Alle 121 Texte von unangepasste

„Ich möchte, dass sich die Person meldet.“ Der Lehrer ließ seinen Blick durch die Klasse schweifen, dann richtete er ihn einen Moment zu lang auf mich. Er meinte doch nicht etwa …? Das konnte nur ein Missverständnis sein. Oder hatte...

Manchmal wünschte ich, ich könnte einen Tag noch einmal wie ein Kind erleben. Doch Jahr um Jahr beschleunigt sich das Tempo der Zeit. Nur Träume dehnen heute noch die Stunden, und hin und wieder, wenn ich mich tagsüber aus den Augen verloren...

Ich werde die Leere nicht mehr verdecken, mich ausgehöhlt entblößen, immer farbloser werde ich mich zeigen, matter und kühler; heiße ich Schicksal. Der Schall schroffer Stimmen soll aus dunklen Schluchten zurückhallen, rufende Laute...

Mit einem Glas Wasser spülte Herr Altentaler den Unmut hinunter, nahm die Jacke vom Haken und machte sich auf den Weg. Er wusste, dass er einen Fehler begangen hatte. Alles war rechtmäßig, die Abmahnung, die er gestern im Briefkasten gefunden...

Malt sich die Kälte schön in ihrem Netz aus Blumen an den Fenstern? Wir stehen auf der alten Haut der Erde, und Fragezeichen wachsen büschelartig unter unsren Füßen. Manchmal reckt ein einzelnes sich hoch zur Sonne....

Am Abend huscht das Schweigen durch die Straßen, und weiße Mützen schneit die Stadt. Platanen werfen Flocken auf die Jacke – mit einem Kopfschütteln stoßen sie sie ab.

Ich habe ein Talent dafür, Dinge zur Explosion zu bringen. Das mag vielleicht merkwürdig klingen, aber in der Tat war bei mir diese Fähigkeit schon früh ausgereift. Leider hat sie einen Haken: Ich kann sie nicht bewusst einsetzen. Wäre es...

Die Fluten des Meeres gleichen meinen Gefühlen, und ich bin Sand. Ich liege still am Grund. Doch wenn der Wind von außen zischend in mich greift, heben die Wellen Körnchen, wirbeln mich um und decken zu und wühlen tiefe...

Auf die Erinnerung fällt Schnee. Ich laufe hindurch, bei Nacht und ohne Licht. Jemand hat Gedanken umgestülpt, mich mit dem Schuhanzieher tief hineingedrückt. Ich gehe damit stumm im Kreis. An meinen Händen hängt noch der Gesellschaftszweck...

Sie zwängten mein Leben in sechsundzwanzig Buchstaben. In den Leerzeichen klangen die Töne lauter und widersprachen dem Gesang der Lerchen. Ich pflückte weiße Worte von den Lippen und legte sie in Zwischenräume. Ohne Schatten hallten sie...

Wir schweigen fließend in allen Sprachen unserer Unruhe, schütteln das Licht von unseren Schultern, sein Gewicht zu schwer für einen Tag. In der Meerenge gehen wir spazieren, werfen Fragen zu den Fischen. Zwischen Gischt lösen sie sich auf....

„Grüß Gott, meine lieben Enkelkinder!“ Meine Großmutter steht im Türrahmen und streckt die Arme in die Höhe. Ich reiche ihr die Hand, schlüpfe in die unbequemen Fellhausschuhe, in denen ich stets das Gefühl habe, auf Absätzen zu...

in deinem Haar, doch in der Ferne hallen schon die Seesterntage. Sprich mir Gischt unter die Sohlen. Die alten Geister sind noch wach. Lass die Gedanken flattern wie ein Segel. In Wellen trägt uns jetzt dein Wort.

An meinen Füßen der Schatten eines Steins. ich zücke die Gedanken und ziele ins Herz der Müdigkeit, bis der steile Aufstieg meiner Fragen mich ans Geländer treibt. Ich bin das Alte, Zitternde mit grauem Haar. Mein Jahr hängt über meinem...

Du bist Luft für mich, sagst du, doch ich gehe dir gerne durch und durch.

