Alle 357 Texte von Walther

Schwüre - für Klabund Ich ruf mich laut: Mein Lieber, Leg deine Maus jetzt weg Und auch den Rechenschieber, Den Kalkulator für den Zweck – Mensch, öffne eine Türe Für den Gedankentanz, Erfülle rasch die Schwüre Und lass dich gehen. Ganz.

1 t toter fluss fisch bitte Beachte die kondens streifen: sie mäandern täglich ein wenig mehr der sommer greift aus: in den himmel & an fremde strände Wo er plastik flaschen stapelt – leer oder nicht leer ist die neue frage sinn oder wahn...

Firmung Der Dichter greift an seinen Kopf Und freut sich: Toll, der ist noch da. Er war erst just dem Ende nah Und zweifelte an dem Verstand Der Welt, als er im Regen stand. Ganz nass von Fuß bis an den Schopf Versagte er an seinem Schirm. Rein...

Sauwarm Die Nacht ist heiß. Das Bett ist feucht. Dem Dichter ist ein Ruf entfleucht: Man schicke Eis an dieses Bett. Drei Kugeln wären supernett. Die Liebste rekelt sich im Kissen. Sie hat sich das vom Leib gerissen, Was ihn umhüllt,...

Sommerabendwind Es mögen dir die weichen Winde wehen, Die kühlend dir die Haare und die Haut Umschmeicheln, dass das Schmerzeis in dir taut Und dunkle Horizonte Lichter sehen. Es möge sich dein Herz und auch dein Blick Den Freuden öffnen:...

Vanille Die Hitze legt sich mit Gewicht Voll auf des Dichters Rotgesicht. Der Schweiß tropft von der Denkerstirne, Im Kopf schwappt eine weiche Birne, Die Reim und Vers nur radebricht: Das Dichten liebt die Schwüle nicht. Die Muse fläzt sich....

Daraa Der Wahn tanzt durch die Straßen: Wirbelwind. Und Staub steigt an den fahlen Himmel auf, Wo zwei drei Sonnen kreuzen ihren Lauf. In einer Ecke hustet schwer ein Kind. Es hält die Hände auf: Wer spendet Segen? Und ruft nach einer Krume...

Leerstück Der Hahn kräht heute nicht. Er steht und streikt. Die Wetter wissen sich nicht zu entscheiden; Man sieht die Frauen, wie sie sich verkleiden. Der Hahn hat seinen Zweck bereits vergeigt. Es bleibt sehr ungewiss, was das denn zeigt: Die...

Ich trage dich und will getragen sein: Wir sind uns schwer und wollen gar nichts wiegen, Wie eine Feder selbst den Wind besiegen; Wir wollen ewig und wie Sphären sein. Ich greife nach dem Anker, der uns rettet: Der Fluss führt uns ins weite,...

Fragen und Antworten Wer spielt heute auf der Acht? Ist das Stadion überdacht? Scheint die Sonne viel zu hell? Spielt der Gegner viel zu schnell? Jetzt hilft die Bananenflanke, Ist der rettende Gedanke, Sonst wächst aus dem Gras empor Rasch ein...

Relativ Der Kaffee in der Tasse: kalt. Der Tassenträger: müde, alt. Das Wetter draußen: richtig mies. Es ist, als ob das Glück verließ Den müden alten Mann, um fort Zu gehn an einen Sonnenort. Der Mann schaut auf. Die Liebste lächelt. Er...

Der Traurigkeit ihr Kind Ich schreibe mir von meiner Seele Die Schwere nicht; ich lass sie ruhn. Auch wenn ich mich dann weiterquäle: Ich wäre gegen Schmerz immun. Am Himmel prangen Sommersonnen. Der Regen schweigt. Die Wüstenei Hat Hoffnungen...

Westwind. Der Westwind greift tief in die Äste Und reißt die Blätter einfach ab, Als wären sie bloß kurze Gäste. Er wirft sie hin auf dieses Grab. Dort liegt im Grund, was doch im Grunde Noch leben sollte, Tag für Tag. Ich stehe hier. Dass...

Das Mädchen Du liegst auf einer Wiese, meine Schöne, Und übst mit mir ganz lustvoll Spiegelfechten. Ich will aus Gänseblümchen Kränze flechten: Das ist ein Spaß, an den ich mich gewöhne. Wir jagen Schmetterlinge, folgen Spechten, Bis ich...

