Entschleunigung

Prosagedicht zum Thema Entspannung

von  EkkehartMittelberg

Du hast aufgezogen
wie ein Metronom
ein Leben lang
funktioniert.

Es waren nicht nur die anderen,
du selbst
hast dir Druck gemacht.

Falls diese Erkenntnis dämmert,
ist der alte Adam
noch lange nicht
besiegt.

Wenn der vermeintliche
äußere Zwang entfällt,
verschiebst du die Ebene.
Früher waren es Geschäftsbriefe,
heute sind es persönliche,
die du sofort beantwortest.

Wer dich mag,
wartet gern auf deine Antwort
und freut sich umso mehr,
wenn sie endlich eintrifft.

Du schreibst sogenannte Dichtung,
also bist du.
Das glaubst du dir
durch immer neue Produktionen
wie ein Süchtiger
ständig selbst beweisen zu müssen.

Doch gerade kreative Arbeiten
bedürfen der schöpferischer Pausen,
die man mit praktischen Tätigkeiten füllt,
damit gute Ideen Zeit haben,
aus dem endothymen Grund aufzusteigen.

Schließlich hast du auch das
verstanden.
Du arbeitest langsamer,
machst Pausen
und gönnst dir
reflexionsfreie Phasen.

Wenn du danach
kreativ schreibst,
wunderst du dich,
wie schnell du bist.

© Ekkehart Mittelberg, April 2014

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (23.05.14)
Wie soll man einem, der nicht kreativ arbeitet nur vermitteln, dass auch die Pausen ein Teil des Ganzen sind. Das "Du muss auch ma anne Schüppe kommen" (wie man bei uns im Ruhrgebiet sagt) sieht so ganz anders aus...

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.05.14:
Danke, Trekan, wieder einmal eine interessante Blickerweiterung.
Festil (59) antwortete darauf am 24.05.16:
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 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 24.05.16:
Ich arbeite schon seit längerem so, Festil, und finde es hochinteressant, dass du bestätigst, was ich intuitiv mache. Gracie.
LG
Ekki
Mephobia (31)
(23.05.14)
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 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 23.05.14:
Danke, Mepho.
"Es waren nicht nur die anderen,..."
Ich habe mit dem "nur" an die Zeit meiner Berufstätigkeit gedacht. Da konnten einem auch andere Druck machen.
Aber wenn es um schöpferische Arbeit geht, hast du Recht. Bei der ist man ausschließlich sich selbst verantwortlich.
Im übrigen staune ich immer wieder darüber, was aus dem Unterbewusstsein aufsteigt, wenn man ihm Zeit lässt, Dinge hochzuspülen, die man als scheinbar unwichtig verdrängt hat.
Mephobia (31) ergänzte dazu am 24.05.14:
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 Didi.Costaire (23.05.14)
Ja, wer keinen Druck hat, macht ihn sich selber. Bei der praktischen Umsetzung der Schlussstrophe bin ich selbst noch nicht angelangt.
Liebe Grüße, Dirk

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.05.14:
Grazie, Didi. Wann ist man praktisch bei der Umsetzung angelangt? Bestimmt nicht, wenn man in schönem regelmäßigen Wechsel drei Tage Pause macht und am vierten wieder schreibt. Es kommt meines Erachtens darauf an, sich überhaupt einmal eine Pause zu gönnen, in der sich Ideen entwickeln können, die man auf der Prioritätenliste als vermeintlich bedeutungslos gestrichen hat.
Liebe Grüße
Ekki

 AZU20 (23.05.14)
Danke für den zentralen Hinweis. Ich mach dann jetzt mal Pause. LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.05.14:
Danke, Armin. Mit der von dir gezeigten Selbstironie fängt die Besinnung an.
LG
Ekki
lelaT (56)
(23.05.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.05.14:
Merci für den Hinweis, Lela. Mit der Entschleunigung schärfen sich die Sinne wieder. Man hört Überhörtes, sieht Übersehenes, riecht Vergessenes.
Die Amsel mit ihrem variabeln Gesang ist ein schönes Symbol für das Aufhorchen.
LG
Ekki

 LotharAtzert (23.05.14)
"Was rennst du denn so" fragte der kleine Zeiger den großen.
"Ich muß pro Stunde einmal im Kreis herum" antwortete der aufgeregt.
So ist die Jugend, dachte der kleine Zeiger und genoß die Minute.

 monalisa meinte dazu am 23.05.14:
Schöne Geschichte Lothar! Vielleicht genießt ja der Größe Zeiger seine Runden auch, ist ihm dieses Tempo auf den Leib geschneidert? Möglicherweise wäre er kreuzunglücklich, müsste immer eine ganze Minute abwarten, ehe er sich ein Ruckerl vorwärtsbewegen darf. Auf das richtige Maß und den Genuss kommt es wohl an
Liebe grüße,
mona

 LotharAtzert meinte dazu am 23.05.14:
Liebe Mona, ich habe vor, das irgendwann mal auszubauen: der Kleine und der Große, die treffen sich ja zwölf mal am Tag und da könnte sich doch ein interessanter Dialog entwickeln, wo am Ende rauskommt ... aber das verrat ich noch nicht ...
Liebe Grüße retour

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.05.14:
Danke, Lothar, eine schöne Idee, der Dialog zwischen den beiden Zeigern. Ich bin gespannt darauf.
Festil (59) meinte dazu am 24.05.16:
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 monalisa (23.05.14)
Falls diese Erkenntnis dämmert,
ist der alte Adam
noch lange nicht
besiegt
Ja, was sich im Laufe von Jahren/Jahrzehnten eingespielt hat, legt man nicht ein- für allemal ab, auch nicht, wenn man der festen Überzeugung ist, dass man das tun solllte. Die alten Muster schleichen sich unwillkürlich immer wieder ein. Da hilft nur, sich das immer wieder bewusst zu machen und gegenzusteuern, in Achtsamkeit den eigenen Rhythmus zu entdecken und ihm zu folgen. Keine einfache Übung, lieber Ekki , zumal der Leistungsanspruch, der unsere Gesellschaft dominiert, von vielen internalisiert wurde und sie sich selbst permanent antreiben.

