Kerberos, Wachhund des Totenreichs

Kurzgeschichte zum Thema Schicksal

von  LotharAtzert

"Der blaue Eisenhut, so heißt es in uralten Mythen, sei entstanden aus dem Geifer des Höllenhundes Kerberos, der am jenseitigen Ufer des Acheron, dem Fluß ohne Wiederkehr die Verstorbenen empfängt. Kommt eine Seele neu an im Reich des Hades, wo die zu Lebzeit begangenen Sünden abzubüßen sind, so wedelt der Hund freundlich mit dem Schwanz und spielt mit dem Büßer.
Doch wehe, jemand möchte wieder zurück zu den Lebenden. Da wird Kerberos zum fünfzigköpfigen, feuerspeienden Ungeheuer. Und wie der Mond das Licht der Sonne spiegelt, so verkörpert der Eisenhut mit seinem Gift die Macht des Totenreiches."
Auszug aus "Der blaue Eisenhut" vom Autor, Spirit Rainbow Verlag.

Es war an einem typischen Herbsttag, kalt und klar und da ich morgens noch nicht ahnte, welches Schicksal mich in den nächsten Stunden ereilen sollte, genoß ich die letzten Gartenarbeiten, sehr zum Unmut eines Eichhörnchens, dessen versteckte Walnüsse mir dabei in die Finger fielen. Naja, es waren nur drei Stück, während es bestimmt an die fünfzig weitere Nüsse von Nachbars Baum stibitzte und hier auf dem Grundstück vergrub. Fleissig sind sie, die Baumratten ...
Nach getaner Arbeit setzte ich mich ins kleine Holzhüttchen, sah zu, wie die Meisen trotz der Kälte in der Vogeltränke vergnügt badeten, und meditierte in gewohnter Weise über die fünf Elemente.
Irgenwann gewahrte ich aus den Augenwinkel einen Schatten, vor dem die Vögel in Panik davonzufliegen schienen: es war kein Elementargeist, sondern eine Katze, welche im typischen Pirschgang die Tränke einer Begutachtung unterzog. Das hatte bei mir, dem Vogelliebhaber, zur Folge, daß ich jäh aufsprang, um den Räuber zu erschrecken, auf daß auch er erschrocken flüchten solle.
Doch das stellte sich als schwieriges Unterfangen heraus,  da es sich um eine noch junge, unerfahrene Katze handelte, die mich sofort in ihren Spieltrieb einbezog. Das heißt, sie floh nicht etwa, wie ihre erfahreneren Artgenossen, sondern lief im Kreis herum und ich hinterher.
Ein süßes Kätzchen, blaue Siam-Augen keine Frage. Aber ich gebärdete mich, immer der Vögel Wohl im Sinn, so abschreckend, wie es mir aus dem Stehgreif möglich war, mit Fratzenschneiden und höllischem Knurren, was sie immer mehr zu begeistern schien: sie dachte garnicht dran, den Garten zu verlassen, sondern sprang unter Büsche, auf niedrige Tannen, auch vorbei am gerade blühenden blauen Eisenhut und wartete dann jedes Mal, bis ich sie um ein Haar keuchend eingeholt hatte, um dann blitzschnell wieder  ein Stück vor mir her zu springen. Kurz: sie hielt mich zum Narren.

Dann passierte es. Ich verdrehte mein Knie, es knackte nur kurz und aller Lauf fand ein jähes Ende. Das Bein sackte weg und der Schmerz brachte mir mein Blödigkeit zum Bewußtsein: mein unangebrachtes Rennen hinter einer Vorstellung her, mit dem eigentlich voraussehbaren Resultat.
Ich weiß nicht, woher ich die Kraft nahm, mich in die Wohnung im ersten Stock zu schleppen. Vielleicht wegen des ausgeschütteten Adrenalins gelang es noch. Und nun sind drei Tage vergangen und ich krieche mit Schmerzen auf allen Vieren durch die Wohnung, das angeschwollene Knie bandagiert und schreibe diese Geschichte.

Auch wenn real die Katze der Auslöser war, so handelt es sich doch um eine Visite des mythischen Kerberos, der als Hund schon am Gartenzaun gescheitert wäre. Er wollte nur spielen. Doch dieser Narr hier, der unmittelbar die Folgen der Angst erntete, die er verbreiten wollte, weiß noch nicht, ob er jemals wieder wird laufen  können ...

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Kommentare zu diesem Text

BabetteDalüge (67)
(22.10.15)
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 LotharAtzert meinte dazu am 22.10.15:
Schon reut's mich wieder, daß ich Dich so gegen Graeculus und Dieter Rotmund verteidigt habe.
Ja, ich weiß es ja, ich sollt' nirgendwo und nie eingreifen, mache halt immer wieder dieselben Fehler ...
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