht hätten?

 Solvy (09.12.22, 14:42)
Ich bin mir nicht sicher, ob die Teilnahme an einer Beisetzung ein geeigneter Gradmesser dafür ist, ob an jemanden nach seinem Tod gedacht wird oder nicht. Eine Beerdigung ist doch eigentlich für die Hinterbliebenen da, um für sie eine Möglichkeit des gemeinsamen Abschiednehmens und Trauerns zu schaffen. Wenn ich mich entschließe zu einer Beisetzung zu gehen, tue ich es entweder weil mir die verstorbene Person sehr nahestand oder weil ich einem Hinterbliebenen nahestehe und ihm damit mein Mitgefühl und Beistand zeigen möchte.
Bei einer angesehenen Person, die ich auch nur als solche wahrgenommen habe, bin ich noch nie auf die Idee gekommen zu der Bestattung zu gehen. Dass durch Vertreter der Kommune oder der Verbände, für die die Person tätig/engagiert war, eine Trauerfeier als Anlass genommen wird, die/den Verstorbene/n zu würdigen, ist für mich allerdings richtig und wichtig.
Ich selbst war auch aus persönlichen Gründen nicht auf Beisetzungen von Menschen, die mir wichtig waren. Ich habe anders Abschied genommen und erinnere mich ihrer immer noch, auch Jahre später.
Liebe Grüße
Solvy

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.12.22 um 15:00:
Die ursprüngliche Antwort wurde am 09.12.2022 um 15:19 Uhr wieder zurückgezogen.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.12.22 um 15:17:
Grazie, Solvy, ich hätte mich genauer ausdrücken sollen, denn bei den von mir erwähnten Bestattungen wurden  gerade solche Menschen vermisst, die sich zu Lebzeiten der Beigesetzten als ihre Freunde bezeichneten. Dass jemand ein öffentliches Amt hatte, muss kein zwingender Grund sein, an seiner Beerdigung teilzunehmen. Das sehe ich auch so.

Liebe Grüße
Ekki

 Solvy meinte dazu am 09.12.22 um 15:17:
Danke, Ekki, für die Ergänzung. Dennoch sehe ich es so, dass Trauern und Abschiednehmen eine sehr persönliche Angelegenheit ist, die nicht unbedingt damit zusammenhängt, ob ich danach an die gestorbene Person noch lange denke. Es gibt viele Gründe einer Beisetzung fernzubleiben, z. B. weil einem solche Gruppenveranstaltungen nicht zusagen, es einem zu nahe geht und man deshalb lieber für sich trauert ... und und und.
Doch  mag deine Beobachtung, dass sehr verdienstvolle Menschen auch schnell vergessen werden nach ihrem Tod, dennoch stimmen. Nur, glaube ich, dass man dies nur schwer messen kann.
Liebe Grüße
Solvy

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.12.22 um 15:41:
Bewerten und messen liegt auch mir bei diesem Thema  fern, Solvy. Ich habe diese Diskussion auch angeregt, weil ich vermutete, dass es Gründe gibt, einer Beisetzung fern zu bleiben. Andererseits gehen hier wohl die individuellen Vorstellungen weit auseinander.. Es gibt Beispiele verdienstvoller Dichter und Komponisten, bei deren Bestattung sich Tausende von Menschen versammelten, um ihnen die Ehre des letzten Geleits zu geben, und wieder andere Beispiele verdienter Menschen, wo eher das Gegenteil der Fall ist. Der komplexe Hintergrund von Beidem ließ mich die Frage stellen