Liebe Grüße,
mona

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.05.14:
Merci Mona, ich bin selbst noch weit entfernt davon, das als richtig Erkannte konsequent umzusetzen. Das Motto könnte lauten: Lasst uns konsequent weniger inkonsequent sein.^^

Liebe Grüße
Ekki

 susidie (23.05.14)
Du weißt ja, wo ich mich immer entschleunige:)
www.keinVerlag.de/350180.text
Dein Gedicht lässt sich auf jeden Lebensbereich erweitern. Nicht nur die Kreativität des Schreibens braucht Pausen. Für alles im Leben gibt es seine Zeit, vor allem auch für das "keine Zeit haben" sollte mehr Zeit eingeräumt werden.
Besonders gut und richtig:
Wer dich mag,
wartet gern auf deine Antwort
und freut sich umso mehr,
wenn sie endlich eintrifft.
In diesem Sinne ein entschleunigtes und entspanntes Wochenende für dich, lieber Ekki.
Lieben Gruß von Su :)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.05.14:
Grazie, Susi, mir ist dein Hinweis auf die Interdependenz aller Lebensbereiche wichtig. Wer es nicht versteht, seine Alltagsgeschäfte zu entschleunigen, wird deren Hektik in die kreative Arbeit übertragen.
Ein heiteres, gelassenes Wochenende auch für dich.
Liebe Grüße
Ekki

 Dieter Wal (23.05.14)
"Falls diese Erkenntnis dämmert,
ist der alte Adam
noch lange nicht
besiegt."

Der alte Adam. Meine Güte. Paulus hätte das sicher gefreut.

Sten Nadolnys "Die Entdeckung der Langsamkeit" brachte mich später auch auf "Durch Jahrtausende" http://www.keinverlag.de/297132.text

Ich glaube, unsere Generationen, die durch den 2. WK geprägt wurden, führten zu Überlebenden, die sich und anderen viel abverlangen, aber selten gelernt haben, dass Muße etwas Wundervolles sein kann.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.05.14:
Danke, Dieter, es stimmt. Die Generationen der beiden Weltkriege konnten Muße nicht.
Ich beobachte aber, dass junge Leute, die heute in führenden Positionen arbeiten, kaum Zeit haben, zu zeigen, dass sie sich besser auf Muße verstehen.

 irakulani (23.05.14)
Welch weise Worte, lieber Ekki, die du uns hier präsentierst! Und dennoch: die Erkenntnis, dass Entschleunigung gut tut, haben viele, doch das Umsetzten dieser Erkenntnis ist soooo schwer.:-))

Spätestens, wenn du im Zusammenhang mit Dichtung das Wort "Produktionen" verwendet wird, ist Entschleunigung angesagt.

Ich versuche es immer wieder, es gelingt nur selten (hier steht die Eva dem Adam in nichts nach) - meistens wenn äußere Umstände es erzwingen. Aber: Übung macht den Meister/die Meisterin!

L.G.
Ira

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.05.14:
Vielen Dank, Ira. Du erwähnst die Entschleunigung, die äußere Umstände erzwingen. Ich bin mir sicher, dass sich mit freiwilliger Entschleunigung die Ideenvielfalt vergrößert. Ob es nach erzwungener Entschleunigung auch so sein kann, weiß ich nicht. Ich bin da eher skeptisch.

LG
Ekki

 TassoTuwas (24.05.14)
Eine der größten Ängste ist es, etwas zu versäumen.
Eines der wertvollsten Besitztümer, das nichts kostet, ist die Zeit für Muße.
Eine Erkenntnis, die oft zu spät kommt.
Ich werde mich in den nächsten Tagen ausklinken.
Herzlichen Dank für den Anstoß.
TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.05.14:
Danke. Klinke dich aus, mein Freund, aber bitte nicht zu lange. Ich möchte deine Beiträge nur kurzfristig missen.
Herzliche Grüße
Ekki
Pocahontas (54)
(24.05.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 25.05.14:
Grazie. Welch schöner Wunsch, Sigi. Erlebnislyrik kann von tiefen Gefühlen inspiriert werden und zu denen gehören neben der Trauer auch die Sinnesfreuden.

Herzliche Grüße
Ekki
gaby.merci (61)
(24.05.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 25.05.14:
Merci Gaby. Um den Stress, den man sich selber macht, ging es mir vor allem.
LG
Ekki
Fabi (50)
(24.05.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 25.05.14:
Vielen Dank. Du liegst richtig, Fabi. Ich bin dabei, mich zu mäßigen und hoffe, weitere Fortschritte zu machen. ^^ Optimistische Grüße
Ekki
Fabi (50) meinte dazu am 27.05.14:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.05.14:
Ein sehr bedenkenswerter Kommentar
InkTwin (45)
(22.09.15)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 22.09.15:
Merci, Twini, mir geht es ebenso. Vor allem wenn ich hintereinander Staub sauge, dusche und Kaffee trinke, vergesse ich meine besten Ideen.
Ich darf gar nicht daran denken, was der Nachwelt verlorengeht.

Liebe Grüße
Ekki
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