Der Herrgottschnitzer am Rande

Anekdote zum Thema Täuschung

von  loslosch

Boni nullo emolumento impelluntur in fraudem, improbi saepe parvo (Cicero, 106 v. Chr. bis 43 v. Chr.; De Milone oratio). Die Guten lassen sich durch keinen persönlichen Vorteil zum Betrug verleiten, die Unredlichen oft schon durch einen kleinen.

Antike Beziehungsgeflechte lassen sich nicht selten täuschend echt auf Verhaltensmuster der Gegenwart übertragen. Der sich christlich gerierende Handwerksmeister möchte sich mit seinem finanziellen Beitrag für den Neubau der Pfarrkirche der Dorfgemeinde generös erweisen und legt sich dem äußeren Anschein nach die Spendierhosen an. Ein überlebensgroßer Heiland soll über dem Kirchenportal prangen. Dazu bedarf es nur noch gewisser Überredungskünste. Sie richten sich an den Schwager, der als regionaler Bildhauer und Maler eine bekannte Größe ist. Gottes Lohn ist bekanntlich Hungerlohn, und so lässt sich der schnitzende Schwippschwager in den wirtschaftlich armen 1950er Jahren auf ein Honorar von 400 DM ein. Bei überschlägig 400 Stunden Schnitzarbeit ein Stundensatz von einer DM - zur Ehre Gottes.

Bei der feierlichen Eröffnung und Einsegnung des Gotteshauses werden die Namen der edlen Spender verlesen, auch der von Onkel Alois als Mäzen des Kruzifixus. Dass der Künstler zu einem äußerst geringen Honorar tätig gewesen war, bleibt pietätvoll unerwähnt. Über Gotteslohn spricht man nicht.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (06.07.17)
Ich wäre ja für die Bezeichnung "Kirchenlohn", aber auf mich hört ja keiner.

 loslosch meinte dazu am 06.07.17:
gotteslohn ist ja der höchste lohn.

 TrekanBelluvitsh antwortete darauf am 06.07.17:
Aber wenn Gottes Taten unergründlich sind, wie will ein Mensch dann festlegen, was Gottes Lohn ist? Und wenn der Mensch das festlegt, ist das dann nicht Blasphemie?

 loslosch schrieb daraufhin am 06.07.17:
frag das mal den kardinal, der gestern "mit dem gebetbuch in der hand" gestorben ist. - aber es geht ja nicht mehr.
Festil (59)
(06.07.17)
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 loslosch äußerte darauf am 06.07.17:
aber ja.

ich vergaß anno 2003 den hochbetagten schnitzer zu fragen, wie teuer damals das schnitzholz war. onkel rudolf schien nach mehr als 45 jahren immer noch sehr angesäuert. vllt. hat onkel alois nicht 400, sondern 450 märker springen lassen.

 Irma ergänzte dazu am 06.07.17:
Es gibt auch heute überall noch das Ehrenamt. Da gehört eine Menge Idealismus dazu. Ich mache Kindergottesdienst, ehrenamtlich. Dank ist für mich, wenn die Kinder gerne kommen und mir hinterher sagen, dass es ihnen Spaß gemacht hat.

In deinem Fall ist es allerdings tatsächlich unverständlich, dass die Kirche den Künstler tatsächlich übergangen hat. Eine Erwähnung und eine Danksagung kosten ja schließlich nichts. Das müsste sich also auch die ärmste Kirchengemeinde leisten können. So aber haben sie sich etwas geleistet, was nicht im christlichen Sinne ist. War es Absicht oder vielleicht nur törichte Unbedachtheit? LG Irma

 loslosch meinte dazu am 06.07.17:
ich gehe schon davon aus, dasss der name des künstlers verlesen wurde. unerwähnt blieb, dass er zu einem äußerst geringen preis gearbeitet hat. onkel alois hatte einige kleinbauern im ort als kunden, die er mit traktoren belieferte. eine gut angelegte spende. lo

 TassoTuwas (06.07.17)
"Gotteslohn" ein raffiniertes Wort, dass die Armen in Zufriedenheit arm bleiben lässt.
LG TT

 loslosch meinte dazu am 06.07.17:
so wird indoktriniert! ich hab extra im duden nachgeschaut, ob es diese wortkreation gibt. lo
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