Wolken Wolken haben was beruhigendes: wasser fällt auf wüstes land Die herz wüste lebt! gedenken guter tage in zärtlichkeit nach allen seiten gewendet & gewandet Der fenster aus schnitt gibt tropfen lauf fläche: ihr verschwinden malt...

Schattenschlag - Schlagschatten Den Schatten nur, und sonst ist nichts, Ihn trifft der Mensch auf freier Fläche: Er schlägt im Winkel grellen Lichts Und stört die Spiegelung der Bleche Und trifft die Linie des Gesichts. Er spricht die Losung,...

Ewigkeiten Komm, lass uns heute mit dem Sommer traben: Er geht, woher er kam, nach West und Süd. Die Schlüsselblumen sind bereits verblüht, Und Bienenvölker dürsten in den Waben. Die Perseidenschauer sind verglüht: Am Mondrand knabbern laut...

Am Berg Der Berg ist nur ein Berg, und er steht da: Seit Zeitenwenden schon verwirft er Schatten. An seinen Flanken liegen grüne Matten; Die Ferne scheint auf seinem Gipfel nah. Ich steige mit dem Wind und dem Jikrah!, Das Adler rufen, die in...

Der Faun, die Rose, der Dorn Die Rose brach ich dir und mir den Dorn: Ich saugte an dem süßen Blut, und Sterben Verwandelte den Traum schwarz ins Verderben. Ich wusste nicht, woher er kam, mein Zorn: Was wollten wir aus Bösem Gutes erben? Die...

Immer rose Im garten pfleg ich meine neu rosen & die alt rosen - auch die in alt rosa Die roten wind ich dir zum kranz kein finger bleibt ganz - bade sie im roten blut Der linken herz kammer weil ich einen stich habe - nein viele von dir & bienen...

Schale Es gibt arten von trauer für die worte boden los sind Grund stürzend Schmerz Voll Tränen Leer Ich will schale sein für deine trauer liebste ich will sie tragen will dich tragen Wenn du mich er trägst

Fahne im Wind Die Fahne weht ganz gern im Wind: Es wird an ihr nicht so gerissen. Sie flattert, rattert echt beflissen: Ganz wie die Fahnen eben sind. Am liebsten hängt sie schlapp vom Masten, Wenn keine Kugeln durch sie pfeifen, Und Mörder...

Lemuren Montag, Montag, neues Jahr: Alles bleibt, wie es schon war. Ewig schmilzt der Restkalender, Ewig tickt der Istbeender - Zeiger schieben sich im Kreis, Bis der Tod es besser weiß. Blödsinn, Schluss mit allen Uhren, Sie sind nichts als...

Der Fuchs unterm Volk Die Füchse wildern im Gehege, Die Elstern wildern im Gelege: Die Hühner hatten keinen Spaß. Worüber ich mich gern errege Und meinen hohen Blutdruck pflege, Ist das, was ich heut Morgen las: Es wimmelt nicht von edlen...

Nachgedanken Gedanken lagern lange, liegen brach Und stören sich nicht an der schnöden Welt. Sie ruhen, weil es ihnen gut gefällt. Doch sie erwachen schließlich, nach und nach, Wenn wie ein Blitz sie etwas stupst und kitzelt. Sie schütteln,...

Schreck Heute morgen ist mir die birne aus der fassung gehopst: sorry dass Ich jetzt nicht mehr leuchte ich leuchte: scheffel brauch ich grad Keinen da schon voll kommenes dunkel herrscht gut nacht um 6e Oh schreck lass abend werden & vollmond...

Mittagstisch Ein kleiner Mönch, fast nur ein Zwerg, Steht einsam schräg auf einem Berg. Es bläst wie Hölle, pfeift wie Pest, Dort oben auf dem Everest. Er hält die Pfanne in der Hand. Die Bratkartoffeln sind verbrannt. Er blickt zum Himmel....

Acht I Ich nehme mich noch nicht in Acht So früh am Morgen um halb 8. Drum hat es plötzlich „Rumms!“ gemacht, Und ich hab dazu nicht gelacht. Ich habe nämlich nicht bedacht, Dass gegen eine Türe kracht, Wer glaubt, die sagt davor: „Gib...