 GastIltis (09.12.22, 14:47)
Hallo Ekki,
deine Zeilen geben natürlich zu denken. Warum werden sie, also die Menschen, so schnell vergessen? Ist es überhaupt so? Ich denke z.B. gern an meinen Großvater zurück, der in seinem Dorf ein sehr geachteter Mann war. Anfang Januar 1957 verstarb er ganz plötzlich, nachdem wir ihn zu Weihnachten noch besucht hatten und meinten, ihn bei guter Gesundheit gesehen zu haben. Er war ein gütiger Mensch, der mir und meiner Schwester in bester Erinnerung verblieben ist. Zu seiner Beerdigung hatte sich wohl das halbe Dorf eingefunden. Es war ein sehr langer Trauerzug und ein Männerchor, dessen Mitglied er gewesen war, hat ein Abschiedslied gesungen. Vor fünf sechs Jahren hatte ich von einer Verwandten erfahren, dass es den Chor noch gibt und dass einer der „Sangesbrüder“ ein Jubiläum gefeiert hätte. Mir gelang es, den Sänger ausfindig zu machen und mit ihm zu sprechen. Natürlich war er hoch betagt. Aber er konnte sich nicht nur an die Teilnahme zur Beerdigung, sondern sogar an den Titel des Liedes erinnern, das gesungen wurde. „Sängers Abschied“. Leider ist der Titel im Internet nicht mehr auffindbar. Dennoch: Manchmal sagen wir uns, meine Schwester und ich, die Erinnerung an ihn, also unseren Großvater, wird dann irgendwann nicht mehr bestehen. Aber es ist eben auch keine so ganz kurze Zeit!
Sei herzlich gegrüßt von Gil.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.12.22 um 16:11:
Vielen Dank für deinen aufschlussreichen Kommentar, Gil. Auch bei der Bestattung meines Großvaters in einer Kleinstadt staunte ich als Fünfjähriger über den langen Trauerzug. Auch er hatte sich Verdienste im Vereinsleben erworben. Wahrscheinlich spielten in den Jahrzehnten, auf die wir uns beziehen, neben der Anerkennung, die die Trauergäste auch der Familie des Verstorbenen bezeugen wollten, und neben der Dankbarkeit für kommunale Verdienste auch (besonders auf dem Lande) Konventionen eine gewisse Rolle. Es gehörte sich einfach, dass man an der Beerdigung eines verdienten Menschen teilnahm und für persönliche Gründe des Fernbleibens brachte man damals und mir scheint auf dem Lande auch heute noch weniger Verständnis auf.
Wir versuchen uns von vorschnellen Bewertungen fernzuhalten, aber ich gestehe, dass ich gerne wissen möchte, warum alte, nicht befragte Gepflogenheiten auch bei Beerdigungen im Fluß sind.

Herzliche Grüße
Ekki

 Mondscheinsonate (09.12.22, 15:04)
Soll ich dir was sagen? Mein geliebter Verstorbene R., er bleibt R., weil er in der Öffentlichkeit stand, hat so viel für den Ersten Bezirk getan, ich kann dir sagen, der wird nicht einmal ein Bankerl bekommen, da verwette ich meinen Hintern. Die Menschen sind zum großen Teil so. Ich reihe mich da nicht ein, denke sogar an Heike, deren Texte mich fürchterlich nervten, weil sie ein guter Mensch war und sie fehlt, auch an die liebe chichi. Aber, zu deren Verteidigung sei gesagt... kümmern wir uns um die Lebenden, die sollten wir herzen und nicht für selbstverständlich erachten. Das tun wir ja gerne. Bis das große Elend kommt, wenn das Ende gekommen ist. 
Heute ging ich am Grab von Negrelli vorbei, glaubst du, der Großteil weiß noch wer das ist? Egal, alles selbstverständlich.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.12.22 um 17:13:
Hallo Mondscheinsonate, ich finde es schön, dass wir uns jetzt auch um die verstorbenen Autoren von KV kümmern. Stell dir vor, auch ich hatte Heike und Chichi im Focus, habe aber die Namen zurückgehalten, weil ich gespannt war, wer sich an sie erinnert. Gute Menschen waren sie gewiss, aber auch als Autoren waren sie originelle Persönlichkeiten.
Ich bin mir nicht ganz sicher, wer Negrelli war, weil er vielleicht vor meiner Zeit hier geschrieben hat. Kann es sein, dass er der unvergessene Freund von Marie ist? Noch eine Frage? Habt  ihr Wiener ein intimeres Verhältnis zu Freund Hein als wir Deutschen.
Liebe Grüße
Ekki