Die Welt greift nach den Füßen. Ich versuchte, sie zu finden, an einem Wintertag, an dem sich eine Schneeschicht über die Welt legte, eine Schicht, die verschwinden ließ und verschluckte und der Stadt eine ungewöhnliche Leichtigkeit verlieh....

Plötzlich stürzen meine Blicke in dich und treffen auf deinen Grund. Aus der Bruchstelle strömt Abendhimmel und malt die Landschaft für Sekunden wund.

Manchmal steige ich für eine Sekunde aus dem Film „Leben“ aus und schaue mir die Welt von außen an. Wie ein Sandkorn wehe ich auf und ab, hin und her. Im Lauf der Jahre bin ich mir selbst abhandengekommen. Nur noch selten tauchen Momente,...

Eines Tages war das Meer in sie eingedrungen, in die schmalen Öffnungen der Gedanken gesickert und hatte alles mit Schlick umspült. In ihrem Kopf blieb ein salziger Rest aus Seetang und Sandkörnern zurück. „Bleib am Rand“, hatte man ihr...

Mein Blick hat sich an dir verfangen. Huflattichgelb flattert er im Wind. Am Horizont versilbt sich der Morgen und fällt wortschwer ins Wasser. Du greifst in sein Grau und malst mit zaghaftem Strich mein Gesicht, doch unscharf steht es im Dunst...

Ich weiß nicht, wann die Farbe von der Sehnsucht blätterte, die ich auf meinem Fluss zu weiten Wassern sandte. Rostig und kalt ist sie gestrandet. Vergessen habe ich den Wind, der aus mir blies und Sanddornfrüchte sommers auf den...

Sie fügte sich so geschmeidig in die immer kleiner werdende Normalität, wie der Begriff von Experten definiert wurde, dass jeder Spaziergänger sie fast übersah. Doch da sie nichts hatte, woran man sich stoßen konnte, gab es auch keinen...

brechen Blumen, und wir fahren über Risse im Boden. Vielleicht heißt leben: mit den Birken schweigen, sich an Tage lehnen, neue Formen finden. Aus deiner Stimme wehen Samen. Du hast Mohn gestreut. Vor meiner Haut wachsen rote Zeiten....

Teile ich die Zeit, bis Wind mir Stunden von den Lippen weht, und Kiesel rollen mit den Tagen. Noch brennt Feuer auf den Jahren, folgst du Aschezeichen, die uns leiten. In deinem Hut trägst du das Meer.

Auf den Bergen sind die Stunden dünner, finden kaum noch in meinen Atem. Du füllst sie in Flaschen und trennst sie in Liebe und Warten, später, im Tal.

Ich muss mich sammeln am Bahnhof unter Lichtern im Gewühl. Dort liegt ein Gefühl zerfasert neben Jacken und Hemden. Durchsichtig treibe ich in der Luft. Ich atme nicht, werfe mich in die Kluft zwischen Gedanken, falle mitten ins Getöse. Bleibe...

hat mich in der Hand. Bevor der Morgen kommt, sinke ich auf das Herz rauer Felsen, von Wellen gebrochen und kalt. Ein Flüstern auf Klippen bin ich und lebe im Regen; Stunden aus Salz hängen sandig an meiner Haut. Wenn du mich findest, ist mein...

Heute Nacht war ich tagelang wach, lehnte mich an die Wüstenhaut meiner Träume. In Gedächtnislücken kroch ich mit dem Rücken zuerst, zückte die letzten Tagesreste und warf sie zurück. Hier streckt sich ein Ort bis auf die Spitze meiner...

sind Gedichte am Leben, für die ich nichts kann. Unschuldig liegen sie zwischen Buchdeckeln und warten auf den Sonntag. Später fallen ihre Worte und zersplittern, dahingeworfen in die Mitte des Weges an mir vorbei. Reges Treiben verstärkt den...

Deine Stimme flieht über die Berge. Auf dem Gipfel liegt der Schnee kniehoch. Ich gebe dem Wind Meerworte und eine Handvoll Regen. Die Zeit ist noch nicht reif, sagst du. Sie liegt dir bitter auf den Lippen, und Kraniche sind unbekannt verzogen.