Honigliebchen Ich bin ein Honigbübchen Und hab ein süßes Grübchen Am Kinn und an den Wangen: Um mich muss keiner bangen. Ich küss mein Honigmädchen, Schenk ihr ein Schokolädchen. Sie wackelt mit dem Köpfchen Und steckt es in ihr...

Dem Welt- und Allpoeten Im Nichts dem fernen Klang der Zeit zu lauschen: Was trieb ihn an zu seinen Sternenreisen? Er wollte Denken neue Wege weisen Und ließ sich von Unendlichkeit berauschen. Am Rande der Erkenntnis hörte er den leisen, Den...

Straßenrand Ich seh mich auf der Resterampe: Drei Krähen zieren meine Wampe, Mein Bart ist Heimat zweier Hummeln, Die sich um meine Nase tummeln. Sie schrecken auf, denn ich muss niesen, Und fliegen rüber zu den Wiesen. Der Nachbar lässt den...

Vermögensaufbau Die Welt verstehn? Die Sprache sprechen? Man nehme rasch den Wörterrechen Und reche alle Sätze rein. Das Geld verstehn? Die Raten blechen? Man ahnt das Hauen und das Stechen Und möchte nicht Verlierer sein. Man atmet durch,...

Elster, nicht diebisch Ich gebe mal an: zb die steuer nummer & die kleider größe & wo der schuh drückt Warum bleibt das gefühl dass gerne mehr gewusst würde als ich selbst weiß & Wieso träume ich von einer video kamera auf dem dach first...

Trauerkloß Der arme Mensch ist schwer vergrippt, Hat Pillen in den Hals gekippt, Gehustet, -räuspert und gekotzt, so manches Tempo vollgerotzt: Das Leben spielt den Trauerkloß, Obschon die Sonne ganz famos Den Himmel putzt, dass er erblaut,...

Lebensgefährliches Vorhaben Nur einmal kurz in Wintersonne baden War eines Menschenwesens größtes Ziel. Ach, so ein Menschlein will oft viel zu viel: Ihm stach ein Muskelschmerz in seine Waden. Auf einem Stock, der viel zu kurz geraten Und...

Ost-Ghuta, Syrien, 21.02.2018 Es fallen wieder Splitterbomben, Und in den dunklen Katakomben Verrecken wieder kleine Kinder. Die Herren sitzen an den Tafeln, Man sieht sie fressen, sieht sie schwafeln: Da sitzen sie, die Menschenschinder. Und...

Laudatio für einen Poesiepreis Na denn Prosit und Prost. Sei vom Beifall umtost, Du armes Dichterherz. Dir droht nicht der Kommerz, Dir droht nur trocken Brot, Kein Geld und liebe Not.

Ins Unbekannte Das Schicksal öffnet eine Pforte. Schmerz verweht, Als einer durch die Türe geht: ins Unbekannte. Wer durch die Täler lief und um sein Leben rannte, Der weiß, was jeder Anfang ist, den man erfleht Hat und erhalten; doch den...

Kaffee ist fertig Gib dem himmel eine chance auf ein morgen abend rot auf das dämmern auf den wolken tanz im immer blau Das leben ist keine müll tüte: es ist wunder tüte füll horn es ist lust auf liebe lust auf tod & atem & Gib dem himmel...

Nachklapp Am Tag nach Karneval ist Ruh, Und selbst der Faschingsscherz hinkt lahm. Was bleibt auf grauem Makadam: Kammelle, Kotze und Konfetti. Beim Dreigestirn ist nichts paletti, Die Kappe drückt, die Hose zwickt. Die Welt bleibt kleinkariert...

Ein armer kleiner böser Mensch Der Dreck ist kaum zu fühlen, doch er klebt Am weißen Kragen, da, wo man ihn sieht. Selbst wenn der Täter in den Schatten flieht – Es sind Legenden, die er fleißig webt, Er möchte schaden, und das maximal....

Der Fischer Die Reling oben, hoch an der Barkasse, Will glänzen, soll es, ist am Griffpunkt matt, Und was der Kahn bewegt, macht nicht mehr satt: Der alte Mann mit seiner Henkeltasse Lehnt an der Stange, raucht die alte Pfeife Und das Gesicht...