 Mondscheinsonate meinte dazu am 09.12.22 um 17:18:
Nein, nein! Da vergaß ich den Absatz. Negrelli war der Erbauer des Suez-Kanals, ich sah heute sein Grab. Dies als Beispiel zu deinem  Anfang. Große und kleine Taten werden vergessen und interessiert nur noch wenige, gesetzt den Fall, die Namen werden nicht permanent um die Ohren geschmissen.
Taina (39)
(09.12.22, 15:51)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.12.22 um 17:52:
Merci Taina. Keine Frage, dass wir bei der Such nach den Motiven für das Verschweigen nur vermuten können. Diesmal neige ich zu einer pessimistischeren Auslegung. Wer sich mit den Werken von lebenden Autoren befasst, kann sicherer mit Resonanz rechnen.
Taina (39) meinte dazu am 09.12.22 um 18:02:
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 AngelWings meinte dazu am 13.12.22 um 18:16:
Nicht ganz du muss jemand angeben eine Verwandten. Da bist du hier!  Grabstein

 Augustus (09.12.22, 17:44)
Der Tod ist ein Bruch im Leben der Anderen, er erinnert sie an die eigene Vergänglichkeit, gleichwohl selbst Alte bei Kaffee und Kuchen völlig die Sterblichkeit vergessen. Die, die bewusst unter dem Gesetz vom Tod leben, kommen zur Beerdigung, die, die unbewusst mehr dem Leben als dem Tod zugeneigt sind, meiden den Anblick von Tod. Gewiss, am Ende stehen vielerlei Gründe, warum jemand an der Beerdigung nicht teilnimmt. Es ist so, wie beim Weinen. Manche weinen sogar öffentlich, andere können nur weinen, wenn sie alleine und unbeobachtet sind.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.12.22 um 18:01:
Merci, Augustus, dein Kommentar durchstößt die Oberfläche der Betrachtung. Dein Beispiel mit dem Weinen spricht mich sehr an. Vielleicht erscheinen einigen Menschen die auf Beerdigungen gezeigten Emotionen nicht echt genug.

 Augustus meinte dazu am 09.12.22 um 18:21:
Vielleicht sollte man den Tod eines verdientsvollen Menschen feiern, wie etwa in Kulturkreisen Afirkas, in Ländern Ghana und Togo. Vielleicht bleiben so die Verstorbenen, die Verdienstvollens geleistet haben länger im Gedächtnis, weil die Feier den Tod überwiegt. Niemand will sich freiwillig an schreckliche und traurige Momente erinnern.

 Saira (09.12.22, 17:54)
Lieber Ekki,
 
wer von einem Menschen Abschied nimmt, wird für sich entscheiden, in welcher Form er das tut. Eine Beerdigung ist sicherlich eine Möglichkeit, dem Toten die letzte Ehre zu erweisen. Allerdings ist es „nur“ der Körper, der zu Grabe getragen wird, nicht die Seele, die bereits mit dem Tode entweicht. Daher wird eine Beerdigung vielleicht nicht für jeden Menschen der emotionale Abschied vom wertgeschätzten oder sogar geliebten Freund/ Angehörigen bedeuten.
 
Ich persönlich trage Menschen, die mir lieb und wertvoll waren, immer in meinem Herzen und in meiner Erinnerung. Nie vergesse ich sie. Die Erinnerungen sind für mich die Bindung zu ihnen, die bestehen bleibt, solange ich lebe.
 
Du erwähnst Phönix aus dem KV, der ein begnadeter Künstler und meinem Mann und mir ein enger Freund war. Seine Werke werden von mir wie ein Heiligtum aufbewahrt. Gerne würde ich das eine oder andere Werk von ihm im KV einstellen, aber es wäre nicht richtig, denn sie würden ja unter Saira mit Hinweis auf Phönix erscheinen.  Stefan hat auf meiner Webseite einen besonderen Platz eingenommen.
 