Manchmal blitzt für einen Augenblick der Geruch von Rot oder die Farbe einer Melodie in mir auf, wenn die Luft aus Pfützen von gestern trinkt und mein Atem sie beschwingt in mich hinein trägt. Eine Feder landet auf dem Meer, das...

Schon seit einer Stunde sitzt er über dem Formular. Mit seinen neunzig Jahren fällt ihm das Lesen schwer. Seine Hände zittern, als er mit dem Vergrößerungsstab über die Zeilen fährt. Alter: Wie auf dem Foto, plus 5 Jahre … Mehr als...

Aus meinem stillen Wasser angelte er Gefühle. Am Haken zuckten sie in ihren letzten Zügen.

an Birkenzweigen. Auf der Kante des Sommers läufst du barfuß, wirft sich ein Lachen in deine Stimme. Worte hallen vor einem Streifen Blau, die sich erntereif in deinen Händen biegen. Manchmal greife ich nach einem, bevor der Herbst sie durch...

Als Jugendliche hatte ich das Gefühl, den einen, für mich richtigen Beruf finden zu müssen. Dass ich daran nur scheitern konnte, war mir damals nicht bewusst. Ich belächelte meine Großmutter, als sie mir sagte, eine Arbeit müsse keinen...

Plötzlich, überfallen von Fegefeuereifer, ergriff ich die Gelegenheit am Schopf. Sie öffnete mein Leben wie ein Buch und lächelte. Wie vom Teufel geritten zog ich ihr an den Haaren. Seit sie zuckend und strauchelnd gen Sonne stolpert, weist...

Mit den Jahren ist das Holz spröder geworden, die Schaukel leer. Im Gras sitzt die Kindheit und trägt Asche im Haar. Manchmal rinne ich mir aus den Schläfen in ihre offene Hand.

hinauf auf Dächer, bauten Wortleitern, und doch war unsere Heimat das Gras unter den Füßen und die Hecke, die das Spiel umschloss. Im Buchsbaum: eine Amsel, die den Sommer in der Kehle trug.

Bis heute dachte ich, mit zweiundzwanzig zählte ich zu den jungen Leuten. Zwar war ich längst kein Kind mehr; Apothekenratgeber, tägliche Gemüseportionen und Mittagsschlaf blieben mir jedoch fremd. Leider wurde dieses Weltbild schlagartig...

Die Adern im Gestein sind fest verschlossen. Verloren decken Flocken letzte Beeren zu. Noch einmal grabe ich verdrossen die Wehmut aus dem Schnee, und dann herrscht Ruh. Verloren decken Flocken letzte Beeren zu. Das Winterlicht saugt Farbe aus...

Ein Ast brach knackend in meine Hände, als ich an einem glatten Wintertag den Halt verlor. Am nächsten Morgen schnitzte ich aus dem toten Holz einen Löffel. Tagein, tagaus fütterte er mich mit Buchstaben, die in meinem Magen heulende Gedichte...

Wie vor den Blüten, wenn das Gras noch ohne Farbtupfer gebogen unter dem Apfelbaum steht und wartet, sitzen wir jeder für sich und sehnen uns nach warmen Tassen zu zweit oder dritt. Die Tage sind hungrig geworden und mager, so viel Leben, das...

ist das Weiß der Stille, wenn der Morgen erblasst. Dann schweige ich bei den Steinen, verstehe die Lippenblütler und sehe mich werden. In allen Dingen liegt ein Wort. Ich pflücke keines, lasse reifen.

Auf der Straße meines Gewissens / liegt das Laub; / im Winter streut keiner / über dem Eis. / Manchmal fällst du / auf die Knie, / die Hände aufgeschürft / und Worte auf den Lippen, / die ich nicht verstehe. / Ich schneide die...

Dass etwas nicht stimmt, merke ich, als ich immer wieder Facebook-Postings über meine Befindlichkeit einstellen will. Normalerweise nutze ich die Seite nur, um mich mit literarisch Interessierten zu vernetzen und Kontakte aufrechtzuhalten....

Die Seele von Personalleitern hat enge Wände, die Haut verputzt mit Kohleschlacke. Jeden Tag schicken sie kleine Männchen die Treppe hinab und lassen die fasrigen gurrenden Worte sammeln, die surrenden Turteltauben fangen. Sie setzen blasse...