Der Schiffer Die Brücke liegt in schweren Nebelschwaden: Da ist kein Ufer, da ist einfach nichts, Und im diffusen Zweifel halben Lichts Nimmt dieses Dasein seinen nächsten Schaden. Der Schiffer sticht in diese weiche Masse: Sein Ruf ertrinkt im...

Der Alltagsheld Ein Seufzer bricht noch aus den schwachen Lungen. Die Augen brechen nach dem letzten Zug. Ein Mahnen folgt dem steten Vogelflug, Ein Leben hat sich gänzlich ausgewrungen. Es bleiben Worte und Erinnerungen. Der, der da ging, war...

Der Wintersturm Der Himmel wirft die Jugend weg, ergraut In schweren Wolkenmassen, durchgeknetet Von Winterstürmen. Einer kniet und betet, Er spricht die Formeln, hat nicht aufgeschaut. Die Böe greift die Fichte, und sie bricht. Mit lautem...

Wintertag, blau. Der Wintertag verkleidet sich in Blau, Und Vögel rufen von den Dächern: Liebe! Die Sonne kitzelt fast vergessne Triebe: Wie dieses feine Spielchen ging, genau Weiß das vielleicht der kleine freche Spatz, Der in der Hecke zarte...

Stille, still In der Wohnung ist es still: Ist es das, was sie jetzt will? Vorhangdunkel, Schattenfallen, Leere Räume, die verhallen: Knisternd wehrt sich das Parkett. Füße tasten im Duett, Finden keinen Weg zurück, Suchen einen Weg ins...

Trübsal, ausgeblasen Gib dem Leben einen Sinn Oder hau ihm eins aufs Kinn. Irgendeinmal geht's KO: Du doch auch, drum trän nich so.

Der Frosch hat frei Der Wetterfrosch hat heute frei. Er quakt und denkt sich nichts dabei, Steigt seine Leiter runter, rauf Und nimmt, ein Schelm, ganz cool in Kauf, Dass Atmosphärendrücke spinnen Und selbst bei Sonne Regen rinnen. Er glotzt...

Hippe Lippe Ich lege Wert darauf, von Wert zu sein, Und klimpre mit den Münzen in der Tasche. Dann nehme ich die goldne Schampusflasche, Die mit den Plättchen drin, und schenke ein: Das ist die neuste hippe Jetsetmasche. Ich rede mir schnell...

Methanverfurzt Der Welt mal an den Kopf gegriffen Und festgestellt: Der Kopf muss kiffen. Wenn nicht, dann wäre er bescheuert. Das Beste wär, dass man ihn feuert: Der Laden läuft mehr schief als krumm, Das menschliche Banditentum, Es passt...

Waldeslust Ich stehe im bemoosten Schatten alter Bäume Und rufe mir die Lebensängste launig zu; Im dunklen Walde herrscht wie immer Waldesruh. Am Ende habe ich wohl nur die schlechten Träume Der Kindheit ausgepackt und in die Nacht geworfen....

Lösung, gehustet Ich sitze vor ner Tasse Tee Und sehe das, was ich nicht seh, Wenn ich nicht in die Ferne gucke Und mich dabei auch noch verschlucke. Doch wie ich spucke, wie ich pruste, Mein Leben aus der Lunge huste, Da fällt mir ein, was ich...

Gemein(t) Sie wächst ganz leise und mit Tücke: Gemein(t) ist die Gedächtnislücke. Man wird es in der Hölle büßen, Wenn einen nette Menschen grüßen, Mit Freude, Wärme und mit Namen, Die einem recht bekannt vorkamen, Doch da ist nichts,...

Sachlage, nüchtern. Was dort am Himmel stand, war unerfindlich: Die Narrenzeit, die uns für solche hielt, Mit schlechtem Witz und Spitzen, schlecht gezielt, Verballhornt, tiefgeschlagen, unverbindlich. Das Leben hatte sich recht schlecht...

Dümpeln In der alten Kaffeetasse Dümpelt eine braune Masse Vor sich hin. Ich sitz still an leeren Tischen Einsam beim Im-Trüben-Fischen, Hand am Kinn.

Spieglein, Spieglein Der Spiegel fragt: Wer bist denn du? Ich schau mich um und seh da keinen. Verdammt noch eins, wen mag der meinen? Ich mach die Augen auf und zu Und sehe immer diesen Alten Mit seinen tiefen Kummerfalten. Hey Spiegel, sag ich,...