Allerdings denke ich, dass es nicht wenige Menschen gibt, die sich nur an der Oberfläche bewegen und die eine wirklich emotionale Bindung gar nicht eingehen können (die Gründe können sehr unterschiedlich sein). Sie vergessen Verstorbene, weil sie diesen auch im Leben nicht wirklich nahestanden.
 
Sicherlich könnte ich noch ganz viel zu deinem Thema „Vergessen“ schreiben, aber das gehört nicht in den KV.
 
 
Herzliche Grüße
Sigi

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.12.22 um 19:33:
Liebe Sigi,
ich habe mir schon gedacht, dass unsere Gedanken zu diesem Thema sehr eng beieinander liegen würden. Das liegt daran, dass wir eine lange gemeinsame Geschichte auf diesem Forum haben und gemeinsame Freundinnen und Freunde, die wir bestimmt nicht vergessen werden.
Da ich auch nicht vergessen kann, wen ich einmal in mein Herz geschlossen habe, bin ich vielleicht übertrieben sensibel, wenn einige unserer alten Freunde einfach weg vom Fenster sind und auch sehr sensibel, wenn vermeintliche Freunde auf Beerdigungen nicht mehr erscheinen. Aber ich wusste schon immer und werde durch diesen String in der Meinung bestärkt,  dass solche Entscheidungen sehr persönlich sind und respektiert werden sollten.

Herzliche Grüße
Ekki
Agnete (66) meinte dazu am 10.12.22 um 15:42:
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 Saira meinte dazu am 11.12.22 um 07:21:
Liebe Agnete,

ich kann deine Einstellung absolut nachvollziehen und respektiere deine Entscheidung!

Liebe Grüße zum 3. Advent
Saira

 DanceWith1Life (09.12.22, 18:09)
lach, wenn wir wüssten warum wir etwas vergessen, würden wir es dann vergessen?
Oder anders gesagt, wenn ich etwas in Erinnerung rufen wollte, mir oder anderen, was würde ich mir aussuchen?
Jeden Tag als Geschenk zu leben?
Das kann ich zwar hier hinschreiben, weil ich das mal irgendwo gelesen habe, aber....
... und würde ich mich dann all der bemerkenswerten Menschen erinnern, die mir auf meinem Weg begegnet sind.
Du liest, rolle das von der anderen Seite her auf, bleibt zu erwähnen, dass unsere Lernprozesse in Schritten vollzogen werden, und alles was für den nächsten Schritt nicht verwendbar ist, vom Gehirn möglicherweise ausgeblendet wird.
Das Thema ist viel komplexer als es scheint.
Kommen wir zu dem, was Du vielleicht eigentlich mit deiner Aussage sagen wolltest.
Auch das lässt sich kaum auf einen Punt bringen, hier mitten im Nebel.
Warum ist die Welt der Menschen so ein Flüchtiges?
Sogar in Indien wird Gandhi ji vergessen.
Fidel in Cuba zwar noch nicht, aber schon zu seinen Lebzeiten seine eigentlichen Absichten in Frage gestellt.
usw.usf.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.12.22 um 20:00:
Gracias, Dancer, du hast den Nagel auf den Kopf getroffen,
Meine Traurigkeit angesichts des öffentlichen Vergessens geschätzter Menschen rührt tatsächlich daher, dass es mir die Flüchtigkeit des Daseins bestürzend demonstriert. Ich will gar nicht wegargumentieren, dass diejenigen, die ganz privat trauern dem Toten ebenso verbunden sind wie jene, die es in Gemeinschaft tun. Aber während der Bestattung fallen die Lücken doch auf, die sie hinterlassen und vertiefen die Trauer der Anwesenden.
Erst später ist man vielleicht in der Lage, sich mit dem von dir erwähnten kollektiven Vergessen zu trösten.

LG
Ekki

 Dieter Wal (09.12.22, 18:44)
Ich weiß nicht, lieber Ekki, wieviele Tote Deines Freundes- und Bekanntenkreises Du durch die Pandemie zu beklagen hast und wünsche Dir, dass keine. Ich vermute, dass die auffallend geringe Beteiligung an den Beisetzungen Deines Freundes, herzliches Beileid, und Bekannten mit den Folgen der Pandemie direkt zusammenhängen könnte.

Einerseits dürfte es in jeder Familie und Freundeskreis Pandemieopfer geben, andererseits leben die Menschen überwiegend seitdem, der eine mehr, der andere weniger, es gibt erstaunlich zahlreiche Überlebensstrategien, in Angst vor den Folgen einer oder mehrerer Covid-19-Erkrankungen.

Beisetzungen dürften viele daran erinnern, dass wir allzu sterblich sind. Kommt hinzu die Gefahr einer weiteren Corona-Infektion durch eine Trauerfeier. Menschen in Trauer gehen ungern auf weitere Beisetzungen außerhalb ihres Freundes- und Bekanntenkreises in Zeiten der Pandemie.

 Mögen auch zahlreiche Idioten denken, sie sei vorbei. Sie ist es nicht.

Kommentar geändert am 09.12.2022 um 18:45 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.12.22 um 20:13:
Vielen Dank, Dieter.. Gott sei Dank gibt es in meinem Freundes- und Bekanntenkreis keine Opfer durch Corona.  Aber es ist nicht auszuschließen, dass Trauerfeiern aus Furcht vor Ansteckung gemieden werden. Bei längerem Nachdenken mehren sich die Gründe, an Bestattungen nicht teilzunehmen, wie dieser String zeigt. Es wird wohl ein bisschen dauern, bis mein Bedauern wegen der lückenhaften Bestattungen weicht.

 diestelzie (09.12.22, 22:33)
Lieber Ekki 
In meinem Herzen wohnen inzwischen einige Menschen, die nicht mehr unter uns sind. Auch kVler sind darunter. Es sind Augenblicke der Stille, in denen ich sie heute noch manchmal spüren kann. Diese Augenblicke sind für mich sehr kostbar und darüber muss und kann ich auch nicht reden. 
Ich denke, dass wir die Menschen die für uns zu ihren Lebzeiten wichtig waren, bis an unser eigenes Ende mitnehmen. Sie sind ein Teil von uns. 

Liebe Grüße 
Kerstin

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 10.12.22 um 10:58:
Gracias, Kerstin, dein Kommentar tröstet und macht Mut. Gleichwohl fürchte ich, dass das "wir" nur ein Teil vom Ganzen ist.

Liebe Grüße
Ekki

 AchterZwerg (10.12.22, 07:49)
Lieber Ekki,
im Hintergrund sehe ich die Angst lauern, dass es dir in einer fernen Zeit einmal ebenso ergehen könnte.
Das halte ich aber (kavau-bezogen) für ausgeschlossen. <3

Die Kultur des Abschiednehmens hat sich stark verändert. Die Zahl der anonymen Begräbnisse steigt täglich an. - Auch wollen viele einfach in die Stille gehen und sich unter einem schönen Baum ausruhen ...

Herzliche Grüße und vielen Dank für deine Karte
Piccola

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 10.12.22 um 11:12:
Liebe Piccola,
nicht zum ersten Mal stelle ich fest, dass du eine gute Pychologrin bist. Du kennst die Schwächen der Menschen, ohne sie zu verurteilen.
Die veränderte Kultur des Abschiednehmens halte auch ich für den Hauptgrund, dass Trauerfeiern weniger besucht werden. Dennoch kann ich einen weniger schönen Gedanken nicht verdrängen. Jetzt im Winter sind die Kirchen kalt und die Bänke klamm. Ich fürchte, dass die Erinnerung daheim im Sessel einfach bequemer ist als "dat Knein inne Kerk", wie der Westfale sagt. Aber wer gesteht sich das schon ein?
Herzliche Grüße
Ekki

 Regina (10.12.22, 08:08)
Auch ich würde Gedächtnis und Trauerfeier nicht in einen Topf werfen. Seine Eltern und Großeltern vergisst man nicht, auch dann nicht, wenn aus widrigen Umständen keine Trauerfeier stattfand. Einige Menschen wie Julius Caesar, Mozart oder Goethe halten sich sehr lange im Gedächtnis der Allgemeinheit. Andere wiederum sind bald vergessen, selbst wenn sie zu ihrer Zeit eine herausragende Position einnahmen. Für diese Phänomene erahne ich keine festen Regeln.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 10.12.22 um 11:24:
Liebe Regina, du hast insofern recht, als der Besuch einer Trauerfeier kein langes Gedenken garantiert. Man kann sie ja auch mit leerem Kopf verlassen oder man hat einer Konvention Genüge getan. Aber immerhin hat man sich aufgerafft, um des Toten öffentlich zu gedenken, was ja nicht ausschließt, dass man es privat selbstverständlich tut.
Liebe Grüße
Ekki

 TassoTuwas (10.12.22, 09:51)
Hallo Ekki,
Veränderungen in der Miteinander-Kultur hat es schon immer gegeben, doch was sich in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum entwickelte, geschieht heute von einer Generation zur nächsten. In der modernen Sprache könnte man es "Umgangs Up Dates" nennen.
So war es im ländlichen Niederrhein üblich, dass die Männer aus der Nachbarschaft den Sarg des Verstorbenen von der Kapelle zur Grabstelle trugen. Ob das heute noch üblich ist, weiß ich nicht und wenn, wer weiß wie lange noch?
Wie ernst es viele mit der Verehrung der Toten nehmen, zeigt ein Gang über den Friedhof.
Herzliche Grüße
TT

Kommentar geändert am 10.12.2022 um 09:53 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 10.12.22 um 11:38:
Hallo Tasso,
in meiner Kleinstadt wird der Brauch mit den Männern aus der Nachbarschaft noch gelegentlich gepflegt. Aber auch er wird wie alle kleinen Anstrengungen zu Ehren des Verstorbenen bald verschwinden. Moderne Kultur- Up- Dates sind beliebt und ich werde den Verdacht nicht los, weil sie bequem sind.
Sehe ich da zu schwarz oder teilst du diese Ansicht?

Herzliche Grüße
Ekki

 TassoTuwas meinte dazu am 11.12.22 um 10:35:
Da Stimme ich dir zu. Der Nachbarschaftsbrauch wird aber nicht verschwinden, er wird verboten!
Und zwar von der EU, begründet damit, dass es:
Erstens, für ganz Europa eine einheitliche Bestattungs-Regelung bedarf. 
Zweitens, weil der Vorgang des Sargtragens eine erhebliche gesundheitliche und hygenische Gefährdung für alle Beteiligten darstellt.   
Drittens, dass diese Tätigkeit, um einen Qualitätsstandard zu garantieren, nur von ausgebildeten und zertifizierten  Personen durchgeführt werden darf.
:D !

 AlmaMarieSchneider (10.12.22, 12:38)
Menschen, die mir viel bedeutet haben sind immer in meinem Herzen. Erinnerungen lösen teils Freude aber auch Schmerz in mir aus.
Bemerkt habe ich, dass meine Mitmenschen Gespräche, die auf Verstorbene kommen, schnell ablenken.

Schöne Adventstage
Alma Marie

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 10.12.22 um 13:34:
Merci Alma Marie,

die Erinnerung a die Verstorbenen ist so wichtig; denn nur so leben sie weiter.

Auch dir schöne Adventstage
Ekki
Agnete (66)
(10.12.22, 15:40)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.12.22 um 10:21:
Merci, Monika,
ich denke, man darf dies als Fazit festhalten. Wir erinnern uns am längsten derer, die wir geliebt haben und deshalb schmerzlich vermissen. die Anderen jedoch, mit denen wirein geistiges und/oder materielles Austauschverhältnis führten, werden schnell vergessen, weil sie ersetzbar sind.

Liebe Grüße
Ekki

 plotzn (11.12.22, 10:27)
Servus Ekki,

mir scheint Dein Sprung von den wenig besuchten Beerdigungen zu vergessenen kv-Schreibern zu groß.
 Gedenken weit über den Tod hinaus setzt (bei mir) eine enge persönliche Bindung voraus. Sie ist unabhängig von Leistungen oder Verdiensten um die Gesellschaft.

Auf Beerdigungen kommen Menschen aus unterschiedlichen Motiven, sei es enge persönliche Beziehung oder letzte Ehre für die Leistung (beispielsweise in einem Verein oder im Beruf). Natürlich gibt es da auch Überschneidungen.

Bei kv kennen sich vermutlich nur ein Bruchteil der Schreibenden persönlich. Der Rest kann die Werke und Leistungen der anderen bewundern und aus dem Dialog in Kommentaren eine Einschätzung der Persönlichkeit des Gegenübers entwickeln, aber die wird meist schwächer sein als ein persönliche, nicht-virtuelle Freundschaft. Das könnte ein Grund sein, warum sehr selten an verstorbene kv-Schreiber erinnert wird, die man bewundert.

Das kann man Bequemlichkeit oder Lieblosigkeit nennen, es wäre meiner Meinung nach aber eine sehr negative Interpretation der Prioritäten, die jeder für sich selbst setzt.

Was mir an Deinen Werken so gefällt ist, dass sie unabhängig davon, ob man einer Meinung ist, immer zum Nachdenken anregen, weil sie so formuliert sind, dass sie nicht von vornherein ausgrenzen, sonder eher fragend auf Dialog aus sind.

Liebe Grüße
Stefan

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.12.22 um 21:09:
Lieber Stefan,
merci, du hast meine Intention erkannt, nicht mit einer fest fixierten Meinung in einen Dialog einzutreten.
Hier lerne ich aus deiner Begründung, mit meinen Erwartungen an ein Gedenken über den Tod hinaus bei virtuellen Bekanntschaften zurückhaltender zu sein.

Liebe Grüße
Ekki

 harzgebirgler (11.12.22, 18:10)
hallo ekki,

bei 'e-stories.de', wo ich selbst zuvor etliche jahre aktiv war, bleiben die beiträge verstorbener präsent (s. screenshot unten). hätte ich mir hier z. b. für 'chichi† (80) auch gewünscht.

"was bleibet aber, stiften die dichter" (hölderlin, andenken)

lg
henning


 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.12.22 um 20:27:
Merci, Henning, ich schlage vor, dass du dies auch für KV anregst.

LG
Ekki

 harzgebirgler meinte dazu am 12.12.22 um 16:28:
hallo ekki,

deinem vorschlag folgend, habe ich das soeben im forum angeregt.

lg
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.12.22 um 17:18:
Vielen Dank, Henning, das freut mich.

LG
Ekki

 AngelWings (13.12.22, 18:10)
Es ist besser wenn die Familie, diese Person  so erinnung erhalten, wie war und nicht fremde die nie ihn kannten.
Teolein (70)
(13.12.22, 19:16)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 14.12.22 um 05:51:
Vielen Dank, Volker. das geht mir runter wie Sahne. Aufgeschlossene Menschen wie du bestätigen mich in meiner Haltung.
Wir werden die Erinnerung wach halten.
Liebe Grüße
Ekki

 RainerMScholz (14.12.22, 00:14)
Ich denke, ich sollte meine Texte auch öfter mit einem Fragezeichen beenden.
Grüße,
R.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 14.12.22 um 00:35:
Wenn es sich um echte Fragen handelt, ist das richtig.

LG
Ekki
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